Lidls, Schweine-Horror

Berlin - Es handelt sich um einen der schlimmsten Fälle dokumentierter Tierquälerei in Spanien: Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt hat Rechercheaufnahmen aus einer Schweinefarm in Nordspanien veröffentlicht.

30.11.2023 - 09:01:00

Lidls Schweine-Horror: Kannibalismus, Leid und Verwesung bei spanischem Lidl-Lieferanten. Sie scheinen wie aus einem Horrorfilm: entstellte, sterbende und blutende Tiere, die bei lebendigem Leib gegessen werden, dazu überall verwesende Körper, Ratten, Maden und Fliegen. Tiere aus diesem Betrieb endeten in einem Schlachthof, von dem aus deutsche Lidl-Märkte regelmäßig im Rahmen der "spanischen Wochen" mit Salami-Produkten beliefert werden.

Die veröffentlichten Bilder stammen von der spanischen Tierschutzorganisation Animal Welfare Observatory (AWO). Sie wurden zwischen Juni und September 2023 in einem Zucht- und Mastbetrieb in der Gemeinde Quintanilla del Coco, Burgos aufgenommen. Der Betrieb besteht aus fünf Ställen mit insgesamt rund 5.000 Schweinen und ist mit dem "Animal Welfair"-Zertifikat ausgezeichnet. Die Schweine wurden bis mindestens September 2022 an einen Schlachthof geliefert, dessen Hygienecode bei Lidl Deutschland zum Beispiel auf Chorizo- und Salchichón-Salami der Eigenmarke "Sol & Mar" zu finden ist. Vermutlich besteht diese Verbindung noch immer.

Eigentümer und Betreiber des Betriebs wurden wegen besonders schwerer Tierquälerei mit Todesfolge angezeigt. Die Albert Schweitzer Stiftung sieht erneut bestätigt, dass Lidl Tierquälerei in seinen Lieferketten hinnimmt. In den vergangenen 13 Monaten war Lidl mehrfach wegen Tierschutzskandalen in seinen zuliefernden Hühnermastbetrieben in verschiedenen europäischen Ländern in den Medien. Die Albert Schweitzer Stiftung forderte Lidl mehrfach auf, seine Tierschutzkriterien anzuheben. Zudem kam bei einer Laboruntersuchung heraus, dass 71 % der Proben von Hühnerfleisch aus deutschen Lidl-Märkten mit antibiotikaresistenten Keimen belastet waren.

Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung: "Die Aufnahmen gehören zu den grausamsten, die ich bisher gesehen habe. Wir fordern die Verantwortlichen auf, sofort zu handeln und den Betrieb zu schließen. Noch wichtiger ist aber zu verstehen, dass das keine Einzelfälle sind. Unsere Veröffentlichungen aus Hühnermastbetrieben in den vergangenen Monaten haben gezeigt, dass Lidl generell ein Tierschutzproblem hat und zwar europaweit. Lidl muss das Thema endlich ernst nehmen und grundlegend etwas ändern."

Dokumentierte Missstände im Detail:

Viele Schweine in den Aufnahmen leiden unter geschwollenen Gelenken, oftmals mit offenen, eiternden Wunden. Diese sind unter anderem eine Folge der harten Spaltenböden. Oft sieht man zudem Darmvorfälle oder Schweine mit extremen Hernien (Durchbrüche von Eingeweiden aus der Bauchhöhle) - bei einem Tier in den Aufnahmen ist der Eingeweidesack am Bauch des Tieres schätzungsweise 7 Kilogramm schwer und schleift auf dem Boden. Eine Behandlung der Tiere findet offenbar nicht statt.

Mehrere Tiere in den Aufnahmen sind völlig zerkratzt, eine Folge von Aggression. Einige haben sogenannte Blutohren, die durch häufiges Schütteln aufgrund von Parasitenbefall oder gegenseitiges Bebeißen entstehen können. Eine große Zahl der Schweine hat regelrecht angefressene Ohren und man sieht einige große nekrotische Wunden an der Stelle, wo einst ein (kupierter) Schwanz war - eindeutige Hinweise auf Kannibalismus. Dieser ist auch in den wohl erschreckendsten Szenen der Aufnahmen zu sehen: Mehrere Schweine essen ein anderes bei lebendigem Leib. Sie beißen immer wieder in eine frische Wunde am Ellenbogen. Überall ist Blut, sogar im Wasser der Tränke.

Die "Zuchtsauen" in dem Betrieb sind zum Teil extrem abgemagert. Manche haben schwere Uterusvorfälle, die offenbar nicht behandelt werden. Sauen in solchen Zuchtbetrieben müssen mehrmals im Jahr gebären. Die Wurfgrößen werden üblicherweise durch Hormongaben künstlich gesteigert.

