Aktienmärkte, Anleger

Gestaffelt kaufen – aber wie?

Angesichts der aktuellen Entwicklungen in der Welt und an den Börsen lege ich Ihnen erneut ans Herz, sich im Zweifelsfall eine Weile vom Markt fernzuhalten. Schauen Sie sich das wilde Auf und Ab der Kurse von der Seitenlinie an. Das gilt insbesondere für Börsenneulinge und kurzfristige Trader, die sich derzeit unsicher fühlen.

Das fortwährende Kribbeln in den Fingern

Ich wiederhole dies nach den vorgestrigen Ausführungen noch einmal, weil ich genau weiß, wie man sich als Trader fühlt. Man glaubt Chancen zu verpassen, die sich am Markt jederzeit und somit auch in der aktuellen Phase bieten. Einem waschechten Trader kribbelt es ständig in den Fingern. Aber ich weiß eben auch, dass es Geld kosten kann, wenn man die Risiken falsch einschätzt. Und so steht man im aktuellen unsicheren Umfeld vielleicht Ende März mit vollem Cash-Bestand womöglich besser da als mit hoher Investitionsquote und entsprechenden Verlusten.

Gestaffelt kaufen – aber wie?

Dennoch kann ich verstehen, wenn Sie jetzt trotzdem unbedingt in den Markt einsteigen wollen. In den stark verbilligten Kursen müssen doch bereits günstige Kaufgelegenheiten schlummern?! Auch ich sehe bereits einige Schnäppchenkurse. Daher hatte ich schon vergangene Woche zu gestaffelten Käufen geraten. Aber wie tätigt man diese genau?

Eine der zahlreichen Leser-Mails, die Stockstreet aktuell erreichen (ich berichtete), brachte mich darauf, dieses Thema zu konkretisieren. Zumal: Auf die von mir zitierte Börsenweisheit „Kaufen, wenn die Kanonen donnern“ entgegnete der Leser mit gleicher Münze: „Never catch a falling knife“. Sehr interessant! Schließlich haben sich derartige Börsensprüche etabliert, weil sie sich schon oft als richtig erwiesen haben. Doch die beiden widersprechen sich. Was nun?

In einen Kurseinbruch oder die anschließende Kurserholung einsteigen?

Soll man in die fallenden Kurse hinein Positionen aufbauen oder stattdessen eine Bodenbildung abwarten, wie es der Leser schreibt, um erst dann in die Kurserholung hinein gestaffelt einzusteigen. Beide Varianten sind möglich. Und das Endergebnis wäre vielleicht sogar identisch, wie im Beispiel des folgenden Charts:

gestaffelter Einstieg am Beispiel DAX

Egal ob man hier in die fallenden Kurse (rote Käufe) oder erst nach dem Boden in die Kurserholung hinein (grüne Käufe) Positionen aufgebaut hat – der durchschnittliche Kaufpreis wäre letztlich der gleiche. Und daher halte ich gestaffelte Käufe in der aktuellen Marktlage grundsätzlich für den richtigen Tipp, egal für welche Variante Sie sich entscheiden.

Gestaffelter Ausstieg

Einen Vorteil sehe ich allerdings in der roten Variante: Bei dieser ist auch ein gestaffelter Ausstieg möglich. Haben Sie den Kauf 3 getätigt und der DAX kehrt auf das Niveau von Kauf 2 zurück, können Sie die Gewinne aus Kauf 3 mitnehmen. Erholt sich der DAX weiter bis auf Kauf 1-Niveau, können Sie die Gewinne von Kauf 2 mitnehmen. Fällt der DAX anschließend oder zwischenzeitlich wieder, können Sie Kauf 2 und/oder 3 wiederholen. Diese Möglichkeit steht Ihnen bei der grünen Variante nicht zur Verfügung.

Strategiewechsel

Zudem hat es im Chart oben keine Bodenbildung gegeben, sondern einen V-förmigen Verlauf. Auf eine Bodenbildung hätte man in diesem Fall vergeblich gewartet. Außerdem wissen Sie nie, ob eine Kurserholung Teil eines neuen Aufwärtstrends ist oder lediglich eine Gegenbewegung in der Abwärtsbewegung. Sie könnten sich daher nach Kauf 1 plötzlich auf neuen Korrekturtiefs wiederfinden.

