Tag X, Sachsen

Nach ersten Krawallen wappnet sich die Polizei in Leipzig für weiteren Zulauf der linksradikalen Szene.

03.06.2023 - 12:13:46

Verbotene «Tag X»-Demo: Polizei erwartet Zustrom Tausender. Die Demonstration «Tag X» war von der Stadt verboten worden. Nun wird an Zufahrtsstraßen kontrolliert.

Trotz Verbots der «Tag X»-Demo der linksradikalen Szene stellt sich die Polizei in Leipzig auf den Zulauf Tausender Menschen ein. Gerechnet werde weiter mit einer Zahl im mittleren vierstelligen Bereich, sagte eine Polizeisprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Deswegen seien Kontrollstellen an Zufahrtswegen eingerichtet worden. Bis zum Mittag sei dort aber noch kein größerer Zulauf beobachtet worden.

In linken Kreisen war bundesweit für die Solidaritäts-Demonstration am Samstag mobilisiert worden. Anlass ist das Urteil gegen die Studentin Lina E. und drei Mitangeklagte wegen Überfällen auf vermeintliche oder tatsächliche Neonazis. Die 28-Jährige war am Mittwoch vom Oberlandesgericht Dresden wegen linker Gewalttaten zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Die Stadt hatte die Demo unter dem Motto «United we stand - Trotz alledem, autonomen Antifaschismus verteidigen!» verboten. Grund waren Gewaltandrohungen in sozialen Netzwerken, die Gefahrenprognose der Polizei und Einschätzungen des Verfassungsschutzes. Beschwerden dagegen hatten vor dem Verwaltungs- und dem Oberverwaltungsgericht keinen Erfolg.

Zwar gehe mit dem Verbot ein schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit einher, heißt es in einer Mitteilung des Oberverwaltungsgerichts. Er sei aber zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter zulässig. Die Stadt habe «einen zu erwartenden gewalttätigen Verlauf der Versammlung und damit eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit» plausibel prognostiziert. So sei sehr wahrscheinlich, dass Teilnehmer Gewalt gegen Personen oder Sachen planten oder ein solches Verhalten anderer zumindest billigten.

Hoher Schaden bei Krawallen in der Nacht

Schon am Freitagabend hatten Vermummte Polizisten angegriffen. Nach dem zunächst friedlichen Verlauf einer Versammlung am Wiedebachplatz im Stadtteil Connewitz flogen aus einer Menge von bis zu 700 Vermummten heraus Steine und Pyrotechnik. Sowohl dort als auch in Nebenstraßen brannten Barrikaden aus Mülltonnen und Baustellenabsperrungen. Die Polizei setzte Tränengas ein und wurde nach eigenen Angaben von Hausdächern «mit Gegenständen beworfen». Die meisten brennenden Barrikaden waren kurz nach Mitternacht gelöscht, teils mit der Hilfe von Wasserwerfern.

Bei den Krawallen ist erheblicher Schaden entstanden. So wurden 17 Einsatzfahrzeuge beschädigt und weitere Fahrzeuge von Unbeteiligten in Brand gesetzt. Auch an einer Bankfiliale sei Schaden «in hoher fünfstelliger Summe» verursacht worden, wie die Polizei mitteilte. Außerdem wurden 23 Polizisten und ein Journalist verletzt. Ermittelt wird unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs. Den Angaben zufolge wurden fünf Tatverdächtige festgenommen, drei Menschen kamen in Gewahrsam.

Am frühen Samstagnachmittag haben mehrere Fahrzeuge und Mülltonnen gebrannt. Eine Sprecherin der Polizei sprach von einer einstelligen Zahl an Bränden vor allem im Süden und Südwesten der Stadt.

Eileintrag in Karlsruhe erfolglos

Die Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen das Verbot der Demo ist gescheitert. Der Eilantrag mit einer Verfassungsbeschwerde sei mit Beschluss vom Samstag nicht zur Entscheidung angenommen worden und damit für das Gericht gegenstandslos, teilte ein Sprecher in Karlsruhe mit.

Damit bleiben die Beschlüsse des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichts Leipzig vom Freitag bestehen, denen zufolge das Verbot rechtmäßig ist. Der Eilantrag gegen das Demo-Verbot war am Samstagvormittag in Karlsruhe eingegangen.

Die Leipziger Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke) kritisierte Versammlungsverbote in der Stadt scharf. Sie seien «rechtlich und politisch höchst zweifelhaft», schrieb sie auf Twitter. Zudem sprach sie von «Schikanen der Polizei», die die Stimmung aufheizten. «Das führt zum Gegenteil dessen, was sich viele wünschen: Einen friedlichen Verlauf des Tages. Ich hoffe trotzdem darauf.»

Tweet Nagel

@ dpa.de