Linke, Bundesparteitag

Jahrelang herrschte bei der Linken interner Zwist in der Endlosschleife.

17.11.2023 - 05:11:22

Die Linke trifft sich zum Bundesparteitag. Nun ist die Parteispitze zumindest ihre Gegenspielerin Sahra Wagenknecht los - und will sich auf «schöne Sachen» besinnen.

Mehr Profil, weniger Streit: Nach dem Bruch mit dem Parteiflügel um Sahra Wagenknecht sucht die Linke bei einem Parteitag in Augsburg einen Ausweg aus ihrer tiefen Krise. Eigentliches Thema des Treffens bis Sonntag ist die Europawahl im Juni. Parteichef Martin Schirdewan und die Flüchtlings- und Klimaaktivistin Carola Rackete sollen die Kandidatenliste anführen. Noch wichtiger ist der Parteispitze die Botschaft, dass die Linke überhaupt eine Zukunft hat.

Der Linkspartei-Vorsitzende Martin Schirdewan sieht den Bruch mit dem Flügel um Sahra Wagenknecht als Chance für eine Weiterentwicklung. «Ich hab den Eindruck, dass (...) jetzt, wo auch parteiinterne Konflikte final geklärt sind, es sich wirklich wieder lohnt, (...) gemeinsam für linke Politik in diesem Land zu streiten», sagte Schirdewan beim Deutschlandfunk.

«Wir möchten, dass von diesem Parteitag Signale der Erneuerung ausgehen», gab die Co-Vorsitzende Janine Wissler vor einigen Tagen als Losung aus. Schirdewan sagte der «Augsburger Allgemeinen», die krisenhafte Phase sei für ihn «vergossene Milch». «Das Kapitel für uns beendet. Wir schlagen jetzt ein neues auf.» Schirdewan hatte bereits zuvor erklärt, für den Parteitag habe man «da ein paar schöne Sachen vorbereitet». Dazu gehört auch ein gestaltetes Logo.

Neue Mitglieder

In Augsburg sollen zudem neue Mitglieder präsentiert werden. «Wir werden auf dem Parteitag weitere namhafte neue Mitglieder begrüßen können», sagte Schirdewan der «Augsburger Allgemeinen». Die Linke macht sich damit Mut, dass in den vergangenen Wochen Hunderte Menschen eingetreten sind.

«Im Moment haben wir ungefähr doppelt so viele Eintritte wie Austritte», betonte Schirdewan. In den «Stuttgarter Nachrichten» und in der «Stuttgarter Zeitung» rief er zum Eintritt in die Linke auf. «Kommt wieder zu uns, macht mit uns gemeinsam Politik für soziale Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden. Die Partei freut sich darauf, mit neuer Kraft und vielen neuen Mitgliedern wieder in die Offensive zu kommen.»

Weniger politische Schlagkraft

Die frühere Fraktionschefin Wagenknecht und neun weitere Bundestagsabgeordnete hatten am 23. Oktober ihren Austritt erklärt und die Gründung einer Konkurrenzpartei namens «Bündnis Sahra Wagenknecht» für Januar angekündigt. Deshalb verliert die Bundestagsfraktion ihre Mindestgröße und wird zum 6. Dezember aufgelöst. Als Gruppe im Bundestag dürften die verbliebenen 28 Linken-Abgeordneten weniger politische Schlagkraft haben.

Schon bei der Bundestagswahl 2021 zog die Linke nur dank einer Sonderregelung mit dem Gewinn von drei Direktmandaten in Fraktionsgröße ins Parlament ein. Seither scheiterte die Partei bei mehreren Landtagswahlen. Bundesweite Umfragewerte schwanken seit Monaten zwischen 4 und 5 Prozent. Dagegen erreicht die noch gar nicht gegründete Wagenknecht-Partei bei der Frage nach künftigen Wahlabsichten 12 bis 14 Prozent - auch wenn diese Werte noch nicht sehr aussagekräftig sind.

Werben um Enttäuschte bei Grünen und SPD

Die Linke steht damit vor der schwierigen Aufgabe, sich irgendwie im Parteienspektrum zu behaupten. Immerhin hatte sie Ende 2022 noch gut 54.000 Mitglieder. Nach dem Bruch mit Wagenknecht, die bei den Themen Migration, Klimaschutz und Ukraine-Krieg schon lange nicht mehr die Mehrheitsmeinung der Linken vertrat, sieht die Parteispitze nun auch inhaltlich mehr Spielraum. Sie wirbt mit einem Kurs für strikten Klimaschutz und großzügige Asylpolitik um Aktivisten linker Bewegungen und enttäuschte Anhänger von Grünen und SPD.

Als Symbol dafür steht die geplante Nominierung der Aktivistin Rackete, die neben Schirdewan Europa-Spitzenkandidatin werden soll, aber selbst nicht in der Partei ist. Die Kapitänin war als Seenotretterin im Mittelmeer bekannt geworden. Auch der «Arzt der Armen» Gerhard Trabert, einst Präsidentschaftskandidat der Linken, will für die Partei ins Europaparlament.

Wissler: «Eine klare Strategie»

«Wir haben eine klare Strategie: Wir wollen ein soziales, demokratisches und friedliches Europa», sagte Wissler diese Woche. «Die Umverteilung von Eigentum und Reichtum ist Markenkern und Alleinstellungsmerkmal der Linken.» Und an die Adresse Wagenknechts sagte Wissler ebenfalls vor einigen Tagen: «Wir sind die einzige relevante linke Partei in Deutschland.»

Kurz nach Eröffnung des Parteitags in Augsburg spricht am Nachmittag Schirdewan. Es folgt eine auf mehrere Stunden angesetzte Generaldebatte. Das Treffen dauert bis Sonntag.

@ dpa.de