ROUNDUPIsraels, Armee

Gut fünf Wochen nach dem Beginn der israelischen Bodenoffensive im Norden des Gazastreifens weitet das Militär seine Einsätze am Boden auf das gesamte Palästinensergebiet aus.

03.12.2023 - 22:35:02

Bodeneinsätze auf gesamten Gazastreifen ausgeweitet

Die Soldaten gingen gegen Ziele der islamistischen Hamas vor, sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Sonntagabend. Hunderttausende Palästinenser sind nach Anweisungen des israelischen Militärs aus dem umkämpften Norden des abgeriegelten Küstengebiets in den Süden geflohen - wo es nun auch verstärkt Kämpfe am Boden geben dürfte. Führende US-Politiker mahnten Israel unterdessen, Zivilisten bei den Kampfhandlungen besser zu schützen.

Die Armee habe im nördlichen Gazastreifen stark und gründlich gekämpft und tue dies nun auch im südlichen Gazastreifen, hatte Israels Generalstabschef Herzi Halevi kurz zuvor gesagt - ohne dabei explizit von einer Bodenoffensive zu sprechen. Israelische Bodentruppen sind bereits seit Ende Oktober im Norden im Einsatz.

Augenzeugen hatten der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag berichtet, israelische Bodentruppen seien in ein Gebiet östlich der Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens vorgerückt. Das Militär führte eigenen Angaben zufolge seit dem Ende der mehrtägigen Feuerpause am Freitag im Süden massive Luftangriffe durch. Seit Beginn des Gaza-Kriegs habe es rund 10 000 Luftangriffe auf Ziele in dem abgeriegelten Palästinensergebiet gegeben, erklärte das Militär.

Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde zufolge wurden im Gazastreifen bisher bereits mehr als 15 500 Menschen getötet und mehr als 41 000 weitere verletzt. Die Angaben lassen sich gegenwärtig nicht unabhängig überprüfen, die Vereinten Nationen und andere Beobachter weisen aber darauf hin, dass sich die Zahlen der Behörde in der Vergangenheit als glaubwürdig herausgestellt hätten. Rund 80 Prozent der rund 2,2 Millionen Einwohner des dicht besiedelten Küstengebiets sind nach UN-Angaben inzwischen Binnenflüchtlinge.

Israels Armee setzt Bombardement im Gazastreifen fort

In der Nacht zu Sonntag griffen israelische Kampfflugzeuge und Hubschrauber "Terrorziele", darunter Tunnelschächte, Kommandozentralen und Waffenlager an, wie das Militär mitteilte. Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben seit Beginn des Gaza-Kriegs mehr als 800 Tunnelschächte gefunden. Rund 500 davon seien unter anderem durch Sprengung zerstört worden. Einige der Tunnelschächte hätten strategische Einrichtungen der Hamas unterirdisch miteinander verbunden, hieß es. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Hamas-Behörde spricht von vielen Verschütteten

Der Sprecher berichtete von zahlreichen Leichen unter Trümmern. Es gebe auch große Schwierigkeiten bei der Bergung von Verletzten und deren Transport in Krankenhäuser. Kein Ort im Gazastreifen sei gegenwärtig sicher. Ein israelischer Armeesprecher hatte in arabischer Sprache die Einwohner bestimmter Wohngebiete im Süden des Gazastreifens dazu aufgerufen, diese zu verlassen und in ausgewiesene andere Gebiete zu fliehen.

Unicef: Angriffe in Gaza "unmoralisch" und "sicher illegal"

Der Sprecher des UN-Kinderhilfswerks Unicef, James Elder, kritisierte die israelischen Angriffe während eines Besuchs im Süden des Gazastreifens scharf. Dort finde ein "Blutbad" statt, das "unmoralisch" sei und das mit "mit Sicherheit als illegal verstanden werden wird", sagte Elder dem Nachrichtensender Al-Dschasira. Wer das hinnehme, mache sich selbst schuldig. "Schweigen ist Mittäterschaft", sagte der sichtlich erschütterte Elder.

