FIFA, WM

Der Eklat um den spanischen Verbandsboss Luis Rubiales sorgt weiter für Empörung.

27.08.2023 - 13:43:49

FIFA suspendiert Rubiales nach Kuss-Eklat - Empörung wächst. Die FIFA und Madrid gehen gegen den Funktionär vor. Der 46-Jährige klammert sich an seinen Posten.

  • Solidarität: Spielerinnen des mexikanischen Clubs Pachuca halten ein Transparent mit der spanischen Aufschrift «Wir sind mit dir Jenni» hoch. - Foto: Christian Chavez/AP

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  • Barcelona-Coach Xavi Hernández kritisiert den spanischen Verbandspräsidenten. - Foto: Sara Aribó/PX Imagens via ZUMA Press Wire/dpa

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Solidarität: Spielerinnen des mexikanischen Clubs Pachuca halten ein Transparent mit der spanischen Aufschrift «Wir sind mit dir Jenni» hoch. - Foto: Christian Chavez/APBarcelona-Coach Xavi Hernández kritisiert den spanischen Verbandspräsidenten. - Foto: Sara Aribó/PX Imagens via ZUMA Press Wire/dpa

Luis Rubiales' fadenscheinige Verteidigungsrede samt Rechtfertigung für sein übergriffiges Verhalten war dann auch der FIFA zu viel.

Rund eine Woche nach dem Kuss-Eklat bei der Siegerehrung des WM-Finales suspendierte der Weltverband den massiv kritisierten spanischen Verbandspräsidenten am Wochenende für zunächst 90 Tage - und in Madrid wird mit Hochdruck daran gearbeitet, dass der 46-Jährige auch im Anschluss von der Fußball-Bühne verschwindet. «Wir wollen, dass das zum "MeToo" des spanischen Fußballs wird. Es muss eine Veränderung geben», sagte Víctor Franco, der Präsident der obersten Sportbehörde Spaniens.

Der Fall liegt jetzt auch beim nationalen Sportgerichtshof Tad. Wegen schwerer Verstöße gegen das spanische Sportgesetz könnte Rubiales als Funktionär zwischen zwei und 15 Jahre gesperrt werden. Der 46-Jährige, der mit seinem Kuss auf den Mund von Jennifer Hermoso nach dem gewonnenen WM-Finale in Sydney weltweit für Empörung gesorgt hatte, hatte am Freitag einen Rücktritt ausgeschlossen, eine mediale Hetzjagd beklagt und sich als Opfer eines «sozialen Mordes» bezeichnet. Er steht längst so gut wie alleine dar. Für diesen Montag ist eine Sondersitzung des spanischen Verbands RFEF geplant.

Außenministerin Baerbock äußert sich

«Solch ein Verhalten ist nicht akzeptabel und noch weit untragbarer ist, es auch noch herunterzuspielen und die Spielerin unter Druck zu setzen. Niemand, absolut niemand sollte dies als Kleinigkeit abtun», heißt es einem von DFB-Kapitänin Alexandra Popp veröffentlichten offenen Brief des deutschen Nationalteams. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte am Sonntag: «Man muss sich nur mal vorstellen, Angela Merkel hätte 2014 Philipp Lahm so geküsst. Da wäre die Hölle los gewesen bzw. das ist einfach unvorstellbar und sagt damit alles. Auch über diejenigen, die das jetzt als irgendwie normal hinstellen wollen.» Die FIFA-Sperre sei «mehr als richtig».

In Spanien war am Wochenende unter anderem der frühere Weltstar Xavi Hernández einer der Kritiker. Auch die beiden Nationaltrainer Jorge Vilda (Frauen) und Luis de la Fuente (Herren) rückten - mit einiger Verzögerung - von Rubiales ab. Vor dem Spiel gegen UD Almería liefen Profis von Erstligist FC Cádiz mit einem Banner mit der Aufschrift «Wir sind alle Jenni» auf den Rasen. Ähnliche Aktionen von Fans und Spielern gab es am Wochenende auch auf anderen Plätzen in Spanien.

Hermoso reagierte am Wochenende auf den verweigerten Rücktritt von Rubiales mit einer ausführlichen Stellungnahme. «Ich habe mich verletzlich und als Opfer einer impulsiven, sexistischen und unangebrachten Handlung gefühlt, der ich nicht zugestimmt habe. Einfach ausgedrückt, ich wurde nicht respektiert», schrieb die 33-Jährige in einer in den sozialen Netzwerken verbreiteten Erklärung. Kurz zuvor hatten alle Spielerinnen des spanischen Teams verkündet, sie würden so lange nicht mehr antreten, wie Rubiales noch im Amt sei.

Verband bezichtigte Hermoso der Lüge

«Es macht uns sehr traurig, dass ein derart inakzeptables Verhalten den größten sportlichen Erfolg des spanischen Frauenfußballs überlagert», hieß es in der Erklärung der Gewerkschaft FutPro, die von 81 Spielerinnen unterzeichnet war. Die RFEF entgegnete, wer zum Kader gehöre, müsse auch antreten.

Der Verband bezichtigte Hermoso der Lüge und drohte rechtliche Schritte an. Ihre Darstellung, der Kuss sei nicht in beiderseitigem Einvernehmen erfolgt, sei falsch. Um das zu untermauern, veröffentlichte der Verband vier Fotos, die Rubiales entlasten sollen. Detailliert wird die jeweilige Körperhaltung von Rubiales und Hermoso beschrieben. Die Bilder seien der Beweis, dass Rubiales nicht gelogen habe. Auf ihnen ist angeblich zu sehen, wie Rubiales von Hermoso gehalten wird, auf zwei davon sind seine Beine in der Luft. Belegt wird die RFEF-Darstellung durch die kurze Bild-Sequenz nicht.

«Soweit es von uns abhängt, sind es die letzten Stunden von Rubiales», sagte Sportminister Miquel Iceta der Zeitung «El País». Weit über den Sport hinaus äußerten Prominente ihre Solidarität mit Hermoso - in Spanien waren das unter anderen Musikgrößen wie Sänger Alejandro Sanz und Filmstars wie Carlos Bardem, der Bruder von Oscar-Preisträger Javier.

«Der Aufschrei in der Eskalation reicht nicht aus»

Die FIFA-Sperre verhindert zunächst, dass Rubiales als Fußball-Funktionär in Erscheinung treten kann. Die FIFA-Disziplinarkommission hatte am Donnerstag ein Verfahren eingeleitet, auch der Weltverband kann Rubiales für mehrere Jahre sperren. Die FIFA ordnete zudem an, dass Rubiales weder persönlich noch durch eine dritte Person Kontakt zu Hermoso oder deren direktem Umfeld aufnehmen darf.  Gleiches gelte auch für die RFEF.

«Der Aufschrei in der Eskalation reicht nicht aus», sagte die ehemalige Fußball-Torhüterin und -Funktionärin Katja Kraus am Samstag. «Alle, die jetzt an der Seite von Jennifer Hermoso und ihren Kolleginnen stehen, müssen den Druck aufrecht halten, um echte Veränderungen zu erreichen. In Spanien und im gesamten Fußball.»

Die Zeitung «El País» schrieb, das spanische #Metoo habe sich zu einem «Schluss jetzt» entwickelt. Politiker, Medien und Sportler unterstützten die Frauen in einem Land, das beim Schutz von Frauen vor Gewalt durch Männer inzwischen eine Vorreiterrolle einnimmt.

@ dpa.de