News, Polnisches Parlament in Warschau

Polen verlangt einen Vorschlag Deutschlands zu möglichen Reparationszahlungen

07.12.2020 - 11:43:10

Aus Anlass des 50. Jahrestages des Kniefalls von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) in Warschau am 7. Dezember hat Andrzej Przylebski, der polnische Botschafter in Berlin, auf eine Lösung in der Auseinandersetzung um deutsche Reparationszahlungen für im Krieg entstandene Schäden gepocht.

Przylebski erklärte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" für die am Montag erscheinenden Ausgaben seiner Tageszeitungen, eigentlich habe die Diskussion über mögliche Reparationen noch gar nicht richtig begonnen. Diese Frage sei nun "leider ein Problem in unseren Beziehungen", und es sei gut, sie einmal zu beantworten.

Polen warte hierzu auf Vorschläge aus Deutschland. Zwar würdigte Przylebski den historischen Kniefall des damaligen westdeutschen Regierungschefs am Denkmal des Warschauer Ghettos als einen wichtigen Beitrag zur Aussöhnung zwischen Polen und Deutschland, gleichzeitig verlangte er aber auch weitere reale Maßnahmen. In Polen interpretiere man den Kniefall als ein "Zeugnis des Verantwortungsbewusstseins für die Schuld der Deutschen im besetzten Polen." Diese und weitere symbolische Gesten, wie etwa auch die Entschuldigungen deutscher Bundespräsidenten für die Verbrechen, die Deutsche im Zweiten Weltkrieg an polnischen Bürgern begangen hätten, nannte der polnische Botschafter "natürlich schön und wichtig". Wenn ihnen aber "keine harte organische Arbeit auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen" folgen werde, dann verblasse ihr Sinn deutlich. Das Verhältnis zwischen Polen und Deutschland sei etwas besser als sein Ruf, räumte Przylebski ein. Es werde aber durch die unterschiedlichen Positionen der beiden Länder zum sogenannten EU-Rechtsstaatsmechanismus erneut schwer belastet.

Wichtige Repräsentanten der polnischen Oppositionsparteien lehnten die Forderungen nach deutschen Kriegsreparationen unterdessen ab. Radek Sikorski, der ehemalige polnische Außenminister und heutige Abgeordnete des Europäischen Parlaments, erklärte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland", die nationalistische Presse in Polen und Teile der in Warschau regierenden Parteien machten "viel Wind um Reparationen, obwohl die Sache aus rechtlicher Sicht erledigt" sei. Sie versuchten, "das Gespenst eines herrschsüchtigen Deutschlands am Leben zu erhalten." Hierdurch solle der Eindruck erweckt werden, die EU werde von Deutschland beherrscht, und alles, was Polen an der Europäischen Union nicht gefalle, sei die Schuld Deutschlands, erklärte Sikorski. Danuta Hübner, die ehemalige EU-Kommissarin und, wie Sikorski, heutige Europaabgeordnete, pflichtete ihm bei. Die Reparationsfrage sei von einigen radikalen Politikern aufgeworfen worden, so Hübner gegenüber dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Die Diskussion solle diejenigen polnischen Wähler zufriedenstellen, die "immer noch anti-deutsche Vorurteile" pflegten. Die Auseinandersetzung werde aber zu keinem Ziel führen. Von Seiten der polnischen Regierung seien bereits jetzt "zu viele Fronten mit der EU und Deutschland aufgemacht" worden, um noch eine neue zu eröffnen, sagte die polnische Politikerin weiter. Dennoch werde die Frage der Reparationen nicht aus dem politischen Diskurs in der polnischen Gesellschaft verschwinden, stellte Hübner fest. Die "politische Tragfähigkeit" des Themas sei nach Einschätzung der Abgeordneten der liberalkonservativen Bürgerplattform PO aber "doch ziemlich beschränkt."

Hübner und Sikorski schätzten den Kniefall von Brandt am 7. Dezember vor 50 Jahren als eine "große Geste der Demut und der Bitte um Vergebung". Sikorski hob hervor, der Kniefall des Kanzlers habe zur Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als deutsch-polnische Grenze und letztlich auch zu einem Prozess der Versöhnung geführt. Und dieser Prozess bestehe weiter fort, "obwohl die regierenden Nationalisten in Polen versuchen, ihm zu schaden." Die nationalistische Propaganda greife aber zum Glück nicht bei allen Polen, ergänzte der ehemalige polnische Außenminister. Hübner sah in dem Kniefall einen "Meilenstein auf dem Weg zur deutsch-polnischen Versöhnung." Brandts Geste vor dem Denkmal des Warschauer Ghettos habe sich zu einem wichtigen Teil europäischer Erinnerungskultur entwickelt. Sie nannte den Kniefall des damaligen deutschen Bundeskanzlers eine "zutiefst persönliche Geste eines Deutschen, der keine eigene Verantwortung für die schrecklichen Taten seiner Nation" getragen habe.

 

Redaktion ad-hoc-news.de, A-1010413

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