WM, Nationalmannschaft

In Manila erfährt Weltmeister Dennis Schröder die Krönung seiner Karriere.

11.09.2023 - 12:08:54

Gold der Genugtuung: Schröders Botschaften von ganz oben. Während sein Trainer erst einmal Lachse angeln will, macht der deutsche Basketball-Held ein paar klare Ansagen.

Als Dennis Schröder und seine Weltmeister die rauschende Gold-Party beendeten, knallte die Sonne schon wieder herab auf das stickige Manila. In dem luxuriösen Fünf-Sterne-Hotel Peninsula mieteten die Basketballer eine eigene Bar, um mit Familien, Freundinnen und dem ganzen Tross den sporthistorischen WM-Coup auf den Philippinen gebührend und ausgiebig zu feiern.

Bei Drinks, feinem Essen und lautstarken Bässen gönnten sich Schröder und Co. einen losgelösten Abend nach einer schlauchenden Sechs-Wochen-Reise von Bonn über Abu Dhabi und Okinawa bis zum Endziel Manila. Mit dabei war natürlich die goldene Naismith-Trophy. Die ganze Nacht wurden stolz die passenden Fotos zu den unvergesslichen Erinnerungen gemacht. Vor allem der Kapitän selbst nahm nach der Sause bis in den frühen Morgen riesige Genugtuung mit ins Bett.

DBB-Auswahl mit unerwarteter Acht-Siege-Serie

Denn der 29 Jahre alte Schröder war es, der sein Team mit sportlicher Leistung und unbändigem Ehrgeiz zum größten Erfolg der deutschen Basketball-Geschichte führte. «Der Coach hat uns gefragt, welches Ziel wir erreichen wollen. Jeder hat gesagt eine Medaille. Ich habe gesagt Gold», erzählte ein stolzer Schröder, der auch seinen Namen im deutschen Sport-Geschichtsbuch verewigt hat. Nicht der freche Jungstar Franz Wagner, dessen Bruder Moritz oder der wuchtige Center Daniel Theis werden maßgeblich mit diesem Erfolg verbunden, sondern Schröder.

Mit einem Basketball-Netz um den Hals gab er Interview um Interview, die Party aus dem Mannschaftsbus streamte er live in den sozialen Netzwerken. «Es klingt unglaublich. Wie wir es auch geschafft haben gegen die stärksten Teams der Welt», sagte Schröder staunend nach einem kolossalen Acht-Siege-Lauf, der völlig überraschend kam. Australien, Slowenien um Luka Doncic sowie die NBA-Stars aus den USA mussten sich schon vor dem Finale dem deutschen Team geschlagen geben.

Cheftrainer Gordon Herbert, dessen ikonisches Foto der Erschöpfung im Moment des Triumphs um die Welt ging, dankte seinem Anführer explizit. «Dennis hat seine eigene Identität kreiert. Er hat eine WM gewonnen. Es ist Zeit, dass wir ihm 100 Prozent Respekt geben», sagte der 64-Jährige. Herbert war wochenlang im WM-Tunnel und freut sich nach dem feierlichen Empfang in Frankfurt am Dienstag auf etwas mehr Freizeit, die er dafür nutzen möchte, Lachse zu angeln und in der Natur Holz zu hacken. Dass er das nach der Heimreise über Abu Dhabi als Weltmeister-Trainer machen kann, hat sehr viel mit Schröder zu tun.

Schröder führte die Auswahl zum Titel

Doch während bei Herbert der Puls nach Gold gegen Serbien (83:77) nach unten ging, nutzte Schröder die Stunde des allergrößten Erfolgs, um mit seinen Kritikern abzurechnen. «Für alle, die mich supportet haben über die Jahre: Ich küsse ihre Herzen natürlich. Aber: Alle anderen, die können trotzdem wegbleiben», sagte Schröder, der Glückwünsche von weltweit bekannten Sport-Persönlichkeiten wie LeBron James oder Toni Kroos erhielt. «Mit Hatern oder Leuten, die das alles immer kritisch sehen, baue ich viel Motivation auf», richtete Schröder aus der hochmodernen Mall of Asia Arena aus.

Mit der Krönung von Manila sind alle Zweifel an Schröders Eignung als Anführer der deutschen Nationalmannschaft verflogen. Das historische erste WM-Gold übertrifft sogar die Generation um die nationale Ikone Dirk Nowitzki, mit dem Schröder in den vergangenen Jahren immer wieder verglichen wurde. Wie sich sein Team nach dem Zwist um die Nominierung des von ihm schwer kritisierten Maximilian Kleber hinter Schröder versammelte, war ein Statement. In der Geschichte deutscher Basketball-Teams gab es zuvor keinen derart mächtigen Kapitän wie Chef Schröder.

«Dennis ist eine sehr inspirierende Person. Es wird ständig über ihn geredet. Aber er findet immer einen Weg, um wieder aufzustehen. Er ist ein absoluter Warrior. Ein inspirierender Basketballer, eine inspirierende Person. Er hat uns hier zum WM-Titel geführt», schwärmte Moritz Wagner. So oder so ähnlich sprachen ausnahmslos alle Teamkollegen während der 17 WM-Tage von Asien, in denen sich Schröder vom Streitobjekt zum Weltmeister-Kapitän entwickelte. «Ich will endlich meinen Respekt», rief er bissig. «Ich will nichts mehr über meinen Namen hören.»

«Das Familienleben tut mir sehr gut als Mensch»

Der als wertvollster Spieler des Turniers ausgezeichnete Schröder teilt seine Welt gerne in Gut und Böse - und trennt die beiden Seiten dann danach, wie er selbst in der Bewertung wegkommt. So positiv wie am goldenen Sonntagabend von Manila dürfte das gesamte Feedback für Schröder als Person und Sportler zuvor noch nie ausgefallen sein. «Dennis und ich haben eine Verbindung. Wir haben dieses Vertrauen weiterentwickelt», sagte Herbert. Bei der Pressekonferenz feixten Spieler und Trainer erleichtert. Dass sie sich genau eine Woche vorher in einer Auszeit noch heftig anbrüllten, war längst vergessen.

Schröder reflektierte in der Stunde des sportlichen Gipfels auch über einen persönlichen Reifeprozess. Mit 20 Jahren in die NBA nach Atlanta zu kommen und direkt Millionen zu verdienen - alles nicht einfach. Doch Schröder hat mental massiv an Stabilität dazugewonnen. «Ich bin einfach froh, dass ich mich entschieden habe, das Familienleben zu gehen. Das tut mir sehr gut als Mensch. Meine Kinder haben sehr viel in mir geweckt, was ich vorher nicht hatte. Meine Frau genauso», sagte Schröder stolz. Frau Ellen und die drei Kids waren die komplette WM dabei.

Der früher stets für seine protzige Art kritisierte Profi hat sich entwickelt. Mitspieler, Fans und Verband rechnen ihm sein stetiges Engagement für die Nationalmannschaft hoch an. Schröder geht voran, stellt sich schützend vor sein Team und steht trotz kräftezehrender NBA-Spielzeiten jedes Jahr bereit. Nach dem Gold-Coup von Manila wird er sportlich in neue Sphären vordringen: Schröder wird ein legitimer Kandidat sein, wenn es um den Sportler des Jahres oder den Olympia-Fahnenträger 2024 in Paris geht.

@ dpa.de