Das wäre allerdings nicht schlimm. Sie könnten dann einfach von der grünen zur roten Variante wechseln und Ihre Strategie damit der neuen Gegebenheit anpassen. Und in diesem Fall wäre die rote Variante gegenüber der grünen sogar vorteilhaft, weil man erst tiefer erstmals in den Markt eingestiegen ist.

Gutem Geld kein schlechtes hinterherwerfen

Allerdings können Unternehmen Pleite gehen und Aktienkurse auf Null fallen. Die Strategie der gestaffelten Käufe funktioniert daher nicht in jeder Marktsituation und nicht in jedem Basiswert, was auch jede andere Strategie gilt (siehe auch Börse-Intern vom Montag).

Bei Einzelaktien bietet sich ein gestaffelter Einstieg insbesondere an, wenn ein Kurseinbruch durch ein Ereignis wie den Ukraine-Krieg hervorgerufen wird. In solchen Fällen werden so gut wie alle Aktien in Sippenhaft genommen, auch wenn die meisten Unternehmen nicht einmal indirekt betroffen sind. Genau bei diesen Unternehmen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich der Aktienkurs schnell wieder erholt.

Der Ukraine-Krieg verstärkt allerdings die allgemeinen Marktkorrektur, welche bereits zuvor begonnen hatte. Mit dieser wurden Überbewertungen abgebaut. Man sollte daher den gestaffelten Einstieg nur bei Unternehmen wagen, die fundamental preiswert erscheinen. Bei überteuerten Aktien ist es wahrscheinlicher, dass diese lange Zeit nicht mehr auf Ihren Kaufkurs zurückkehren.

Beim gestaffelten Einstieg streuen

Um dieses Risiko zu umgehen kann man einen Markteinstieg durch gestaffelte Käufe auch anders praktizieren: Statt weitere Anteile vom gleichen Wert zu erwerben, können Sie zeitlich versetzt Ihr "Bottom-fishing" auf verschiedene Aktien verteilen. Zum Beispiel könnten Sie zuerst bei Volkswagen einsteigen, um bei einer Fortsetzung der allgemeinen Marktkorrektur als nächstes eine Mercedes-Benz AG ins Depot zu holen. Dadurch reduziert man das Klumpenrisiko und streut das Investment auf verschiedene Werte.

Wobei man auch nicht unbedingt Aktien der gleichen Branche kaufen muss (Volkswagen, Mercedes-Benz), sondern man könnte auch stärker diversifizieren (Volkswagen, Allianz).
Kommt es anschließend zu einer Markterholung, lässt die Flut gewöhnlich alle Boote steigen.

Ein Aktienindex kann nicht pleitegehen

Im Gegensatz zu Einzelaktien verhält es sich bei einem Aktienindex mit gestaffelten Käufen anders. Bei diesem ist es nahezu unmöglich, dass er auf Null fällt. Daher empfehle ich den gestaffelten Kauf vor allem für Trades auf Indizes.

Hierzu wählt man gewöhnlich ETFs oder Indexzertifikate. Beachten Sie bei Letzterem aber, dass gehebelte Indexzertifikate (Hebel-Zertifikate) eine Knock-Out-Schwelle haben. Fällt ein Index bei einem solchen Investment zu weit, lässt ein gestaffelter Einstieg Ihr Risiko sogar wachsen.

Fazit

Letztlich ist es eine Frage der persönlichen Risikoneigung, ob Sie im aktuellen Markt investiert sein und die Strategie der gestaffelten Käufe wagen möchten. Wer das nicht will, muss sich keine Gedanken oder gar Vorwürfe machen, womöglich Gewinne zu verpassen. Denn an der Börse darf man entgangenen Gewinnen nie nachtrauern. Schließlich ergeben sich immer neue Chancen.

Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus

(Quelle: www.stockstreet.de)

@ ad-hoc-news.de | 03.03.22 09:36 Uhr