Ex-RAF-Terroristin, Klette

Rund zwei Jahrzehnte wohnt die als RAF-Terroristin gesuchte Daniela Klette in einem Mietshaus in Berlin-Kreuzberg.

27.02.2024 - 16:48:10

Ex-RAF-Terroristin Klette gefasst. Nachbarn kennen sie als «Claudia», beschreiben sie als «eigentlich ganz nett».

  • Daniela Klette wird ebenso wie Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub der sogenannten dritten RAF-Generation zugeordnet. - Foto: picture alliance / dpa

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  • Der damalige Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen kam im November 1989 bei einem Sprengstoffattentat ums Leben. - Foto: picture alliance / dpa

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  • Ein gepanzertes Fahrzeug der Polizei verlässt den Hof des Amtsgerichts in Verden. Zielfahnder des LKA Niedersachsen haben am Montagnachmittag mutmaßlich die frühere RAF-Terroristin Daniela Klette festgenommen. - Foto: Sina Schuldt/dpa

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Daniela Klette wird ebenso wie Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub der sogenannten dritten RAF-Generation zugeordnet. - Foto: picture alliance / dpaDer damalige Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen kam im November 1989 bei einem Sprengstoffattentat ums Leben. - Foto: picture alliance / dpaEin gepanzertes Fahrzeug der Polizei verlässt den Hof des Amtsgerichts in Verden. Zielfahnder des LKA Niedersachsen haben am Montagnachmittag mutmaßlich die frühere RAF-Terroristin Daniela Klette festgenommen. - Foto: Sina Schuldt/dpa

Vor dem unscheinbaren Mietshaus in Berlin-Kreuzberg stehen uniformierte Polizisten. Der Eingang des siebengeschossigen Gebäudes in der Sebastianstraße nahe der früheren Grenze zwischen West- und Ost-Berlin ist am Dienstag gesperrt. Kriminaltechniker sind vor Ort.  Polizisten tragen größere Kisten ins Haus, offensichtlich um Gegenstände abzutransportieren. Zahlreiche Kamerateams verfolgen die Szenerie. Am Montagabend ist hier nach mehr als 30 Jahren Fahndung die frühere Terroristin der Rote Armee Fraktion (RAF), Daniela Klette, gefasst worden. Die 65-Jährige sitzt wegen mehrerer Raubtaten in Untersuchungshaft, wie die Staatsanwaltschaft Verden und das Landeskriminalamt Niedersachsen am Dienstag in Hannover mitteilten.

Unter falscher Identität gelebt

Die als Terroristin gesuchte Klette lebte in der Berliner Wohnung nach Angaben des Landeskriminalamtes (LKA) Hannover unter falscher Identität. Sie habe bei ihrer Festnahme keinen Widerstand geleistet, teilte LKA-Präsident Friedo de Vries mit. Bei der Durchsuchung fanden die Ermittler den Angaben zufolge unter anderem Magazine einer Waffe und Patronen. Eine Waffe sei bislang nicht gefunden worden. 

Der Festnahme durch Zielfahnder vorausgegangen war jahrelange Ermittlungsarbeit unter der Leitung der Staatsanwaltschaft Verden. Sie legt der Beschuldigten «unter anderem mehrere Raubtaten und versuchten Mord zur Last, die sie mutmaßlich gemeinschaftlich mit den mutmaßlichen Mittätern Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg begangen haben soll», wie es in der Mitteilung des LKA hieß. Nach dem 69-jährigen Staub und dem 55-jährigen Garweg werde weiterhin gefahndet.

Weitere Festnahme in Berlin 

Kurz nach der Festnahme von Klette nahmen die Fahnder allerdings in Berlin eine weitere Person fest. Es handele sich um einen Mann im «gesuchten Alterssegment», sagte LKA-Präsident de Vries. Die Identität des Festgenommenen werde noch geklärt. Es sei nicht sicher, ob sein Ausweisdokument echt sei. 

Die Staatsanwaltschaft Verden und das Landeskriminalamt Niedersachsen fahnden seit Jahrzehnten nach dem Trio Klette, Staub und Garweg. Sie werden der sogenannten dritten RAF-Generation zugeordnet. 

Per Hubschrauber nach Bremen gebracht 

Klette befindet sich inzwischen in Untersuchungshaft. Laut LKA wurde sie am Dienstag mit einem Hubschrauber nach Bremen geflogen und von dort aus weiter zum Amtsgericht Verden gebracht. Ein Haftrichter habe die Haftbefehle gegen die 65-Jährige erlassen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Verden wurde außerdem ein Durchsuchungsbefehl für die Wohnung erteilt. 

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht in der Festnahme der ehemaligen RAF-Terroristin auch ein wichtiges Signal an die Opfer der Taten der Roten Armee Fraktion. «Dieser Fahndungserfolg ist das Verdienst jahrzehntelanger unermüdlicher Ermittlungsarbeit. Der Rechtsstaat hat seine Beharrlichkeit und seinen langen Atem gezeigt. Niemand sollte sich im Untergrund sicher fühlen», wurde Faeser in einer Mitteilung ihres Ministeriums zitiert.

