Taurus-Lieferung, Hofreiter

Es ist ein bemerkenswerter Schulterschluss: Kurz vor einer weiteren Abstimmung über Taurus-Lieferungen an die Ukraine gibt es neue Kritik am Kanzler - von einem ungewöhnlichen Duo.

11.03.2024 - 09:18:40

Taurus-Lieferung: Hofreiter und Röttgen attackieren Scholz

In der Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine haben CDU-Außenexperte Norbert Röttgen und Grünen-Politiker Anton Hofreiter Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam heftig kritisiert. In einem Gastbeitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» warfen sie dem SPD-Politiker «katastrophalen Defätismus» sowie «dramatisch schlechte Kommunikation» vor. Mit Blick auf Scholz' Argumente gegen eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine kritisierten sie, der Kanzler verbreite in der Bevölkerung Angst und Schrecken.

Wenn Scholz behaupte, Taurus-Lieferungen machten Deutschland zur Kriegspartei, sei «faktisch und rechtlich falsch». Zudem brüskiere dies Frankreich und Großbritannien, die bereits lieferten. Der britische Außenminister David Cameron hatte Deutschland bei der Frage zuletzt Hilfe angeboten, etwa mit einem Ringtausch, der die Bedenken des Kanzlers zerstreuen könnte. «Wenn es dann immer noch nicht geht, zeigt sich, dass alle Gründe für die Nicht-Lieferung nur vorgeschoben sind», kritisieren Röttgen und Hofreiter.

Die Union will am Donnerstag im Bundestag erneut einen Antrag zur Abstimmung stellen, der Ukraine das Taurus-System zu liefern. Scholz lehnt die Lieferung der reichweitenstarken Raketen ab, weil er befürchtet, dass Deutschland damit in den Krieg hineingezogen werden könnte. Es gibt Anzeichen dafür, dass der Unions-Antrag auch von einzelnen Abgeordneten der FDP und Grünen unterstützt werden könnte.

«Es ist doch unser Europa»

«Seit zwei Jahren wird die Lieferung jeder neuen Waffengattung von mühsamsten Diskussionen, Scheinargumenten und Angstrhetorik begleitet», schreiben Hofreiter und Röttgen in der «FAZ». Schon bei den Leopard-2-Panzern sei die Botschaft an Russlands Präsidenten Wladimir Putin gewesen: «Ohne die USA geht es in Deutschland nicht.»

Deutschland hatte die Panzer der Ukraine zugesagt, nachdem die USA angekündigt hatten, selbst Abrams-Panzer liefern zu wollen - die Bundesregierung hatte einen Zusammenhang aber bestritten. Auf seiner jüngsten USA-Reise habe Scholz dann vermittelt: Wenn die USA als wichtigster Unterstützer ausfielen, dann sei die Ukraine verloren. «Es ist doch unser Europa. Wir müssen es verteidigen und wenn die USA ausfallen, ihre Hilfen notfalls kompensieren», mahnen Röttgen und Hofreiter.

Die Befürchtung liege nahe, dass der Krieg vor der Bundestagswahl 2025 zum Wahlkampfthema werden solle - mit der Botschaft ans Volk: «Unser Kanzler hat Euch aus dem Krieg herausgehalten.»

Klingbeil lehnt Debatte über Taurus-Ringtausch ab

SPD-Chef Lars Klingbeil hat das Nein von Scholz zur Lieferung des Marschflugkörpers Taurus an die Ukraine verteidigt und auch die Option eines Ringtausches verworfen. Die europäischen Partner sollten sich darauf konzentrieren, endlich mehr Munition zu produzieren und an die Ukraine zu liefern, sagte Klingbeil am Montag im ARD-«Morgenmagazin». «Das ist das, worauf sich alle konzentrieren sollten und keine anderen Debatten», sagte Klingbeil auf die Frage nach einem Ringtausch. 

Die Unionsfraktion im Bundestag sieht die Ringtausch-Idee skeptisch. Am besten wäre es, Großbritannien würde sein System an die Ukraine liefern und Deutschland Taurus, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Florian Hahn, im ARD-«Morgenmagazin». «Das wäre echte Unterstützung für die Ukraine und nicht ein völlig verkrampfter, zögerlicher Ringtausch, der dazu führt, dass die Ukraine nur die Hälfte bekommt, was möglich wäre», sagte der CSU-Politiker. Wenn andere behaupteten, Deutschland sei spitze bei der Lieferung von Waffen an die Ukraine, dann stimme das nur quantitativ, aber nicht relativ bezogen auf die Größe Deutschlands. «Wir können hier mehr tun», betonte Hahn. 

Union: Ampel-Abgeordnete müssen in Bundestag Farbe bekennen

Führende Politiker von CDU und CSU haben Abgeordnete der Ampel-Koalition aufgefordert, bei der Abstimmung über einen Unionsantrag zur Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine im Bundestag am Donnerstag Farbe zu bekennen. «Weite Teile der Koalition, vor allem bei Grünen und FDP, sind dafür. Und ich erwarte einfach, dass die diese Woche auch Farbe bekennen hier im Deutschen Bundestag», sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn am Montag beim Eintreffen zu einer gemeinsamen Sitzung der Präsidien von CDU und CSU zum Europawahlprogramm der Union in Berlin. «Die Ukraine hat keine Zeit mehr, diese ampelinternen Spielchen abzuwarten», fügte er hinzu.

Merz: Taurus-Ringtausch wäre nur zweitbeste Lösung

CDU-Chef Friedrich Merz steht der Option eines Taurus-Ringtauschs skeptisch, aber grundsätzlich offen gegenüber. «Das mag die zweitbeste Lösung sein, um das Ziel zu erreichen - besonders ehrenhaft ist das nicht», sagte Merz am Montag nach einer Sitzung der Präsidien von CDU und CSU in Berlin. 

Auf ihn wirke die Option eines Ringtausches «ein bisschen» wie die Aussage, «Wasch' mir den Pelz, aber mach mich nicht nass». Letztlich wäre das Vorgehen der Größe und der Verantwortung Deutschlands nicht angemessen. Zudem ändere das Vorgehen ja nichts an der Sache, außer dass es ein «pseudogutes Gewissen» erzeuge.

SPD-Europapolitikerin Barley kritisiert Debatte

Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, hat die Diskussion über die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine kritisiert. «Durch die innerdeutsche Debatte wird der Eindruck erweckt, Deutschland täte nicht genug», sagte Barley am Montag in Berlin. Deutschland sei bei Weitem das größte Unterstützerland in Europa für die Ukraine. «Deswegen finde ich diese Debatte auch so fehl am Platz.» 

@ dpa.de