Fachkräftemangel, Fachkräfteeinwanderungsgesetz

In seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause läuft der Bundesrat zu Hochform auf.

07.07.2023 - 16:46:59

Bundesrat billigt Fülle von Gesetzen. Unter den vielen gebilligten Gesetzen fehlt das Gebäudeenergiegesetz. Doch das kommt indirekt trotzdem zur Sprache.

Volles Programm vor Beginn der Sommerpause: Der Bundesrat hat am Freitag 17 aus dem Bundestag gekommene Gesetze gebilligt. Nach der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten können nun zum Beispiel die neuen Regeln für die Fachkräfteinwanderung, zum Vermeiden von Engpässen bei wichtigen Medikamenten oder für Ersatzfreiheitsstrafen in Kraft treten. Die Beschlüsse im Einzelnen:

Fachkräfteinwanderung

Niedrigere Einwanderungshürden sollen Deutschland künftig attraktiver für dringend gesuchte ausländische Fachkräfte machen. Das Gesetz sieht unter anderem die Einführung einer sogenannten Chancenkarte vor. Je nach Sprachkenntnissen, Berufserfahrung, Alter und Deutschland-Bezug können arbeitswillige Ausländer Punkte bekommen, die sie zum Erhalt dieser Karte berechtigen. Sie dient für ein Jahr als Aufenthaltserlaubnis. Wer sie hat, kann in Deutschland auf Arbeitssuche gehen. Kanada macht das seit Jahren ähnlich. Besonders dringend gesuchte IT-Fachkräfte sollen auch ohne Hochschulabschluss kommen dürfen, sofern sie bestimmte Qualifikationen nachweisen.

Förderung der Aus- und Weiterbildung

Ebenfalls auf eine Verringerung des Fachkräftemangels zielen verbesserte Regelungen zur Aus- und Weiterbildungsförderung ab. So sollen zum Beispiel junge Menschen mit der Übernahme von Unterkunfts- und Fahrtkosten ermutigt werden, auch weiter entfernte Praktikums- und Ausbildungsplätze anzunehmen. Betriebe und Beschäftigte sollen vor dem Hintergrund des Strukturwandels in der Arbeitswelt bei Weiterbildungsmaßnahmen stärker unterstützt werden. Geplant ist unter anderem ein sogenanntes Qualifizierungsgeld als Lohnersatz. Damit soll es möglich werden, Beschäftigte in Branchen mit Strukturwandel freizustellen, damit sie eine Weiterbildung für neue Aufgaben im Betrieb absolvieren und gleichzeitig ihre Stelle behalten können.

Maßnahmen gegen Arzneimittel-Engpässe

Für alle Medikamente mit Rabattverträgen der Krankenkassen müssen Hersteller künftig einen Vorrat anlegen - in der Größe einer durchschnittlichen Liefermenge für sechs Monate. Für Medikamente für Kinder soll es keine Rabattverträge zugunsten der Kassen als Großabnehmer mehr geben. Hersteller sollen ihre Abgabepreise auch einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrags anheben dürfen. Außerdem muss generell eine Liefermenge für vier Wochen beim Großhandel als Vorrat auf Lager gehalten werden. Apotheken wird bei nicht verfügbaren Präparaten ein Ausweichen auf wirkstoffgleiche Mittel erleichtert.

Krankschreibungen und andere Gesundheitsfragen

Nach dem Aus einer Corona-Sonderregelung werden Krankschreibungen per Telefon nun dauerhaft möglich. Voraussetzung ist, dass es sich um Erkrankungen ohne schwere Symptome handelt und dass der Patient bei dem Arzt oder der Ärztin schon bekannt ist. Für Notfallsanitäter wird rechtlich abgesichert, dass sie zum Beispiel bei schweren Unfällen schmerzlindernde Betäubungsmittel geben dürfen, auch wenn kein Arzt da ist.

Halbierte Ersatzfreiheitsstrafen

Wer eine Geldstrafe nicht zahlt, muss dafür nicht mehr so lange ins Gefängnis wie bisher. Die Dauer der sogenannten Ersatzfreiheitsstrafe wird halbiert. Bisher entsprach die Zahl der Tage, die der Betroffene für das Nichtbezahlen einer Geldstrafe hinter Gitter musste, den Tagessätzen, zu denen er verurteilt wurde. Künftig ist es nur noch die Hälfte der Tagessätze.

Aromaverbot für Tabakerhitzer

Im Kampf gegen gesundheitsschädliches Rauchen wird ein Verbot für Aromen mit Geschmack oder Geruch etwa von Früchten und Vanille auch auf Tabakerhitzer ausgeweitet. Bisher gilt schon ein Verbot für Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen, etwa für Menthol-Zigaretten. Das ausgedehnte Verbot soll Rauchen insgesamt unattraktiver machen und die Raucherquote besonders auch bei Jugendlichen senken.

Staatliches Tierhaltungslogo

Beim Fleischkauf im Supermarkt soll vom kommenden Jahr an auch ein staatliches Logo die Form der Tierhaltung anzeigen. Vorgesehen ist eine Pflichtkennzeichnung für inländische Erzeugnisse. Starten soll das Logo zunächst mit Schweinefleisch im Handel. Geplant ist ein System mit fünf Haltungskategorien während der Mast vom gesetzlichen Mindeststandard bis Bio. Die Ampel-Koalition will dieses später unter anderem auf Wurst und die Gastronomie ausweiten.

Sperrklausel für Europawahlen

Für kleine Parteien könnte es bei Europawahlen eng werden. Der Bundesrat nahm mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit ein Gesetz an, das die Zustimmung Deutschlands zu einem EU-Beschluss vorsieht, eine Sperrklausel von wenigstens zwei Prozent festzulegen. Für Bundestagswahlen gilt derzeit eine Fünf-Prozent-Hürde. Für Wahlen zum Europa-Parlament gibt es seit 2014 keine derartige Sperrklausel mehr. Das Bundesverfassungsgericht hatte damals unter Verweis auf die Chancengleichheit der Parteien die Drei-Prozent-Hürde im deutschen Europawahlgesetz gekippt.

LNG-Terminal auf Rügen

Durch eine Änderung des LNG-Beschleunigungsgesetzes wird darin der Hafen Mukran auf der Insel Rügen als Standort für ein Flüssiggas-Terminal aufgenommen. Das Land Mecklenburg-Vorpommern versuchte vergeblich, die Gesetzesänderung durch ein Anrufen des Vermittlungsausschusses aufzuhalten. Es erhielt dafür keine Mehrheit. Landesumweltminister Till Backhaus (SPD) nannte Rügen einen «äußerst sensiblen Raum» und forderte die Bundesregierung auf, plausibel darzulegen, dass dieses LNG-Terminal überhaupt erforderlich sei.

Gebäudeenergiegesetz

Eigentlich hätte der Bundesrat auch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) billigen sollen. Doch da dessen Verabschiedung unmittelbar davor im Bundestag durch das Bundesverfassungsgericht gestoppt worden war, kam es auch in der Länderkammer nicht auf die Tagesordnung. Wie das LNG-Beschleunigungsgesetz hätten die Länder auch das GEG mit Fristverkürzung beraten sollen. Dies veranlasste den im Wahlkampf stehenden hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein zu einer Attacke auf die Ampel-Koalition. Auf deren Bitten hin würden inzwischen 44 Prozent aller Gesetzesvorlagen in verkürzten Verfahren beraten, kritisierte der CDU-Politiker. Er warnte: «Einer Flut von Fristverkürzungen zuzustimmen, das schadet ausdrücklich dem Bundesrat. Es verzwergt die Rolle der Länder.»

@ dpa.de