ROUNDUPPalästinensischer, Regierungschef

Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtaje hat die internationale Gemeinschaft zu einem Aufbauprogramm für den schwer zerstörten Gazastreifen aufgerufen.

19.02.2024 - 06:00:05

Brauchen Marshallplan für Gaza

"Wir brauchen einen Marshallplan für den Gazastreifen", sagte Schtaje der Deutschen Presse-Agentur am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Dieser Plan müsse aus drei Komponenten bestehen: Nothilfe, Rekonstruktion und einer Wiederbelebung der Wirtschaft. "Wir wissen aus Satellitenaufnahmen, dass 45 Prozent des Gazastreifens zerstört sind. Das bedeutet 281 000 Wohneinheiten, die vollständig oder teilweise zerstört sind." Eine Reparatur könne teils schon in Wochen oder Monaten möglich sein. Schtaje: "Das bedeutet, wir brauchen dafür viel Geld." Mit den Vereinten Nationen laufe eine Untersuchung, wie man der größten Not begegnen könne.

Der Regierungschef, der mit seiner Autonomiebehörde im Westjordanland sitzt und keine faktische Kontrolle über den vielmehr von der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas beherrschten Gazastreifen hat, warnte Israel erneut davor, die in den Süden des Küstenstreifens geflüchteten Palästinenser mit einer Militäroffensive nach Ägypten zu vertreiben. Stattdessen solle Israel die Menschen zurück in ihre Häuser lassen. Dafür müsse Israel Hilfslieferungen in den nördlichen Gazastreifen erlauben und Wasser und Strom wieder anschalten. "Die Leute zurück in ihre Häuser zu lassen, Israel will das vielleicht nicht machen. Aber darüber haben wir in München bei allen Treffen mit Washington, mit Deutschland, Großbritannien und anderen Staaten gesprochen", sagte er.

Die Lage in Nahost war neben dem Krieg in der Ukraine ein Hauptthema auf der Münchner Sicherheitskonferenz, wo Regierungschefs, Minister, Militärexperten und Wissenschaftler bis Sonntag drei Tage lang mit internationalen Organisationen beraten hatten. Immer wieder ging es auch um Russland.

Auf Einladung der russischen Regierung werden noch im Februar in Moskau auch erstmals wieder die Vertreter der unterschiedlichen palästinensischen Gruppierungen zusammenkommen. Dabei treffen die im Westjordanland dominierenden Fatah-Leute auf Vertreter der Hamas, die Israel am 7. Oktober aus dem Gazastreifen angegriffen und mit ihren Gräueltaten den Auftakt zu der Eskalation der Gewalt geliefert hatte. Beide Organisationen waren in den vergangenen Jahren erbitterte Rivalen.

"Nun, die Russen haben sich entschieden, alle palästinensischen Fraktionen einzuladen", sagte Schtaje. "Und unsere Hoffnung ist: Wir brauchen Einigkeit, und die Hamas sollte Teil der palästinensischen politischen Arena sein." Ziel sei es, sie auf gemeinsame Ziele unter dem Dach der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zu verpflichten. "Die Weisungen für unsere Delegation sind klar. Wir kommen aufgeschlossen. Unsere Herzen sind offen. Wir müssen diese Teilung nach klaren Spielregeln beenden", sagte der Fatah-Mann Schtaje.

Allerdings ist absehbar, dass es in westlichen Regierungen viele gibt, die die Hamas nach den Angriffen auf Israel, der Verschleppung von Menschen, den Berichten über Mord und Vergewaltigung, nicht als Partner akzeptieren. Dagegen geht Schtaje davon aus, dass sich die internationale Gemeinschaft als Teil einer umfassenderen Lösung auf ein Szenario einlassen könnte, bei dem der Hamas noch eine Rolle habe. Schtaje: "Wir müssen die ganze palästinensische Angelegenheit im Westjordanland, in Jerusalem und in Gaza für uns regeln, um den Konflikt zu beenden." Ziel sei, dass sich ein Angriff wie am 7. Oktober nicht wiederhole. Weiterhin liefen mit Beteiligten Katars und Ägyptens auch die Gespräche über eine Freilassung der von der Hamas verschleppten Israelis.

Katastrophal sei die Situation in Rafah, im südlichen Gazastreifen an der Grenze zu Ägypten, wo viele Palästinenser Schutz gesucht haben. "Keine Nahrung, kein Wasser, kein Strom, der Lebensmittelnachschub ist sehr begrenzt. Nur acht Prozent des Bedarfs kommen über Rafah in den Gazastreifen", sagte Schtaje. Die Menschen dort seien verängstigt und "extrem wütend".

@ dpa.de