Bischof, Bätzing

Zum Jahresende zieht der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz eine schonungslos selbstkritische Bilanz zum Niedergang von Kirche und Religion.

31.12.2023 - 18:52:21

Bischof Bätzing: Mehrheit hat nichts mehr mit Religion

Die beiden großen Kirchen befinden sich nach Einschätzung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, in einem dramatischen Niedergang. «Der Mitgliederverlust ist rasant, die gesellschaftliche Bedeutung schwindet», konstatierte der Bischof von Limburg nach vorab verbreitetem Redetext in seiner Silvesterpredigt in Frankfurt am Main. «Unser Land wird säkularer, und die Mehrheit der Bevölkerung ist kaum noch religiös ansprechbar.»

Bätzing bezog sich auf die in diesem Jahr veröffentlichte Untersuchung zur Kirchenmitgliedschaft, für die mehr als 5000 Menschen repräsentativ befragt wurden. «Nur mehr 48 Prozent der Bevölkerung in unserem Land gehören einer der beiden großen Kirchen an», fasste Bätzing zusammen. «Die Kritik an der Kirche als Institution bestätigt sich, aber zugleich wird die These widerlegt, wonach die Menschen ihre Religiosität sozusagen aus den Kirchen mit herausnehmen ins Private hinein.» Gelebter Glaube außerhalb der Kirchen sei quasi nicht existent, für die Lebensführung hätten religiöse Überzeugungen dort so gut wie keine Bedeutung mehr.

Nur noch vier Prozent der katholischen und sechs Prozent der evangelischen Gläubigen geben in der Studie an, ihrer Kirche eng verbunden zu sein. «Das Vertrauen, vor allem in die katholische Kirche, ist enorm gesunken», räumte Bätzing ein. «Und beinahe die Hälfte der Katholikinnen und Katholiken denkt über einen Kirchenaustritt nach, nur noch ein Drittel schließt ihn grundsätzlich aus. Solche Entwicklungen zu verdrängen oder zu verharmlosen, das wäre fatal.»

Bätzing: Überwältigender Anteil für Reformen

Auf den zweiten Blick halte die Studie aber auch einige ermutigende Ergebnisse bereit, so Bätzing. «Erstaunlich ist für mich, dass sich die Hälfte aller Mitglieder der katholischen Kirche ehrenamtlich engagiert - deutlich mehr als im Durchschnitt.» Die Zustimmung zur Firmung und Erstkommunion sei weiterhin hoch. Ein Drittel der Bevölkerung habe eine kirchliche Kindertagesstätte besucht. Angebote der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit würden nach wie vor genutzt.

Zudem zeige die Studie, dass diejenigen, die noch Mitglieder seien, von der Kirche Einsatz gegen Armut und für Gerechtigkeit erwarteten, konkret etwa für Geflüchtete. Zudem drängten die Kirchenmitglieder auf Reformen. «Nicht selten höre ich kritische Stimmen sagen, eine vermeintlich schweigende Mehrheit stehe Reformprozessen in der katholischen Kirche skeptisch gegenüber.» Die Befragung beweise das Gegenteil: «Ein überwältigender Anteil von 96 Prozent der Katholikinnen und Katholiken äußern: "Meine Kirche muss sich grundlegend ändern, wenn sie eine Zukunft haben will."»

Zu den wichtigsten Themen gehörten dabei ein positiver Umgang mit Homosexualität, mehr Mitbestimmung für Laien, eine Abschaffung des Pflichtzölibats für Priester und eine stärkere Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche. «Reformen lösen gewiss nicht alle Probleme der katholischen Kirche, aber diese verschärfen sich, wenn Reformen ausbleiben», folgerte Bätzing. Rückzug sei noch nie zukunftsträchtig gewesen - was die Kirche brauche, sei Veränderung.

@ dpa.de