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Hitzewelle in Südeuropa, Rekordtemperaturen in China - die weltweiten Auswirkungen des Klimawandels sind nicht mehr zu übersehen.

27.07.2023 - 15:40:42

Weltweiter Hitzerekord in den ersten drei Juli-Wochen. Nun wurde Forschern zufolge ein trauriger Rekord gebrochen.

  • Der Boden in einem Feld in Riedbach in Bayern ist durch Hitze und Wassermangel trocken und rissig geworden. - Foto: Daniel Vogl/dpa

    Daniel Vogl/dpa

  • Bei sengender Hitze sitzen Touristen sitzen unter Bäumen am Eingang der Akropolis im Zentrum von Athen. - Foto: Socrates Baltagiannis/dpa

    Socrates Baltagiannis/dpa

Der Boden in einem Feld in Riedbach in Bayern ist durch Hitze und Wassermangel trocken und rissig geworden. - Foto: Daniel Vogl/dpaBei sengender Hitze sitzen Touristen sitzen unter Bäumen am Eingang der Akropolis im Zentrum von Athen. - Foto: Socrates Baltagiannis/dpa

Der Juli dürfte wahrscheinlich der bislang heißeste Monat seit Tausenden von Jahren werden. Das berichteten Klimawissenschaftler der Weltwetterorganisation (WMO) und des europäischen Klimawandeldienstes Copernicus am Donnerstag in Genf. Sie haben Daten bis zum 23. Juli ausgewertet.

«Die Welt sitzt auf einem heißen Stuhl», sagte UN-Generalsekretär António Guterres. «Wir müssen nicht bis Ende des Monats warten, um das genau zu wissen. Wenn es in den nächsten Tagen keine Mini-Eiszeit gibt, wird der Juli alle Rekorde brechen.» Klar ist schon: Die drei Wochen Anfang Juli waren der wärmste jemals gemessene Dreiwochenblock. 2023 könnte den bisherigen Rekord von 2016 als heißestes Jahr brechen, sagte Chris Hewitt, Direktor für Klimadienstleistungen bei der WMO.

Der weltweit heißeste je gemessene einzelne Tag war nach diesen Angaben der 6. Juli dieses Jahres, mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 17,08 Grad, dicht gefolgt vom 5. und 7. Juli. Der vorherige Rekord stammte vom 13. August 2016 mit einem Wert von 16,8 Grad. Dieser Rekord wurde in diesem Jahr an mindestens 17 Juli-Tagen übertroffen. «Die Ära der globalen Erwärmung ist vorüber. Die Ära des globalen Kochens ist angebrochen», sagte Guterres. Er rief Politiker auf, umgehend drastische Schritte zur Eindämmung des Klimawandels zu beschließen.

Beispiellos seit Tausenden Jahren

Copernicus bezieht sich zwar auf konkrete Messdaten unter anderem von Wetterstationen und Satelliten, die nur bis 1940 zurückreichen, wie Carlos Buontempo, Copernicus-Direktor beim Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) sagte. Die Klimaforschung, die das historische Klima aus indirekten Beobachtungen wie etwa Baumringen oder Luftblasen in Gletschern rekonstruiert, lege aber nahe, dass die Juli-Temperaturen beispiellos seit Tausenden von Jahren seien. Die Erderwärmung durch den menschengemachten Klimawandel schreitet seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts langsam voran. Sie hat sich seit den 1980er Jahren sehr stark beschleunigt.

Zwar war das Wetter in Deutschland und Nordeuropa im Juli gefühlt weniger warm als in anderen Sommern, aber im globalen Durchschnitt waren Hitzewellen in Nordamerika, Asien und Südeuropa ausschlaggebend. Ebenso habe dazu die hohe Wassertemperatur der Ozeane zu dem besonders warmen Juli beigetragen, berichtete die WMO.

In den ersten 23 Juli-Tagen lag die globale Durchschnittstemperatur nach diesen Angaben bei 16,95 Grad. Bislang war nach den europäischen Berechnungen der Gesamt-Juli 2019 mit 16,63 Grad der heißeste. NOAA nennt den Juli 2021 als heißesten Monat. Der Unterschied könne damit erklärt werden, dass die NOAA-Berechnungen große Teile der Polarregionen nicht einrechneten, teilte Copernicus mit. Weitere Analysen, etwa von der US-Behörde NOAA, werden Mitte August erwartet.

Absoluter Spitzenwert

Eine aktuelle Analyse des deutschen Klimawissenschaftlers, Karsten Haustein, kommt zu dem Ergebnis, dass es «praktisch sicher» sei, dass der Juli der heißeste Monat seit Beginn der Industrialisierung werde: Demnach lag die Durchschnittstemperatur im Juli 2023 nach derzeitigen Berechnungen um 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900). «Es übertrifft alles, was wir bisher gesehen haben», sagte der Wissenschaftler vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig am Donnerstag bei der Vorstellung der Ergebnisse.

Natürlich sei der Juli noch nicht ganz vorbei, sagte Haustein. Trotzdem könne man unter Berücksichtigung der Wettervorhersagen für die kommenden Tage schon jetzt sagen, dass ein Rekordstand erreicht werde. Der Klimawissenschaftler ist überzeugt: «Selbst wenn die nächsten Tage kühler werden, sind wir immer noch im Rekordbereich.» Für seine Berechnungen verwendete Haustein Daten aus weltweiten Wetterstationsdaten, Radiosonden und Satellitenfernerkundung sowie des amerikanischen Wettervorhersagemodells Global Forecast System (GFS), des Projekts Berkeley Earth Surface Temperature und der Nasa.

Klimaexpertin Friederike Otto vom Imperial College in London sagte bei der Vorstellung der Ergebnisse, dass die globale Durchschnittstemperatur allein noch niemanden umbringe - extreme Wetterereignisse wie die aktuelle Hitzewelle im Mittelmeerraum aber schon. Diese hingen ganz klar mit dem «heißesten Juli aller Zeiten» zusammen. Die Konsequenz: «Jedes Jahr sterben allein in Europa Tausende von Menschen an den Folgen von extremer Hitze.» Kühler werde es auf der Erde trotz aller möglichen Bemühungen nicht mehr, sagte Otto. Deswegen müssten die Menschen sich anpassen und ihnen ermöglicht werden, mit extremen Bedingungen im Sommer zu leben.

1,5 Grad-Wert bereits in einem der nächsten fünf Jahre

Die WMO geht mit 98-prozentiger Sicherheit davon aus, dass eines der nächsten fünf Jahre das heißeste sein wird. Das bisherige Rekordjahr 2016 hatte eine globale Durchschnittstemperatur von rund 1,3 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900). Die WMO geht mit 66-prozentiger Wahrscheinlichkeit davon aus, dass in mindestens einem der nächsten fünf Jahre die globale Durchschnittstemperatur den Wert von 1,5 Grad überschreitet. «Dies bedeutet nicht, dass wir das im Pariser Abkommen festgelegte Niveau von 1,5 Grad dauerhaft überschreiten werden», betonte die WMO. «Das bezieht sich auf eine langfristige Erwärmung über viele Jahre hinweg.»

Der Juli folgte auf einen Juni, der bereits so heiß war wie kein anderer. «Menschengemachte Emissionen sind letztlich der Hauptgrund für die ansteigenden Temperaturen», sagte Copernicus-Direktor Carlo Buontempo. «Eine Reduzierung der Treibhausgase ist dringender als je zuvor», sagte WMO-Chef Petteri Taalas. «Klimamaßnahmen sind kein Luxus, sondern ein Muss.»

@ dpa.de