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München - Hanau überleben - der zähe Kampf um Gerechtigkeit und Aufklärung

01.02.2024 - 09:54:16

ttt - titel thesen temperamente (hr) / am Sonntag, 4. Februar 2024, um 23:05 Uhr

Am 19. Februar 2020 wurden in Hanau Said Nesar Hashemi, Hamza Kenan Kurtovic, Ferhat Unvar, Sedat Gürbüz, Fatih Saraçoglu, Gökhan Gültekin, Vili Viorel Paun, Mercedes Kierpacz und Kaloyan Velkovvon einem Rechtsterroristen ermordet. "Say Their Names" lautete der Aufruf unmittelbar nach der Tat. Und heute, vier Jahre danach, auch immer wieder: "Erinnern heißt Verändern." Die Getöteten sollen nicht vergessen werden. Darum geht es auch den Autoren Said Etris Hashemi und Çetin Gültekin in ihren gerade erschienenen Büchern. Beide haben ihre jüngeren Brüder bei dem Attentat verloren. Said Etris Hashemi wurde selbst lebensgefährlich verletzt. In seinem Buch "Der Tag, an dem ich sterben sollte" verwebt er Erzählungen über sein Aufwachsen mit seinen Geschwistern Nesar und Saida in Hanau-Kesselstadt mit Erlebnissen aus den vergangenen vier Jahren, die ihn zu einem Aktivisten im Kampf gegen Rassismus gemacht haben.

Auch Çetin Gültekins Buch "Geboren, aufgewachsen und ermordet in Deutschland" handelt von den Diskriminierungserlebnissen seiner Familie, von den unfassbaren Versäumnissen der Institutionen rund um die Tat. Aber vor allem erzählt er darin die Geschichte seines geliebten jüngeren Bruders Gökhan. Gültekin will ihn mit seinem Buch unsterblich machen, selbst zerrissen zwischen Trauer und dem Kampf um Gerechtigkeit.

"ttt" hat Said Etris Hashemi und Çetin Gültekin in Hanau getroffen.

Bericht: Carola Wittrock

Wer gehört zum "Wir" - die Vielfaltsgesellschaft als Brandmauer

Rund 30 Prozent der Menschen, die hier leben, haben eine Migrationsgeschichte. Die hohen Zustimmungswerte für die AfD begründet die Soziologin und Migrationsforscherin Naika Foroutan unter anderem damit, dass es in der Vergangenheit versäumt wurde, die Einwanderungsgeschichte Deutschlands als Erfolgsgeschichte zu erzählen - die sie de facto ist. Und trotzdem war es jahrzehntelang ein "Einwanderungsland wider Willen". Was wir brauchen, sagt Foroutan, ist die längst überfällige, gesamtgesellschaftliche Anerkennung und Verteidigung der "postmigrantischen Gesellschaft".

Einer, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Geschichten von "Einwanderungsdeutschland" zu erzählen, ist Mirza Odabasl Der Fotograf und Filmemacher ist als Sohn türkischer Arbeitsmigranten in der Nähe von Solingen aufgewachsen. In seinem Dokumentarfilm "Hört uns zu!" beschreibt er das bis heute anhaltende Trauma, das der rechtsextreme Anschlag auf die Familie Genç ausgelöst hat. Und in seinem kürzlich erschienenen Buch "Einwanderungsdeutschland 1945 - 2023" und dem gleichnamigen Interview-Film erzählen migrantische oder migrantisierte Menschen ihre Geschichten. Odabasl geht es darum, eine gemeinsame Erinnerungskultur zu schaffen - als Waffen gegen Hass und Ausgrenzung.

Kurz nach Bekanntwerden des "Potsdamer Geheimtreffens" fragte sich Jagoda Marinic: "Wann will die Mehrheitsgesellschaft mit uns zusammen aufstehen und deutlich machen, dass sie und wir den Rechtsextremen dieses Land nicht überlassen?" Die Mehrheit im Land ist inzwischen aufgestanden. Jetzt gilt es, zu zeigen, wer das "Wir" in "Wir sind die Brandmauer" wirklich ist und was es zu schützen gilt: die vielfältige Gesellschaft als das Herzstück der pluralen Demokratie.

"ttt" hat mit Naika Foroutan, Jagoda Marinic und Mirza Odabasl über Einwanderungsdeutschland und seine vielen Geschichten gesprochen.

Bericht: Katja Deiß

Der Revolutionär, den wir gerade brauchen - Omri Boehm und Daniel Kehlmann über Immanuel Kant

Der "Alleszermalmer", der "Weise von Königsberg", einer, vor dem die "Nachtgeister" erschrecken. Diese inoffiziellen Ehrentitel zeigen schon an, mit was für einem Kaliber wir es hier zu tun haben. An Bedeutung und Einfluss ist Immanuel Kant nur vergleichbar mit den Allergrößten der Geistes- und Kulturgeschichte: Aristoteles, Galilei oder Leonardo da Vinci.

Seinen 300. Geburtstag haben Omri Boehm und Daniel Kehlmann jetzt zum Anlass genommen, gemeinsam ein Buch zu veröffentlichen. "Der bestirnte Himmel über mir" ist das Protokoll mehrerer Gespräche der beiden. Der deutsch-israelische Philosophieprofessor Omri Boehm lehrt in New York und erhält in diesem Jahr den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung für seine Streitschrift "Radikaler Universalismus. Jenseits von Identität". Auch Daniel Kehlmann wäre gerne Philosophieprofessor geworden - eine nicht beendete Doktorarbeit über Kant muss noch irgendwo bei ihm herumliegen - doch Kehlmann kam eine Karriere als Schriftsteller dazwischen, der wir u.a. "Die Vermessung der Welt", "Tyll" oder jüngst "Lichtspiel" zu verdanken haben.

"ttt" hat Omri Boehm und Daniel Kehlmann getroffen. Im Gespräch blicken sie auch auf den Konflikt in Israel und Gaza.

Bericht: David Gern

Ein chilenischer Western über die Kolonisierung Feuerlands - "Colonos" von Felipe Gálvez

Es ist eines der dunkelsten und kaum bekannten Kapitel chilenischer Geschichte: die Ausrottung der südamerikanischen indigenen Bevölkerung, der Selk'nam, in Feuerland Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts.

Der Filmemacher Felipe Gálvez inszeniert dieses koloniale Grauen jetzt im Genre des Western.

"ttt" hat mit Regisseur Felipe Gálvez über chilenische Geschichte, sein Spielfilmdebüt und die Dreharbeiten am Ende der Welt gesprochen.

Bericht: Celine Schäfer

Moderation: Max Moor

"ttt - titel thesen temperamente" ist am Sendetag ab 20:00 Uhr in der ARD Mediathek verfügbar.

Redaktion: Ulrike Bremer, Jella Mehringer (hr)

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