Ampel-Koalition, Kindergrundsicherung

Eine Runde im Kanzleramt bringt die Einigung beim Streitthema Kindergrundsicherung.

28.08.2023 - 08:51:38

Ampel-Koalition einigt sich bei Kindergrundsicherung. Darauf dürfte vor allem auch Kanzler Scholz gedrungen haben, der mehr Geschlossenheit in der Koalition will.

  • Die Ampel-Koalition hat sich über die Eckpunkte der Kindergrundsicherung geeinigt. - Foto: Kay Nietfeld/dpa

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  • Beim Streitthema Kindergrundsicherung hat die Ampel-Koalition sich geeinigt. - Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa

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Die Ampel-Koalition hat sich über die Eckpunkte der Kindergrundsicherung geeinigt. - Foto: Kay Nietfeld/dpaBeim Streitthema Kindergrundsicherung hat die Ampel-Koalition sich geeinigt. - Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa

Kurz vor ihrer Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg hat sich die Ampel-Regierung beim Streitthema Kindergrundsicherung geeinigt. Aus Grünen-Kreisen hieß es: «Heute Nacht ist die Einigung bei der Kindergrundsicherung erfolgt. Bundesministerin Lisa Paus kann das als Erfolg für sich verbuchen, dass es ihr gelungen ist, die Weichen für das Projekt zu stellen.» Der Einigung gingen monatelange und verbissene Grundsatzdiskussionen vor allem zwischen den Grünen und der FDP in der Ampel von Kanzler Olaf Scholz (SPD) voraus.

Familienministerin Paus äußerte sich zufrieden über die Koalitionseinigung. Nach Jahrzehnten der Diskussion sei es diese Bundesregierung, die eine Antwort auf Kinderarmut in Deutschland gefunden habe, sagte die Grünen-Politikerin. Zum Teil seien es «wirklich sehr harte Verhandlungen» gewesen. «Aber es hat sich gelohnt.» Das Ergebnis sei die umfassendste Sozialreform seit vielen Jahren. «Bis zu 5,6 Millionen armutsbedrohte Familien und ihre Kinder bekommen dadurch die Leistungen schneller, einfacher und direkter.» Darunter seien Millionen, die vorher nicht wussten, dass sie ihnen zustehen.

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) bezeichnete die Pläne als «großen, bedeutsamen Schritt». Der Wirtschafts- und Klimaschutzminister sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: «Sie vollzieht einen Systemwechsel und wird vielen Kindern aus der Armutsfalle helfen. Das ist auch ökonomisch geboten. Das System wird einfacher, schneller und besser zugänglich, alle wichtigen Leistungen für Kinder werden gebündelt, es wird Leistungsverbesserungen geben.»

Grundlage für tatsächliche Verbesserung

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sönke Rix erwartet im Zuge der Einführung der Kindergrundsicherung finanzielle Verbesserungen für Familien. «Wichtig ist, dass verabredet worden ist, dass das Existenzminimum neu berechnet wird. Das ist eine Grundlage für eine tatsächliche Verbesserung», sagte Fraktionsvize Sönke Rix der Deutschen Presse-Agentur.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) müssten nun aber auch konkrete gesetzliche Schritte vorschlagen, die eine automatische Auszahlung auch tatsächlich möglich machten. «Wir werden im weiteren Verfahren vor allem darauf achten, dass keine neue Bürokratie entsteht und wirklich nur Verbesserungen und keine Verschlechterungen für Kinder entstehen», sagte Rix.

Lindner: Letzte große Sozialreform für Jahre

Lindner geht davon aus, dass der Bund nach der Kindergrundsicherung mehrere Jahre keine große Sozialreform mehr finanzieren kann. Die Kindergrundsicherung werde 2025 rund 400 Millionen Euro mehr kosten als bisher geplant. «Das erhöht den Handlungsbedarf, den wir im Haushalt 2025 haben werden, weiter», sagte der FDP-Politiker. «Weshalb ich die Prognose wage, dass es sich bei der Kindergrundsicherung mit Blick auf die nächsten Jahre um die letzte größere Sozialreform handelt, die noch in den Haushaltsrahmen des Bundes passt.»

Lindner betonte, die Kindergrundsicherung werde für viele Tausend Familien einen Unterschied machen. Es werde aber keine generellen Leistungsverbesserungen für Eltern geben, die nicht erwerbstätig seien. Der beste Weg, