Aktien, Anleger

Die 3-Faktoren-Anlageentscheidung

Der DAX zeigt gestern weiter Schwäche und setzt damit trotz guter Vorgaben aus den USA seine Kursverluste nach dem Fehlausbruch weiter fort. Wahrscheinlich werden wir noch zumindest bis zur Fed-Sitzung unruhige Märkte sehen. Da Prognosen in diesem Umfeld schwierig sind, wenden wir uns einem anderen Thema zu. Es ist im Prinzip eine Fortsetzung des Themas „Konsequenz“ von vorgestern:

Wissen Sie eigentlich, dass die meisten Anleger Anlageentscheidungen aufgrund einer Analyse von zwei oder drei Faktoren treffen? Was ist damit gemeint? Dazu zwei Beispiele aus der Vergangenheit:

Öl ist knapp (erster Faktor).

Der Ölverbrauch steigt dennoch immer weiter an, man denke an China (zweiter Faktor).

Öl muss also im Preis steigen (Schlussfolgerung und Kaufgrund).

Anderes Beispiel:

Die Fed senkt die Zinsen (erster Faktor).

Sinkende Zinsen führen zu einer Ausweitung der Geldmenge (zweiter Faktor).

Eine Ausweitung der Geldmenge führt zu Inflation (dritter Faktor).

Bei Inflation muss man Gold kaufen (Schlussfolgerung und Kaufgrund).

Ich habe die beiden Beispiele gewählt, da die Schlussfolgerungen, die zum Kauf führten, so logisch sie damals auch vielen erschienen sind – schlussendlich doch falsch waren.

Die Ölproduktion sollte schon mehrfach ihren Peak erreicht haben. Viele Anleger nahmen daher an, der Ölpreis würde somit nur noch einen Weg kennen: aufwärts. Tatsächlich steht der Ölpreis gestern ungefähr auf einem Niveau, wo er schon 2002 und 1997 gestanden hat.

Der Goldpreis stieg zwar zunächst aufgrund der oben genannten Überlegungen an, eben weil alle so dachten. Aber es kam zu keiner Inflation, sondern es entstand eher eine Deflation (was damals, wie auch im Steffens Daily beschrieben, schon zu erkennen war) – und so entstand eine Blase, also ein Kursanstieg, dem die fundamentale Grundlage fehlte. Gestern notiert Gold nach einem Hoch bei ca. 1.900 Dollar wieder bei 1.100 Dollar.

Der Grund für solche fehlerhaften Schlussfolgerungen ist natürlich, dass die Börse und insbesondere die Preisbildung eben nicht so einfach mit zwei oder drei Faktoren zu analysieren sind. Das ist eigentlich auch ohne ausführliche Erklärungen dazu völlig logisch.

Man selbst analysiert natürlich viel tiefergehend

Doch ich wette, Sie meinen nun, diese 3-Faktoren-Analyse, wie ich sie hier nennen möchte, sei zu einfach dargestellt. Sie werden sicherlich zu den rühmlichen Ausnahmen gehören, die wesentlich tiefgehender analysieren. Aber das menschliche Gehirn spielt uns da einen kleinen Streich. Genauso wie man beim Schach oft nur wenige Züge im Voraus planen kann, kann man auch komplexe Sachverhalte nur schwer komplett überblicken. Sie werden daher meist in wenige logische Zusammenhänge unterteilt. Diese werden dann der Reihe nach betrachtet und das Gehirn gaukelt uns vor, es würde dabei den gesamten Sachverhalt begreifen. Ein kleiner Trick mit großer, an den Börsen fataler Wirkung.

Wenn Sie sich genau beobachten, werden Sie jedoch vermutlich feststellen, dass auch Sie (Anm. d. Redakteurs: Ich nehme mich da auch nicht aus) meist nur wenige Faktoren in einen logischen Zusammenhang setzen, um eine Anlageentscheidung zu treffen.

Wo ist der Sinn dieser Erkenntnis?

Nun kann man sich fragen, warum schreibe ich das? Zunächst ist es an den Börsen wichtig, sich selbst und seine Entscheidungsfindung sehr gut kennen zu lernen, um beurteilen zu können, was man gerade macht. Folgt man zum Beispiel dem Mainstream-Denken, fällt man auf einfach, aber gut klingende Argumente oder Thesen herein, etc. Das zu entdecken und immer wieder zu überprüfen, ist die eigentliche Arbeit eines Traders: Es muss ihm gelingen, so objektiv es eben geht, zu handeln und sich nicht von Emotionen und Überzeugungen verleiten zu lassen.

Aber ein anderer Punkt ist bei diesem Thema fast noch wichtiger. Sowohl beim Gold als auch beim Öl haben diese 3-Faktoren-Analysen ja erst einmal funktioniert.

Gleichgeschaltete Anleger

Das geschieht immer dann, wenn eine größere Masse von Anlegern ihre 3 Faktoren-Anlageentscheidungen gleichschalten. Meist springen dann auch die Medien auf, denn die Redakteure sind keineswegs vor diesem Trick des Gehirns gefeit. Und wenn dann die Medien einfache Schlussfolgerungen propagieren, werden natürlich entsprechend viele andere Anleger sofort ebenfalls dieser 3-Faktoren-Analyse folgen.

So entstehen Kursgewinne, die auf keinem fundamental gesicherten Boden stehen, sprich Blasen. Sie entstehen, weil eben nicht alle Faktoren vernünftig betrachtet werden, sondern viele Menschen zu einfach denken.  

Da man nicht weiß, was geschieht

Das passt, wie oben geschrieben, zum vorvorgestrigen Thema. Wenn man einfach mal davon ausgeht, dass man niemals alle Faktoren, die zu einer Kursbewegung führen, betrachten kann, sondern meistens nur einen sehr geringen Teil der Faktoren, dann hört man auf, seinen eigenen Einflüsterungen Glauben zu schenken.

Denn egal, welche Gründe für einen Trade herhalten müssen, sie geben nur einen klitzekleinen Teilaspekt der Gesamtsituation wieder.  Sie können noch so gut recherchieren, Ihre charttechnischen Fähigkeiten können fast schon Perfektion erreichen, Ihr Marktgefühl an Hellseherei grenzen – schlussendlich geschieht doch immer wieder irgendetwas, mit dem Sie, mit dem niemand rechnet.

Viele Grüße

Ihr

Jochen Steffens

(Quelle: www.stockstreet.de)

@ ad-hoc-news.de | 12.09.15 07:28 Uhr