Ampel-Koalition, Taurus-Debatte

Ist das Machtwort des Kanzlers Absage an Taurus-Lieferungen schon verpufft? Die Uneinigkeit in der Ampel vor der Abstimmung am Donnerstag scheint eher noch zu wachsen.

11.03.2024 - 14:41:09

Ampel-Koalition uneinig in der Taurus-Debatte

In der Debatte um eine Lieferung von Marschflugkörpern in die Ukraine werden die Meinungsverschiedenheiten in der Ampel-Koalition deutlicher. Nachdem Außenministerin Annalena Baerbock einen sogenannten Ringtausch, bei dem Deutschland Taurus-Marschflugkörper an Großbritannien abgeben könnte und London dafür weitere Flugkörper vom Typ Storm Shadow an die Ukraine abgibt, als «Option» bezeichnet hat, lehnte SPD-Chef Lars Klingbeil dies ab.

Er verteidigte im ARD-«Morgenmagazin» auch das Nein von Bundeskanzler Olaf Scholz zu Taurus-Lieferungen an die Ukraine und forderte, die europäischen Partner sollten sich darauf konzentrieren, endlich mehr Munition zu produzieren und zu liefern. Klingbeil sagte: «Das ist das, worauf sich alle konzentrieren sollten und keine anderen Debatten.»

Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte zur Frage des Ringtauschs lediglich: «Es gibt keinen neuen Stand.» Scholz habe zum Taurus eine Entscheidung getroffen. Der Kanzler lehnt die Lieferung der deutschen Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern an die Ukraine ab, weil er befürchtet, dass Deutschland durch deren Einsatz letztlich in den Krieg hineingezogen werden könnte. In der vergangenen Woche sagte er zu seiner Ablehnung: «Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das.»

Baerbock offen für Ringtausch

Die Union will mit der Regierungsseite auch über die Argumente reden, die einer Taurus-Lieferung entgegenstehen. Baerbock hatte sich am Vorabend in der ARD-Sendung «Caren Miosga» offen für den Vorschlag ihres britischen Kollegen David Cameron gezeigt, der Ukraine über einen Ringtausch neue Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen. «Das wäre eine Option», sagte die Grünen-Politikerin. Sie ließ zugleich erkennen, dass sie auch Taurus-Lieferungen an die Ukraine befürworten würde.

Scholz lehnt die Lieferung der deutschen Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern an die Ukraine ab, weil er befürchtet, dass Deutschland durch deren Einsatz letztlich in den Krieg hineingezogen werden könnte. In der vergangenen Woche sagte er zu seiner Ablehnung: «Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das.»

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verwies auf das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine. «Wir müssen uns daran erinnern, was hier passiert: Das ist ein Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, und die Ukraine hat das in der Charta der Vereinten Nationen verankerte Recht auf Selbstverteidigung», sagte Stoltenberg am Rande einer Zeremonie zur Aufnahme Schwedens in die Nato. Dazu gehöre, dass die Nato-Staaten das Recht hätten, die Ukraine bei der Wahrung ihres Rechts auf Selbstverteidigung zu helfen.

Merz sieht Ringtausch skeptisch

CDU-Chef Friedrich Merz steht der Option eines Taurus-Ringtauschs für die Ukraine skeptisch, aber grundsätzlich offen gegenüber. «Das mag die zweitbeste Lösung sein, um das Ziel zu erreichen - besonders ehrenhaft ist das nicht», sagte Merz nach einer Sitzung der Präsidien von CDU und CSU in Berlin aber. Auf ihn wirke die Option eines Ringtausches «ein bisschen» wie die Aussage, «Wasch' mir den Pelz, aber mach mich nicht nass».

CDU-Außenexperte Norbert Röttgen und Grünen-Politiker Anton Hofreiter kritisierten Scholz gemeinsam heftig. In einem Gastbeitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» warfen sie dem SPD-Politiker «katastrophalen Defätismus» sowie «dramatisch schlechte Kommunikation» vor. Mit Blick auf Scholz' Argumente gegen eine Taurus-Lieferung kritisierten sie, der Kanzler verbreite in der Bevölkerung Angst und Schrecken. Wenn Scholz behaupte, Taurus-Lieferungen machten Deutschland zur Kriegspartei, sei «faktisch und rechtlich falsch». Zudem brüskiere dies Frankreich und Großbritannien, die bereits lieferten.

Die Union will am Donnerstag im Bundestag erneut einen Antrag zur Abstimmung stellen, der Ukraine das Taurus-System zu liefern. Es gibt Anzeichen dafür, dass der Unions-Antrag auch von einzelnen Abgeordneten der FDP und Grünen unterstützt werden könnte. Strack-Zimmermann ließ Distanz zu dem Vorgehen der Union erkennen. Der Bundestag könne zwar jede Woche abstimmen, sagte sie. Man müsse aber aufpassen, dass das für die Ukraine wichtige Thema «nicht zur Posse verkommt».

Dürr: Antrag der Union ist «reine Symbolpolitik»

FDP-Fraktionschef Christian Dürr erinnerte die liberalen Bundestagsabgeordneten in diesem Zusammenhang an einen Grundsatz aus dem Koalitionsvertrag der Ampel. «Es gibt keine wechselnden Mehrheiten innerhalb einer Koalition», sagte er dem Nachrichtenportal «t-online». Den Unions-Antrag bezeichnete er als «reine Symbolpolitik», denn über Waffenlieferungen entscheide die Bundesregierung, nicht das Parlament. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es zum Thema Abstimmungsverhalten: «Im Deutschen Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.»

Der Co-Vorsitzende der Grünen Omid Nouripour betrachtet einen Ringtausch mit dem Marschflugkörper Taurus als eine Möglichkeit zur weiteren Unterstützung der Ukraine. Dies könne «eine Option sein, wie wir den Knoten durchschlagen können», sagte er. Diese Möglichkeit müsse nun dringend geprüft werden, sagte Nouripour.

Eine Erwägung für die Bundesregierung bei Entscheidungen über die Unterstützung der Ukraine sei eine mögliche Eskalation des Konflikts. «Und diese Sorgen muss man auch sehr, sehr ernst nehmen», erklärte Nouripour. Aber: «Wir Grüne glauben, dass die Ukraine gerade in der jetzigen Situation Waffensysteme braucht, die das gesamte Staatsgebiet erreichen, also auch Marschflugkörper.» Es gebe in dieser Angelegenheit aber keine Einigkeit innerhalb der Bundesregierung. «Und deshalb gilt es nun zu schauen, wie wir mit anderen Mitteln helfen können.» 

@ dpa.de