Scholz, Taurus-Lieferung

Monatelang hat sich der Kanzler aus der Debatte über eine Lieferung der Taurus-Raketen an die Ukraine herausgehalten.

26.02.2024 - 17:16:54

Scholz erteilt Taurus-Lieferung für Ukraine klare Absage. Jetzt bricht er sein Schweigen - und bringt die Koalitionspartner gegen sich auf.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine eine klare Absage erteilt und dies mit dem Risiko einer Verwicklung Deutschlands in den Krieg begründet. «Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein. Auch nicht in Deutschland», sagte Scholz am Montag bei der dpa-Chefredaktionskonferenz. Aus seiner Sicht wäre der Einsatz von Taurus aber nur unter Beteiligung des eigenen deutschen Personals möglich. Deshalb stehe dies derzeit nicht auf der Tagesordnung. 

«Diese Klarheit ist auch erforderlich», betonte Scholz rund zwei Jahre nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. «Ich wundere mich, dass es einige gar nicht bewegt, dass sie nicht einmal darüber nachdenken, ob es gewissermaßen zu einer Kriegsbeteiligung kommen kann durch das, was wir tun.»

Röttgen nennt Begründung des Kanzlers «infam» 

Widerspruch erntete der Kanzler umgehend aus den Reihen der eigenen Koalition. Die Vize-Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Agnieszka Brugger, schrieb auf X: «Niemand, der Taurus fordert, will, dass Deutschland zur Kriegspartei wird. Diesen Vorwurf weise ich zurück. Nach allem, was ich weiß, stimmt dieser Zusammenhang auch faktisch nicht.» Die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann schrieb auf X, Scholz führe gegen die Lieferung von Taurus ein längst widerlegtes Argument an. 

Auch aus der Union kam Kritik: CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen schrieb auf X: «Die Behauptung, mit der Lieferung von Taurus würde Deutschland zur Kriegspartei, ist rechtlich schlicht falsch und politisch infam.» Taurus sei keine Wunderwaffe. «Aber er ist strategisch von Bedeutung, weil er den Ukrainern erlaubt, Stellungen in den besetzten Gebieten zu zerstören, ohne selbst nah an die Frontlinie heranzurücken. Taurus würde so Soldaten und Zivilisten schützen!»

Kreml in Taurus-Reichweite von Ukraine aus 

Taurus ist eine Präzisionswaffe, die Ziele in 500 Kilometern Entfernung treffen kann. In diesem Radius liegt von der russisch-ukrainischen Grenze aus zum Beispiel der Kreml in Moskau. Die ukrainische Regierung hat bereits im Mai vergangenen Jahres um die Lieferung der Marschflugkörper gebeten, um die russischen Nachschublinien weit hinter der Front treffen zu können. Auch die Union fordert die Freigabe, die Koalitionspartner des Kanzlers, Grüne und FDP, sind ebenfalls größtenteils dafür. Ein Bundestagsbeschluss, in dem die Lieferung von Taurus ausdrücklich gefordert wird, scheiterte aber in der vergangenen Woche. 

Scholz hatte bereits im Oktober entschieden, die Taurus-Raketen vorerst nicht in die Ukraine zu schicken, es aber öffentlich nie im Detail begründet. Hinter seiner Skepsis steckt die Befürchtung, dass russisches Territorium getroffen und Deutschland damit in den Krieg hineingezogen werden könnte. Franzosen und Briten versuchen das zu verhindern, indem sie ihre an die Ukraine gelieferten Marschflugkörper der Typen Scalp und Storm Shadow selbst programmieren. Es gibt Spekulationen, dass zumindest Großbritannien dafür Personal in der Ukraine stationiert hat. Offiziell bestätigt wurde das nie.  

Scholz will keine deutsche Beteiligung an Steuerung von Taurus 

«Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden», betonte Scholz nun. «Das weiß auch jeder, der sich mit diesem System auseinandergesetzt hat.» Für den Kanzler kommt eine Beteiligung deutscher Soldaten an der Steuerung der Taurus Raketen nicht infrage, egal ob sie diese von der Ukraine oder von Deutschland aus vornehmen. «Das, was andere Länder machen, die andere Traditionen und andere Verfassungsinstitutionen haben, ist etwas, was wir jedenfalls in gleicher Weise nicht tun können.»  

Er sei «sehr irritiert» über die «fehlende Balance» zwischen dem, was jetzt wirklich erforderlich sei, und der Debatte über dieses eine System, sagte Scholz weiter. «Was der Ukraine fehlt, ist Munition in allen möglichen Längen und Distanzen, aber nicht entscheidend diese Sache aus Deutschland», sagte er auf Nachfragen zum Thema Taurus. Deutschland habe große Anstrengungen unternommen, um Lieferungen von Munition zu erweitern. «Da sind wir, als Europa insgesamt und die Weltgemeinschaft insgesamt, noch nicht bei der Größenordnung, die dringend erforderlich wäre.» 

Scholz will «Krieg zwischen Russland und der Nato» verhindern

Scholz erklärte, es gebe einen Grundsatz, den er von Anfang an gesagt habe - und der nicht oft genug wiederholt werden könne: «Wir werden verhindern, dass es zu einer Eskalation des Krieges, den Russland gegen die Ukraine begonnen hat, zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato kommt. Es ist ganz klar, dass es keine deutschen Soldaten auf ukrainischem Grund geben wird. Und dafür stehe ich auch, dass das so ist: dass es keine Verwicklung unseres Landes und der militärischen Strukturen unseres Landes in diesen Krieg gibt.» Das sei eine Verantwortung, die die Regierung und er als Kanzler vor den Bürgern hätten.  

Der «Sprech», es werde gezögert, sei ein Teil des Problems in Deutschland, so Scholz. «Ganz viele Menschen schauen abends Fernsehen und hoffen, dass der Kanzler die Nerven behält», meinte Scholz. Es gebe Menschen, die diskutierten darüber, was man als nächstes liefern könne. Es gebe aber keine Debatte über eine gegenteilige Meinung. «Das ist ein Problem», meinte Scholz. Ein Drittel der Bürgerinnen und Bürgerinnen sei skeptisch, ob Deutschland nicht zu viel mache. Nach Scholz' Auffassung würde es helfen, wenn dies «irgendwann mal Gegenstand einer Debatte wäre».

Das bräuchte man auch, um die Unterstützung aufrechterhalten zu können, wenn der Krieg noch lange dauere. «Wir müssen ja lange durchhalten. Das geht in der Demokratie und in einem Land, das sich der Freiheit verpflichtet fühlt, immer nur, wenn die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger auch überzeugt ist, dass das richtig ist.»

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