Die dauerhafte Haltung in Käfigen, Kastenständen und sogenannten Ferkelschutzkörben, verursacht zudem eiternde und nekrotisierende Wunden, wie man sie zahlreich in den Aufnahmen sieht, weil die Tiere ständig an die Eisenstangen stoßen. Auch ist zu sehen, wie eng die Kastenstände sind: Die Sauen können sich darin weder umdrehen noch ausgestreckt hinlegen. In den "Ferkelschutzkörben" können sie sich nicht um ihre Ferkel kümmern, erdrücken sie manchmal sogar aus Versehen, auch das sieht man in den Aufnahmen.

In den Aufnahmen sind sehr viele Ferkel zu sehen, die krank sind oder im Sterben liegen und sich vor Schmerzen winden. Ein Ferkel hat sich mit den Hinterbeinen hoffnungslos im Spaltenboden verfangen und zittert.

Die hygienischen Zustände in dem Betrieb spotten jeder Beschreibung: Die Aufnahmen zeigen, dass überall Schweineleichen und -körperteile in verschiedenen Verwesungszuständen liegen, zwischen den lebenden Tieren genauso wie auf den Gängen oder in Eimern und überquellenden Müllcontainern. Sie ziehen Unmengen von Fliegen an, es gibt Pfützen voller Maden. Auch die Gülle unter dem Spaltenboden wabert, so viele Würmer tummeln sich darin. Dazu laufen Ratten über die Gänge, sitzen in den Futterbehältern und springen über die Sauen in den Käfigen. Das Futter für die Schweine ist durchsetzt mit Rattenkot. In einem Teil des Stall stehen die Tiere knöchelhoch in dreckigem Wasser, ohne Chance, sich ins Trockene zu retten.

Alle Anlagen sind mit einer Dreckschicht und dicken Spinnweben überzogen. Im "Büro" liegen Bierflaschen zwischen diversen Medikamenten- und Pestizidbehehältern sowie den "Tierwohl"-Zertifikaten. Auf dem Boden liegen Reste von Tieren. Versteckte Kameras haben die Angestellten bei der Arbeit gefilmt: Ferkel werden durch die Boxen geworfen. Ein Arbeiter trinkt offenbar Bier und gießt den Rest auf die Tiere. Ein anderer uriniert in den Stall. Beim Verladen auf den Transporter zum Schlachthof schlagen und malträtieren sie die Schweine mit dem Elektrotreiber.

Lidl-Fleischskandal nimmt kein Ende

Eine Koalition von mehr als 15 Tierschutzorganisationen aus elf europäischen Ländern prangert seit 2022 die Missstände in Hühnermastbetrieben an, die im Auftrag von Lidl arbeiten. Mittlerweile liegt Videomaterial aus fünf Ländern vor. Neben leidenden, sterbenden und verwesenden Hühnern in allen Ställen zeigen die Aufnahmen unter anderem auch wie ein Arbeiter in einen Stall uriniert (Deutschland), Arbeiter:innen Küken unsachgemäß erschlagen (Spanien, Italien) oder wie Hühner mit dem Traktor überfahren werden (Österreich, England).

Eine Laboruntersuchung Anfang 2023 zeigte zudem, dass von 51 Proben aus acht deutschen Lidl-Märkten 71 % mit antibiotikaresistenten Keimen belastet waren. Diese Erreger können sich unter den gezeigten Bedingungen vortrefflich vermehren und sind eine ernstzunehmende Gesundheitsgefahr für Menschen.

Eine Petition, die Lidl auffordert, seine Tierschutzkriterien für Hühner grundsätzlich anzuheben, haben europaweit bereits mehr als 540.000 Menschen unterzeichnet. Die neuen Aufnahmen aus den Schweineställen von Lidls Salami-Lieferant geben dem Versagen des Konzerns beim Tierschutz nun eine neue, erschreckende Dimension.

Über die Missstände in dem spanischen Betrieb berichtet heute auch die Tagesschau.

Über die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt

Die Albert Schweitzer Stiftung setzt sich gegen Massentierhaltung und für die vegane Lebensweise ein. Dafür nutzt sie juristische Mittel und wirkt auf wichtige Akteure aus Wirtschaft und Politik ein, um Tierschutzstandards zu erhöhen, den Verbrauch von Tierprodukten zu reduzieren und das pflanzliche Lebensmittelangebot zu verbessern. Interessierten bietet sie fundierte Informationen und zeigt Alternativen auf. Mehr erfahren Sie auf https://albert-schweitzer-stiftung.de.

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