Investoren-Debakel, DFL

Die einen feiern den gescheiterten Deal, die anderen warnen vor den Konsequenzen.

22.02.2024 - 15:06:36

Investoren-Debakel der DFL: Gewinner und Verlierer. Klar ist: Auch wenn am Wochenende in den Stadien keine Tennisbälle mehr fliegen, sind nicht alle Probleme gelöst.

  • Es ist auch eine persönliche Niederlage für Hans-Joachim Watzke. - Foto: Christian Charisius/dpa

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  • Die organisierten Fans gehören zu den Gewinnern des gescheiterten Investoren-Deals. - Foto: Swen Pförtner/dpa

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Es ist auch eine persönliche Niederlage für Hans-Joachim Watzke. - Foto: Christian Charisius/dpaDie organisierten Fans gehören zu den Gewinnern des gescheiterten Investoren-Deals. - Foto: Swen Pförtner/dpa

Ein Debakel für die DFL, ein Sieg für die organisierten Fans - aber auch gut für den deutschen Fußball? Nach dem großen Beben bei der Deutschen Fußball Liga mit dem endgültig gescheiterten Investoren-Einstieg sind die Befürworter des Deals um den ernüchtert wirkenden Hans-Joachim Watzke mit Aufräumarbeiten beschäftigt.

Die große Frage lautet: Wo kommt jetzt das Geld für die geplanten Modernisierungsprojekte her? Wegen der zur erwarteten Binnenfinanzierung droht neuer Ärger, die ersten Stimmen warnen bereits vor einer forcierten Spaltung von erster und zweiter Liga.

Die Bilder aus den Stadien dürften an diesem Wochenende aber zunächst wieder mehr nach Versöhnung aussehen. Die Sorge vor erzwungenen Spielabbrüchen ist vorbei, Tennisbälle landen bei Kleinanzeigen statt auf dem Rasen. Am Ende der «Machtprobe», wie Sportvorstand Christian Heidel vom FSV Mainz 05 die wochenlangen Proteste bezeichnete, wurde der Wille der Kurve nach dem Stopp der Verhandlungen mit dem letzten verbliebenen Interessenten CVC durchgesetzt. «Liga knickt vor Ultras ein», schrieb die «Bild». Die Entscheidung des DFL-Präsidiums hat neben Fans und Kritikern auch weitere Gewinner und einige Verlierer hervorgebracht.

Gewinner

Organisierte Fans

Der Mittwoch sei «ein guter Tag für die Fußballfans in Deutschland» gewesen, sagte Thomas Kessen, Sprecher des Fan-Dachverbandes «Unsere Kurve», der dpa. Mit ihren wochenlangen Protesten hatten die organisierten Fans das bei der DFL-Mitgliederversammlung abgesegnete Projekt noch zum Scheitern gebracht. Mit einer für die heterogene Fan-Landschaft bemerkenswerten Einigkeit. Kommt es bei strittigen Fragen nun öfter zu dieser Art des Protests? «Es könnte eine Blaupause sein für den Fall, dass Entscheidungen getroffen werden, die die 50+1-Regel aushöhlen», sagte Kessen. Doch genau hier liegt ein Problem: War es am Ende vielleicht sogar ein Eigentor der Fans? «Mit Blick auf die Mittelbeschaffung könnte das auch den Druck auf 50+1 erhöhen, da Vereine wahrscheinlich erhöhten Kapitalbedarf haben», sagte Geschäftsführer Klaus Filbry von Werder Bremen der «Deichstube».

Mannschaften

An diesem Wochenende dürften die Spiele endlich wieder ohne erzwungene Unterbrechungen stattfinden. Er würde sich freuen, wenn das Spiel am Samstag gegen den VfL Bochum «reibungslos über die Bühne» gehe, sagte Trainer Gerardo Seoane von Borussia Mönchengladbach. Spieler hatten zuletzt beklagt, dass die Unterbrechungen schwierig für den Körper und Kopf seien. Mitunter hatte sich die Spiel-Dynamik nach einer Pause auch komplett verändert. Das soll nun vorbei sein.

«Ich wäre zumindest sehr überrascht, wenn das jetzt noch jemand macht», sagte Kessen, der aber das «eine oder andere lustige Plakat» erwartet. Und was passiert mit den bereits gekauften Tennisbällen? «Ich habe gehört, auf Ebay-Kleinanzeigen gibt es eine ganze Menge dieser Anzeigen aktuell», sagte Kessen im ZDF-Morgenmagazin schmunzelnd.

Martin Kind

Der Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter des Profifußball-Bereichs von Hannover 96 ist ein Gegner der 50+1-Regel und ein Befürworter des Investoren-Einstiegs bei der DFL. Sollte dieser gescheiterte Prozess ein Auslöser dafür sein, dass irgendwann auch 50+1 fällt - nur dann wäre Kind nachträglich doch noch ein Gewinner der aktuellen Entwicklung. Eine von ihm erhoffte Ausnahmegenehmigung hat der Hörgeräte-Unternehmer nie bekommen.

