Karlsruhe, Datensammeln

Wohl niemand will in einer Polizeidatenbank als Verdächtiger auftauchen.

20.12.2023 - 13:24:31

Karlsruhe prüft Datensammeln: Zur Terrorabwehr erlaubt?. Der Gesetzgeber hat die rechtlichen Vorgaben für das Datensammeln geändert. Vor dem Verfassungsgericht ging es nun um mögliche Folgen.

Um Terroranschläge und Verbrechen der organisierten Kriminalität zu verhindern, haben Sicherheitsbehörden in Deutschland weitreichende Möglichkeiten. Doch diese verletzen aus Sicht mancher die Grundrechte von Betroffenen. Das Bundesverfassungsgericht soll hier Klarheit schaffen.

Präsident Stephan Harbarth sagte, es gehe um das Spannungsfeld zwischen dem Sicherheitsauftrag des Staates und dem Schutz individueller Freiheitsrechte.

Im Fokus stehen Möglichkeiten, die der Gesetzgeber vor allem dem Bundeskriminalamt (BKA) einräumt - etwa zum Erheben von Daten und dem Austausch mit Polizeibehörden der Bundesländer sowie zum heimlichen Überwachen von Kontaktpersonen Verdächtiger. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat Verfassungsbeschwerde gegen das 2017 geänderte BKA-Gesetz erhoben. Ein Urteil des höchsten deutschen Gerichts wird erst in einigen Monaten erwartet. (Az. 1 BvR 1160/19)

Kläger: Keine Verurteilung, aber gravierende Folgen

Für die GFF wies Rechtsanwalt Bijan Moini in Karlsruhe auf mögliche Folgen eines Eintrags in die Polizeidatenbanken hin: Betroffene würden teils öffentlich stigmatisiert, verpassten Termine, Maßnahmen der Polizei würden härter, Folgen für den Job seien denkbar. Dabei würden die Menschen oft gar nicht wegen der Straftaten verurteilt. Wer häufiger kontrolliert werde, lande zudem öfter in Datenbanken, sagte Moini zudem in Bezug auf Menschen mit ausländischem Aussehen.

Aus Sicht der GFF, einem gemeinnützigen Verein, sind die Regeln zur Speicherung auf Vorrat und Nutzung der Daten zu unbestimmt und weitreichend. Es handele sich um ein strukturelles Problem, sagte Moini, und kein «Missgeschick des Gesetzgebers». Die Kläger fordern konkrete verfassungsrechtliche Maßstäbe für das Sammeln und Speichern von Daten. Insoweit betrete die Verfassungsbeschwerde Neuland.

Faeser: Datenaustausch dient Sicherheit der Bevölkerung

Bundesinnenministerin Nancy Faeser verteidigte das Gesetz hingegen als verfassungskonform. Die Polizeibehörden müssten mit den Entwicklungen Schritt halten, um effektiv ermitteln zu können. «Sie müssen auf der Höhe der Zeit sein.» Im Rahmen der Polizeiarbeit müssten Daten verknüpft werden können, sagte die SPD-Politikerin. «Das zeichnet gute polizeiliche Arbeit geradezu aus.» Das BKA-Gesetz sehe zahlreiche Prüfmechanismen auch im Zusammenhang mit dem Bundesdatenschutzgesetz vor, damit Daten nicht anlasslos gespeichert werden, sagte sie. «Das Gesetz ist robust gegen Missbrauch.»

Der Datenaustausch zwischen den Polizeibehörden ist der Ministerin zufolge insbesondere eine Lehre aus dem Fall um die Rechtsterroristen-Gruppe «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU). «Das dient dem Schutz der Sicherheit der Bevölkerung», sagte sie. Die Behörden bräuchten die Möglichkeit, Daten auszutauschen, damit nicht wie damals Terroristen jahrelang unerkannt Taten verüben könnten.

Vor der Verhandlung hatte Faeser vor Journalisten auf die aktuelle Weltlage verwiesen, die Gefahr islamistischer Terroranschläge in Deutschland und den Krieg in Europa. Oftmals verlasse sich Deutschland auch auf ausländische Dienste, sagte sie. Daher brauche es hierzulande die notwendigen Maßnahmen, «damit wir dort besser werden können». Es gehe um Prävention im Kampf gegen Terroristen und die organisierte Kriminalität. «Das macht nicht an Grenzen Halt.»

Senat hat schon einmal Teile des Gesetzes beanstandet

Es ist nicht das erste Mal, dass sich das höchste deutsche Gericht mit dem Thema befasst. Im Jahr 2016 hatte es den Sicherheitsbehörden beim Anti-Terror-Kampf neue Schranken aufgewiesen und umfangreiche Befugnisse des BKA zur Terrorabwehr zum Teil für verfassungswidrig erklärt. Der Erste Senat stellte «in etlichen Einzelvorschriften unverhältnismäßige Eingriffe» fest. (Az. 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09)

Um Terroranschläge zu verhindern, darf das BKA seit 2009 unter anderem Wohnungen verwanzen und mit Kameras ausspähen. Auch darf der Staat Trojaner einsetzen, also eigens entwickelte Software, die auf der Computer-Festplatte eines Verdächtigen Daten abschöpft.

All das ist laut dem damaligen Urteil zwar im Grundsatz mit den Grundrechten vereinbar. Dieses würdigt die Bedeutung des Anti-Terror-Kampfs für Demokratie und Grundrechte. Die konkrete Ausgestaltung der Befugnisse bewertete das Gericht aber in verschiedener Hinsicht als ungenügend. Vor allem sei der Kernbereich privater Lebensgestaltung zum Teil nicht ausreichend geschützt.

Das BKA-Gesetz musste deshalb nachgebessert werden. Die neue Fassung ist seit Mai 2018 in Kraft. Der GFF geht es nun um eine «noch nicht ausgeleuchtete Lücke im Verfassungsrecht», wie sie bei der Vorstellung der Verfassungsbeschwerde erklärt hatte.

@ dpa.de