BBC, Moderator

Ein Moderator soll einem Teenager Zehntausende Pfund für intime Fotos gezahlt haben.

10.07.2023 - 13:52:03

Neuer Skandal kommt für die BBC zur Unzeit. Der Sender soll nicht reagiert haben, der Druck nimmt zu. Aber plötzlich zeichnet sich eine Wende ab.

  • Die britische BBC taumelt von einem Skandal zum nächsten. - Foto: Lucy North/PA Wire/dpa

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  • Die BBC wird wieder von einem Skandal erschüttert. - Foto: Lucy North/PA/dpa

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Die britische BBC taumelt von einem Skandal zum nächsten. - Foto: Lucy North/PA Wire/dpaDie BBC wird wieder von einem Skandal erschüttert. - Foto: Lucy North/PA/dpa

Dass 2023 ein ausgesprochen schlechtes Jahr für die BBC ist, dürfte deutlich untertrieben sein. Einer der bekanntesten Sender der Welt taumelt seit Monaten von Krise zu Krise - und nun erschüttert ein neuer, möglicher Skandal die mehr als 100 Jahre alte britische Institution in ihren Grundfesten.

Kurz gesagt geht es um Vorwürfe gegen einen prominenten, namentlich nicht bekannten Moderator, der einem Teenager über drei Jahre hinweg insgesamt 35.000 Pfund (41.000 Euro) für sexuell explizite Fotos und Videos gezahlt haben soll. Erhoben hat sie die Mutter der oder des damals Minderjährigen in der Zeitung «Sun». Und sie behauptet, die BBC habe die Anschuldigungen nicht ernst genommen - denn der Moderator sei auf Sendung geblieben. Die Folge: Ein Sturm der Entrüstung brach über die sonst liebevoll «Auntie» (Tantchen) genannten Rundfunkanstalt ein. Politiker mahnten rasche Aufklärung an, die Polizei schaltete sich ein.

Mutmaßliches Opfer lässt Vorwürfe zurückweisen

Am Abend deutete sich plötzlich eine mögliche Wende an. Alles Quatsch, ließ das mutmaßliche Opfer seinen Anwalt in einem Schreiben an die BBC ausrichten. «Um jeden Zweifel auszuschließen: Zwischen unserem Mandanten und der BBC-Persönlichkeit hat nichts Unangemessenes oder Rechtswidriges stattgefunden, und die in der Zeitung «Sun» berichteten Anschuldigungen sind Müll», hieß es da. Da war der Fall um mutmaßlichen Missbrauch längst ein Fall BBC geworden.

Wegen der Vorwürfe, die BBC habe eine Aufklärung der Vorwürfe verschleppt, rückte einmal mehr Intendant Tim Davie in den Mittelpunkt. Noch nicht einmal drei Jahre ist der 56-Jährige im Amt, doch seitdem fast immer im Verteidigungsmodus.

Ohnehin gilt der Posten als der schwierigste der polarisierten britischen Medienlandschaft. Die BBC hat sich einem radikalen Neutralitätskurs verschrieben und wird damit beinahe täglich Ziel von Vorwürfen einer Parteinahme. «Die BBC zu leiten, gleicht dem Versuch, einen Öltanker mit verbundenen Augen und blockierter Steuerung durch eine enge Meerenge zu lenken», schrieb die Zeitung «Guardian».

Der Fall Lineker

Doch Davie macht sich das Leben nach Ansicht von Kommentatoren teils selbst schwer. Beispiel Gary Lineker. Der Ex-Fußballstar ist nicht nur einer der beliebtesten BBC-Moderatoren und der am besten bezahlte. Er ist auch für klare Worte bekannt. Als Lineker im März die migrationsfeindliche Rhetorik der konservativen Regierung in der Asylpolitik mit der Sprache im Deutschland der 1930er Jahre verglich, wurde er suspendiert. Lineker habe die Neutralitätsregeln gebrochen, hieß es. Doch andere Moderatoren solidarisierten sich mit Lineker und streikten - und Davie musste eine peinliche Kehrtwende hinlegen. Lineker durfte ohne Strafe wieder auf Sendung gehen.

Nun wird Davie Doppelmoral vorgeworfen. Denn der beschuldigte Moderator im aktuellen Fall blieb nach den ersten Vorwürfen im Mai noch sieben Wochen im Dienst, bis er dann am Sonntag doch suspendiert wurde. Zwar mahnten Regierungspolitiker wie die zuständige Kulturministerin Lucy Frazer zu Sorgfalt bei der Aufklärung. Doch machten sie klar, dass die Reaktion viel zu langsam gewesen sei.

Die neue Aufregung um den «Beeb» - ein weiterer Spitzname des Senders - ist vor allem Munition für diejenigen, die das Finanzierungsmodell der British Broadcasting Corporation immer lauter in Frage stellen.

Plänen der Regierung des konservativen Ex-Premiers Boris Johnson zufolge soll die Beitragsfinanzierung 2027 komplett abgeschafft werden. Vor allem Rechtspopulisten wollen die BBC zu einem gewöhnlichen Sender herabstufen, den man wie Netflix bei Bedarf abonnieren und kündigen kann. In ihren Augen ist die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt durchsetzt mit linkslastigen Journalisten, die eine urbane Elite repräsentieren.

Spardruck nimmt beständig zu

Für viele war die BBC seit ihrer Gründung vor gut 100 Jahren ein Leuchtturm der Demokratie, eine unabhängige Quelle der Einordnung, die auch als Blaupause für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland diente. Britische «Soft power», die das Ansehen des Vereinigten Königreichs stärkte. Doch noch immer hat der Sender keine Antwort auf die veränderte Mediennutzung gefunden. Der Spardruck nimmt auch wegen sinkender Beiträge stetig zu. Programme in Fremdsprachen wurden ebenso Opfer wie beliebte Sendungen und einzelne Wellen. Wegen Kürzungen beim Lokalradio kam es jüngst zu Streiks.

An diesem Dienstag legt die BBC ihren Jahresbericht vor. Angesichts des jüngsten Aufregers dürften hohe Gehälter für Moderatoren zu einem noch größeren Aufschrei führen als ohnehin. Der Zeitpunkt könnte für Intendant Davie kaum schlechter sein. Zumal er die BBC weitestgehend alleine durch ihre größte Krise seit Jahrzehnten steuern muss. Der in der Politik gut vernetzte Aufsichtsratschef Richard Sharp musste im Frühling zurücktreten. Er hatte dem damaligen Premier Boris Johnson geholfen, einen Privatkredit über 800.000 Pfund an Land zu ziehen - kurz vor seiner Ernennung durch den Regierungschef selbst.

@ dpa.de