Für den Moment aber ist der 79-Jährige das Feindbild zahlreicher Fans und für viele Beobachter wegen seines Verhaltens bei der DFL-Mitgliederversammlung auch ein entscheidender Faktor für das Ende des Investoren-Plans.

Laut 50+1-Regel müsste der Mutterverein Hannover 96 e.V. eigentlich ein Weisungsrecht gegenüber den Vertretern der ausgegliederten Profi-Gesellschaft, also Kind, haben. Die e.V.-Führung aber wirft Kind vor, dass er bei der DFL-Abstimmung für und nicht wie angeordnet gegen den Investoren-Einstieg gestimmt habe. Kind selbst äußert sich nicht dazu. Sollte der Vorwurf stimmen, hätte er die 50+1-Regel bei Hannover 96 aber verletzt. Und genau das werfen ihm seine Gegner schon länger und auch an anderen Stellen des komplizierten und tief zerrütteten 96-Konstrukts vor. Die DFL, so die Forderung des Muttervereins, muss nun auf alles, was in Hannover passiert, ein stärkeres Auge haben als bisher.

Verlierer

Bundesliga

Rund 600 Millionen Euro aus dem Deal sollten in Digitalisierung, Internationalisierung und Vermarktung gesteckt werden. Stand jetzt müssen die Clubs - erwartungsgemäß zum Großteil mit Krediten - die Summe selbst aufbringen oder Abstand von diesen Vorhaben nehmen. Sollte Mainz 05 im kommenden Sommer acht Millionen Euro für die Binnenfinanzierung abtreten müssen, veranschaulichte Heidel kürzlich, «dann wird das hier nicht nur eng, dann wird das mega eng».

Bochums Geschäftsführer Ilja Kaenzig aber mahnte: «Ohne Wachstumskapital wird es keine Steigerung der TV-Gelder geben, eher im Gegenteil.» Die Medienrechte für vier Spielzeiten ab der Saison 2025/26 sind ausgeschrieben, der Beginn der Auktion ist für Mitte April geplant. Der aktuelle Jahreserlös liegt bei rund 1,1 Milliarden Euro pro Saison.

«Wir müssen uns entscheiden: Wollen wir Landstraße oder Autobahn fahren?», sagte Wirtschaftswissenschaftler Henning Zülch der dpa. «Wenn wir Landstraße fahren wollen, dann können wir uns, bei allem Respekt, einreihen in die Qualität der türkischen oder portugiesischen Liga.»

Laut Fansprecher Kessen dürfe der deutsche Profifußball das «Rattenrennen» um immer mehr Geld aber nicht mit aller Macht mitmachen. Stattdessen müsse man mit der mitgliederbasierten Sonderstellung «eine Zukunftsvision aufbauen». Auch Geld gebe es dafür genug, es sei nur «absolut ungleich und unfair verteilt». Auch Zülch meint: «Die Bundesliga hat ihr Wachstumspotenzial noch lange nicht ausgeschöpft.»

Branchenführer wie Bayern München und Borussia Dortmund fürchten jedoch um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit. «Wichtig ist, dass diese Entscheidung jetzt nicht von den Befürwortern dafür genutzt wird, die Spaltung der Ligen zu forcieren», betonte Geschäftsführer Michael Ströll vom FC Augsburg. Die Trennung der Ligen sei nur die «Ultima Ratio», also das allerletzte Mittel, hatte Watzke schon im Mai eingeschränkt. Jetzt ohnehin, denn die Fan-Proteste würden dann noch heftiger ausfallen.

Hans-Joachim Watzke

Mit leicht zerzausten Haaren und abgekämpfter Miene verkündete der DFL-Aufsichtsratschef das Aus des Deals, für den er seit Monaten hinter den Kulissen hart gerungen hatte. Keine Frage: Es ist auch eine persönliche Niederlage für Watzke. Und es ist nicht seine erste. Seit der Geschäftsführer von Borussia Dortmund den Vorsitz des DFL-Aufsichtsrats übernommen hat, ist der Plan des Investoren-Einstiegs zum zweiten Mal gescheitert. Nach Informationen der «Bild» stellte Watzke am Mittwoch im DFL-Präsidium die Vertrauensfrage. Alle Mitglieder sollen sich demnach für den 64-Jährigen ausgesprochen haben.

Marc Lenz/Steffen Merkel

Auch die beiden DFL-Geschäftsführer sind Gesichter des Investoren-Debakels. Das seit dem 1. Juli installierte Führungs-Duo reagierte erst spät auf den sich anbahnenden Sturm - und konnte ihn dann nicht mehr stoppen. Vor allem aus der Fanszene gab es massive Kritik an der Liga-Führung wegen schlechter Kommunikation und mangelnder Transparenz. So konnten sie vielen Fans die Sorge vor einem Mitspracherecht des Geldgebers in entscheidenden Fragen wie Spielplänen oder Anstoßzeiten nicht nehmen. Und das trotz der vertraglich festgelegten «roten Linien».

@ dpa.de