«Die Festnahme zeigt, dass sich der lange Atem der Ermittlungsbehörden auszahlt», sagte auch Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos). «Es war entscheidend, den Verfolgungsdruck aufrechtzuerhalten, um die Bevölkerung vor weiteren schweren Taten zu schützen.» 

Nachbar: oberflächlicher Kontakt 

Die frühere RAF-Terroristin soll nach Angaben eines Nachbarn unter dem Vornamen Claudia gelebt haben. Um Geld zu verdienen, soll sie privaten Nachhilfeunterricht in Mathematik gegeben haben, erzählte der Nachbar mittleren Alters am Dienstag vor dem unscheinbaren Mehrfamilienhaus. Sie soll dort im 5. Stock rund 20 Jahre gewohnt haben, ist zu hören. Er habe sich öfter mit Klette, die einen anderen Nachnamen nutzte, unterhalten. Zu Weihnachten habe er Kekse von ihr geschenkt bekommen. Klette habe aber nur eher oberflächliche Kontakte zur Nachbarschaft gepflegt. 

«Sie hat immer Hallo gesagt und war eigentlich ganz nett», berichtete eine Jugendliche aus der Nachbarschaft am Dienstag. «Ich habe sie immer nur alleine gesehen mit ihrem Hund und ihrem Fahrrad.» Vor dem großen Hund der 65-Jährigen habe sie etwas Angst gehabt. Sie selbst sehe ganz freundlich aus, trage die grauen Haare zum Zopf gebunden. Klette sei nie in Begleitung gewesen, schildern mehrere Anwohner. 

RAF-Experte Butz Peters hofft auf weitreichende Aufklärung 

Klette steht nach dpa-Informationen im Verdacht, an einem Schusswaffen-Angriff auf die US-Botschaft in Bonn 1991 beteiligt gewesen zu sein. Vermutet wird außerdem eine Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag auf die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt 1993. Spuren deuten darauf hin, dass sie auch bei der Anti-Terror-Aktion 1993 im mecklenburgischen Bad Kleinen am Tatort war. Bei der Aktion starben damals der Polizist Michael Newrzella und der RAF-Mann Wolfgang Grams. Die frühere RAF-Terroristin Birgit Hogefeld wurde verhaftet.

Der RAF-Experte Butz Peters hofft nach der Festnahme von Klette auf eine weitreichende Aufklärung der Taten der dritten Generation der RAF. «Jetzt besteht die Chance, Licht ins Dunkel der Taten der dritten RAF-Generation zu bringen», sagte Peters dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Er rechne damit, dass die Ermittler der 65-Jährigen nun «die Kronzeugenregelung schmackhaft machen, sagte Peters, der als Anwalt arbeitet und mehrere Bücher über die RAF geschrieben hat. «Dann muss sie sich entscheiden.»

Raubüberfälle statt politisch motivierter Taten

Vertreter der dritten Generation der RAF sollen den damaligen Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, und den Treuhand-Chef, Detlev Karsten Rohwedder, umgebracht haben. Täter und Motiv sind bis heute jedoch unbekannt. Rohwedder war am 1. April 1991 in Düsseldorf in seinem Haus am Schreibtisch erschossen worden. Das RAF-Kommando reklamierte die Tat für sich. Rohwedder wurde aus einer Kleingartenlage und mehr als 60 Metern Entfernung ins Visier genommen. Es war der letzte Mordanschlag, der der RAF zugeordnet wird.

Die Behörden werfen Garweg, Staub und Klette versuchten Mord und eine Serie schwerer Raubüberfälle zwischen 1999 und 2016 vor. Die Tatorte lagen demnach in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Überfälle nicht politisch motiviert waren. Die Beschuldigten sollen die Taten begangen haben, um an Geld zu gelangen.

Viele Hinweise nach Fahndungsaufruf in «Aktenzeichen XY... ungelöst»

Zuletzt hat die Staatsanwaltschaft Verden am 14. Februar Hinweise zu früheren RAF-Terroristen in der ZDF-Sendung «Aktenzeichen XY... ungelöst» erbeten. Nach Angaben ihres Moderators Rudi Cerne war die Resonanz groß. Es habe mehr als 250 Hinweise gegeben, hieß es am Dienstag vom LKA Niedersachsen. In der Sendung war die Fahndung immer wieder thematisiert worden. Die Festnahme von Klette ging allerdings nicht auf den Fahndungsaufruf in der Sendung zurück.

Nach dem jüngsten Aufruf gab es zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung. In Wuppertal wurde am 18. Februar der Hauptbahnhof weiträumig abgesperrt und schwer bewaffnete Spezialkräfte der Polizei holten einen Mann aus einem Zug, weil ein Augenzeuge ihn für einen gesuchten Ex-RAF-Terroristen gehalten hatte. Der Verdacht, es handele sich um Ernst-Volker Staub, bestätigte sich aber nicht.

@ dpa.de