Geiselnahme, Einschränkungen

Am Hamburger Flughafen kann es noch etwas dauern, bis der Betrieb wieder normal läuft.

06.11.2023 - 04:42:06

Nach Ende der Geiselnahme Einschränkungen am Airport Hamburg. Dass der Geiselnehmer die Absperrungen durchbrechen und bis aufs Flugfeld vordringen konnte, wirft aber Fragen auf.

Auch einen Tag nach dem Ende der Geiselnahme am Hamburger Flughafen müssen sich Reisende noch auf Einschränkungen einstellen. Zwar werde heute mit «weitestgehend Normalbetrieb» gerechnet, teilte der Flughafen mit. Vereinzelt könnten aber weiterhin auch Flüge gestrichen werden oder sich verzögern.

Nach Polizeiangaben wird die Zentralstelle Staatsschutz der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg die Ermittlungen gegen den 35 Jahre alten Geiselnehmer übernehmen. Bislang seien die Ermittlungen durch die Abteilung für Kapitaldelikte geführt worden.

Der Mann mit türkischer Staatsbürgerschaft hatte am Sonntagnachmittag nach einem mehr als 18-stündigen Verhandlungsmarathon aufgegeben und Spezialkräften der Polizei seine vier Jahre alte Tochter, die er aus der Wohnung der Mutter entführt hatte, körperlich unverletzt übergeben. Anschließend ließ er sich widerstandslos festnehmen.

Beginn und Vorgeschichte der Geiselnahme

Am Samstag hatte der Mann das Kind nach Polizeiangaben aus der Wohnung der im niedersächsischen Stade lebenden Mutter entführt und war mit ihm in einem Auto Richtung Hamburg geflüchtet. Am Nordtor des Flughafens durchbrach er mit dem Fahrzeug eine mit Schranken gesicherte Zufahrt und fuhr bis auf das Flugfeld zu einer abflugbereiten Maschine. Dabei habe er Schüsse aus einer Waffe abgegeben und zwei Brandsätze gezündet, die nach Polizeiangaben aber schnell gelöscht werden konnten.

Hintergrund der Tat ist laut Polizei ein Sorgerechtsstreit zwischen dem in Buxtehude (Landkreis Stade) lebenden Mann und seiner 39 Jahre alten Ex-Frau. Schon 2022 sei er mit der Tochter unberechtigt in die Türkei gereist. Damals sei bereits wegen des Verdachts der Entziehung Minderjähriger gegen ihn ermittelt worden, was schließlich zu einer Verurteilung zu einer Geldstrafe geführt habe.

Tausende Menschen sind betroffen

Der Betrieb des Flughafens war am Samstagabend umgehend eingestellt worden. Flughafen und Terminals wurden evakuiert, der gesamte Bereich blieb weiträumig abgesperrt. Zahlreiche Passagiere mussten die Nacht in einem Flughafen-Hotel verbringen. «Für die Fluggäste bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr», bilanzierte die Polizei.

Insgesamt waren rund 920 Beamte aus Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und der Bundespolizei im Einsatz.

Weitere Einschränkungen nach Wiederaufnahme des Flugbetriebs

Nach dem Ende der Geiselnahme wurde dann am späten Sonntagnachmittag der Flugbetrieb wieder aufgenommen. Mindestens 213 der insgesamt 286 geplanten Flüge waren laut Airport zuvor gestrichen worden. Für Montag waren 152 Starts und 162 Landungen geplant.

Aufgrund der langen Sperrung müsse auch weiter mit vereinzelten Streichungen oder Verzögerungen gerechnet werden, hieß es in einer Mitteilung des Flughafens. «Daher werden Fluggäste und Abholende gebeten, sich laufend über den aktuellen Status ihres Fluges zu informieren und bei Bedarf ihre Airline oder den Reiseveranstalter zu kontaktieren.»

Sicherheit an Flughäfen infrage gestellt

Die Tat rückt die Sicherheit am Hamburger Flughafen erneut in den Fokus. Im Juli legten Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation den Airport für Stunden lahm, nachdem sie ein Loch in den Zaun geschnitten hatten und bis aufs Flugfeld vorgedrungen waren.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) fordert nun verstärkte Maßnahmen. «Es ist nur schwer vermittelbar, dass etwa Weihnachtsmärkte mit Betonbarrikaden gesichert werden, und unsere Flughäfen werden als Hochsicherheitsbereiche von Betreibern stiefmütterlich behandelt», sagte DPolG-Bundesvize Heiko Teggatz.

Der Hamburger Flughafen sei nicht sicher «und andere Airports in Deutschland auch nicht», sagte der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt dem «Spiegel». Flughäfen seien seit Jahrzehnten als bevorzugte Angriffsziele für Terroristen bekannt. Auf den Vorfeldern stünden Maschinen mit Zehntausenden Litern Kerosin im Bauch und Hunderten Passagieren an Bord. Großbongardt nannte die Flughafenbetreiber und Behörden daher «unfassbar naiv».

Trotz der Geiselnahme sieht der Flughafen Hamburg keine Versäumnisse bei der Sicherung des Airports. «Die Sicherung des Geländes entspricht allen gesetzlichen Vorgaben und übertrifft diese größtenteils», sagte eine Sprecherin.

@ dpa.de