Aktien, Anleger

In den unergründlichen Tiefen der Charttechnik

Am heutigen Mittwoch – also einen Tag später als sonst – beginnt die zweitägige Sitzung des Offenmarktausschusses der Fed, kurz die Fed-Sitzung. Damit werden auch die Entscheidung und das Statement einen Tag später, also am Donnerstag, veröffentlicht. Gleichzeitig wird auch eine Zusammenfassung der wirtschaftlichen Projektionen der Fed bekannt gegeben und die Fed-Chefin Janet Yellen stellt sich auf einer anschließenden Pressekonferenz turnusmäßig den Fragen der Journalisten.

Am darauffolgenden Tag ist der große September-Verfallstag. Es bleibt also wenig Zeit für die Stillhalter, sich entsprechend zu positionieren. Das ist wohl neben den Nachwirkungen des Kurseinbruchs ein weiterer Grund dafür, warum wir in diesem Monat ein eher uneinheitliches Bild ohne klare Richtung bei der Verfallstagsgrafik sehen:

Verfallstaggrafik September Verfall

Quelle: ../verfallstag-diagramm/

Festzuhalten bleibt, dass sich unter der 10.000-Punkte-Marke fast nur noch Put-Positionen befinden. Das könnte ein Grund dafür sein, warum sich der DAX zurzeit noch über der 10.000-Punkte-Marke hält. Das spräche eben auch dafür, dass diese Marke bis zum Verfallstag gehalten werden sollte. Aber mit der Zinssitzung der Fed im Nacken muss man hier mit Prognosen sehr vorsichtig sein.

Der eigentlich günstigste Abrechnungskurs (unter normalen Bedingungen) hätte bei 10.500 Punkte gelegen. Nach oben ist der gesamte Bereich bei 11.000 Punkten durch Call-Positionen gedeckelt (hier nicht zu sehen).

Und dabei müssen wir es für dieses Mal belassen. Es macht angesichts der so außerordentlich wichtigen Fed-Sitzung keinen Sinn, die Bewertung der Positionen zum Verfallstag tiefergehend zu analysieren.

S&P 500: Eine Fortsetzungsformation vor der Fed-Sitzung?

Interessant ist, was die US-Indizes angesichts der bevorstehenden Zinssitzung der Fed veranstalten. Dazu der S&P500 Chart:

S&P500, Dreieck, Wimpel, Flagge

Im Prinzip ist die Bewegung, die wir im S&P500 sehen, nichts anderes als ein Zeichen dafür, dass die Anleger abwarten, was die Fed machen wird. Die Ausschläge, also die Volatilität, sinkt, die Umsätze sinken – der Markt geht in die Hasenstarre über.

Doch charttechnisch ähneln die Kursbewegungen einem Dreieck (blaue Linien). Und Dreiecke sind wie Flaggen/Wimpel Fortsetzungsformationen. Demnach wäre die Wahrscheinlichkeit, dass es zu fallenden Kursen kommt deutlich höher, als dass die Kurse im Anschluss steigen. Aber Sie bemerken den Konjunktiv!

Ein wichtiger Bestandteil der Charttechnik

Ein wichtiger Bestandteil der Charttechnik, der aber gerne vergessen wird, ist, dass die Formationen nicht einfach aus dem Nichts entstehen. Nein, sie spiegeln ein immer wiederkehrendes Verhalten der Anleger wieder. Leider bemühen sich nur wenige Charttechniker, den Grund für solche Formationen zu verstehen. Das ist jedoch wichtig, um zu verstehen, was man da eigentlich macht und worauf man eigentlich setzt. Und die aktuelle Situation ist ein gutes Beispiel dafür, warum es so wichtig ist, sich die Entstehung von Formationen klar zu machen.

Das Dreieck ohne Aussagekraft

Normalerweise entsteht ein solches Dreieck, wenn nach einem Einbruch zunächst eine technische Gegenbewegung erfolgt, der sich dann ein volatiles Hin und Her anschließt. Dieses Hin und Her zeigt, dass weder die Bullen noch die Bären in der Lage sind, die Vormachtstellung zu erlangen.

Nun sind allerdings die Kurse im Vorfeld stark gefallen. Viele Anleger haben zu immer tieferen Kursen teils panikartig verkauft. Nach so einem Kurseinbruch ist die Verkäuferschicht natürlich ausgedünnt, was eben auch dazu führt, dass sich die Kurse erst einmal stabilisieren. Man nennt das: Der Markt ist stark überverkauft.

Wenn jetzt die Bullen diese Chance nicht nutzen können, ist das normalerweise ein Hinweis darauf, dass der Markt noch nicht reif für eine Trendwende ist. Nutzen die Bullen hingegen die Chance, entsteht zum Beispiel eine V-Erholung, die wieder bullish wäre.

Tatsächlich wird über ein Dreieck und auch die anderen Fortsetzungsformationen lediglich eine stark überverkaufte Situation abgebaut. Sobald dann klar wird, dass die Bullen ihre Chance nicht ergreifen, bricht der Markt erneut ein, meist ähnlich dynamisch wie zuvor.

Das erste Zeichen dafür ist, wenn das Dreieck nach unten verlassen wird. Bestätigt wird dieses Signal, wenn das vorangegangene Tief nach unten gebrochen wird.

Die aktuelle Situation ist aber anders

In der aktuellen Situation haben wir es natürlich auch mit einer stark überverkauften Situation zu tun, die nun über die Seitwärtsbewegung mit sinkender Volatilität abgebaut wird. Aber der entscheidende Unterschied ist: Angesichts der Fed-Sitzung gehen die Anleger ohnehin in eine abwartende Haltung über. Das heißt, weder die Bullen noch die Bären wollen im Moment eine eventuelle Chance ergreifen. Sie wollen erst einmal abwarten, was die Fed beschließt.

Damit ist diese Dreiecksformation zurzeit eben keine Fortsetzungsformation, sondern lediglich ein charttechnischer Ausdruck für das abwartende Verhalten der Anleger.

Die Wahrscheinlichkeiten für einen Einbruch oder einen Anstieg sind damit zurzeit nicht tradingrelevant. Das wäre bei einem normalen Dreieck natürlich anders.

Sie sehen, Charttechnik ist eben nicht nur einfaches "Linien zeichnen", es gibt immer wieder Sondersituationen und Ausnahmen, die man beachten muss, um erfolgreich zu werden.

Viele Grüße

Jochen Steffens

(Quelle: www.stockstreet.de)

@ ad-hoc-news.de | 16.09.15 10:02 Uhr