Menschen, Demo

Seit gut drei Wochen demonstrieren immer wieder Zehntausende gegen rechts und gegen die AfD.

03.02.2024 - 05:22:16

100.000 Menschen zu Demo gegen rechts am Bundestag erwartet. Die Proteste gehen weiter - auch mit einer besonderen Aktion am Reichstagsgebäude in Berlin.

Im Zuge der Massenproteste gegen Rechtsextremismus ist für diesen Samstag eine Kundgebung mit 100.000 Menschen am Reichstagsgebäude in Berlin angemeldet. Geplant ist eine symbolische Menschenkette unter dem Motto «Wir sind die Brandmauer». Hinter der Aktion gegen Hass und für Toleranz steht ein Bündnis namens Hand in Hand mit mehr als 1300 Organisationen. 

Unter demselben Motto haben 120 Organisationen eine Demonstration in Dresden mit 10.000 Menschen angemeldet. In Hannover gibt es eine ähnliche Aktion am niedersächsischen Landtag. Darüber hinaus gibt es Dutzende weitere Aktionen in kleinen und großen Städten von Brunsbüttel in Schleswig-Holstein bis Freiburg in Baden-Württemberg.

Auslöser der Demonstrationen

Seit gut drei Wochen gehen überall in Deutschland immer wieder Zehntausende Menschen gegen rechts und gegen die AfD auf die Straße. Auslöser ist eine Recherche des Medienhauses Correctiv zu einem Treffen radikaler Rechter mit einzelnen Politikern von AfD, CDU und Werteunion im November in Potsdam. 

Dort hatte der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, nach eigenen Angaben über das Konzept der sogenannten Remigration gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang.

Scholz: Demos gegen rechts starkes Zeichen für Demokratie

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die zahlreichen geplanten Demonstrationen als «starkes Zeichen» für die Demokratie und das Grundgesetz bezeichnet. «Ob in Eisenach, Homburg oder Berlin: In kleinen und großen Städten im ganzen Land kommen viele Bürgerinnen und Bürger zusammen, um gegen das Vergessen, gegen Hass und Hetze zu demonstrieren - auch an diesem Wochenende», schrieb der SPD-Politiker am Samstag auf der Plattform X (früher Twitter).  Der Kanzler hatte die Großdemonstrationen zuletzt wiederholt gelobt und im Januar selbst an einer Kundgebung in Potsdam teilgenommen. 

Demo in Berlin

Die Großdemonstration in Berlin reihe sich in die Protestaktionen der vergangenen Wochen ein, teilten die Veranstalter mit. Zugleich sei sie gedacht als Auftakt für das Netzwerk Hand in Hand, das sich mit Blick auf die Wahlen in diesem Jahr für Demokratie und Menschenrechte einsetzen will. 

«Ja, unsere Demokratie ist in Gefahr», heißt es im Aufruf des Berliner Bündnisses. «Doch wir sind entschlossen, laut und aktiv zu werden: für eine offene, demokratische, plurale und solidarische Gesellschaft, gemeinsam gegen den Rechtsruck in Deutschland und Europa.»

Zu den Unterstützern zählen viele kleine Initiativen, aber auch große Organisationen wie die Gewerkschaften Verdi, GEW und IG Metall, Amnesty International, Flüchtlings-Hilfsorganisationen und auch die Klimaprotestgruppen Extinction Rebellion und Letzte Generation. Auch Politikerinnen und Politiker haben sich zu der Kundgebung angekündigt, darunter die Vorsitzenden der SPD und der Linken.

Meinungen

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland: «Viele Menschen in Deutschland sind entsetzt über die Deportationspläne rechtsextremer Netzwerke, die das Recherchenetzwerk Correctiv aufgedeckt hat.» Es sei beunruhigend, «wie tief die AfD in diese Netzwerke eingebunden zu sein scheint».  Gerade deshalb müsse man Initiativen stärken, die sich überall im Land für Demokratie Vielfalt und Zusammenhalt einsetzten. Dazu müsse möglichst schnell das Demokratiefördergesetz vom Bundestag beschlossen werden. 

Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, forderte dagegen mehr Schutz vor Diskriminierung. «Viele Menschen, die Rassismus und Diskriminierung erleben, haben gerade große Zukunftsängste. Und sie haben den Eindruck, dass die Politik nichts für sie tut und ihre Ängste und Sorgen nicht ernst nimmt.» Von der Bundesregierung und den demokratischen Parteien komme fast nichts - «außer ein paar Lippenbekenntnisse». Die Bundesregierung bleibe sowohl beim Kampf gegen Diskriminierung als auch beim Thema Antisemitismus hinter dem eigenen Koalitionsvertrag zurück.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bezeichnete es als «völlig richtig», dass die AfD Adressat der bundesweiten Proteste ist. «Sie ist eine zutiefst rechtsextreme Partei. Es schüttelt mich jedes Mal regelrecht, wenn ich diese hasserfüllten Reden höre», sagte Söder der «Rheinischen Post». ?

Regierungsviertel

In das Berliner Regierungsviertel waren schon einmal am 21. Januar nach Angaben der Polizei mehr als 100.000 Demonstranten gekommen. Der Bundestag, seit 1999 mit Sitz im umgebauten historischen Reichstagsgebäude, ist zentrales Symbol der bundesdeutschen Demokratie. 

Am 29. August 2020 hatten einige Hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen versucht, das Gebäude zu stürmen. Viele trugen damals Reichsbürger-Symbole und Flaggen bei sich. Die Polizei konnte sie nach Angaben beteiligter Beamter nur mit Mühe abwehren.

Ende 2022 ließ die Bundesanwaltschaft eine mutmaßliche Terrorgruppe um den Unternehmer Heinrich VIII. Prinz Reuß festnehmen, die ebenfalls einen Sturm auf das Reichstagsgebäude geplant haben soll. Ziel der Verdächtigen aus der Reichsbürger-Szene soll ein Umsturz unter Einsatz von Gewalt gewesen sein.

20.000 bei Demo gegen Rechtsextremismus in Freiburg

Rund 20.000 Menschen haben sich nach Polizeiangaben am Samstag in Freiburg versammelt, um gegen Rechtsextremismus zu protestieren. Zur größten Veranstaltung im Land hatten mehr als 300 Organisationen, darunter der Fußball-Bundesligist SC Freiburg, Gewerkschaften und Kirchen aufgerufen. 

Nach einer Kundgebung auf dem Platz der Alten Synagoge setzte sich der Demonstrationszug durch die Freiburger Innenstadt in Bewegung. Die Stadtverwaltung rechnete mit größeren Verkehrsbehinderungen. Ähnliche Proteste wurden auch anderenorts angemeldet  - so in Lahr, Lörrach, Wiesloch und Aalen. 

@ dpa.de