Während seines Besuchs habe er überall Kinder mit schweren Verbrennungen, mit Verletzungen durch Granatsplitter, Gehirnverletzungen und mit Knochenbrüchen gesehen. Die jüngsten Angaben über sogenannten "sicheren Zonen" für die Bevölkerung in Gaza bezeichnete Elder als "Falschdarstellung". Die Menschen würden dabei zu "winzigen Flecken Land bewegt", dort gebe es nur Sand, kein Wasser, keine Sanitäranlagen und keinen Schutz vor dem Wetter.

USA drängen auf Schutz von Zivilisten

US-Vizepräsidentin Kamala Harris sprach am Samstag eine deutliche Mahnung in Richtung Israel aus. "Zu viele unschuldige Palästinenser sind getötet worden. Offen gesagt, das Ausmaß des zivilen Leids und die Bilder und Videos aus dem Gazastreifen sind verheerend", sagte sie in Dubai. In einem Gespräch mit Ägyptens Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi bekräftigte Harris zudem, dass die USA "unter keinen Umständen die Zwangsumsiedlung von Palästinensern aus dem Gazastreifen oder dem Westjordanland, die Belagerung des Gazastreifens oder die Neuziehung der Grenzen" zulassen werden.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin appellierte an Israels "moralische Verantwortung", Zivilisten zu schützen. "Wenn man sie in die Arme des Feindes treibt, ersetzt man einen taktischen Sieg durch eine strategische Niederlage. Deshalb habe ich der israelischen Führung wiederholt deutlich gemacht, dass der Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen sowohl eine moralische Verantwortung als auch ein strategisches Gebot ist." Harris wie Austin machten deutlich, dass es eine politische Perspektive eines eigenen Staates neben Israel für die Palästinenser geben müsse.

Der israelische Regierungsberater Mark Regev wies Vorwürfe zurück, sein Land würde zu wenig unternehmen, um die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen. "Wir unternehmen maximale Anstrengungen, vielleicht sogar nie da gewesene in ähnlichen Umständen", sagte Regev der BBC am Sonntag. Die Schuld für zivile Todesopfer liege zudem bei der Hamas, weil sie militärische Infrastruktur in Wohnvierteln verstecke.

Auslöser des Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der islamistischen Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt haben. Auf israelischer Seite sind mehr als 1200 Menschen getötet und rund 240 Geiseln nach Gaza verschleppt worden. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen, einer Blockade des Küstengebiets und begann Ende Oktober mit einer Bodenoffensive.

Hamas: Freilassung von Geiseln erst nach dauerhaftem Waffenstillstand

Die Hamas will nach den Worten eines ihrer Anführer, Saleh al-Aruri, erst wieder Geiseln freilassen, wenn Israel seine "Aggression" beende und ein dauerhafter Waffenstillstand herrsche. Unter den verbliebenen Geiseln seien nur Männer, die in der Armee gedient hätten und Soldaten. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant sagte dagegen, es seien noch 15 Frauen und zwei Kinder unter den Geiseln in der Gewalt der Hamas. Vorige Woche hatten Israel und die Hamas 105 Geiseln frei, unter ihnen 14 Deutsche, und 240 palästinensische Häftlinge ausgetauscht.

Weitere Ausländer und Doppelstaatler verlassen Gaza

Die Ausreisen von Ausländern und Palästinensern mit zweitem Pass aus dem Gazastreifen gehen weiter. Mehr als 600 von ihnen - darunter Deutsche - sollten den Grenzübergang Rafah am Sonntag überqueren und nach Ägypten einreisen, wie aus einer Liste der Grenzbehörde auf palästinensischer Seite hervorging. Seit Ablauf der Feuerpause am Freitag sei der Grenzübergang für fast 900 Ausländer und Doppelstaatler geöffnet worden, teilte das UN-Nothilfebüro OCHA mit. Zudem hätten 13 Verletzte den Gazastreifen verlassen.

@ dpa.de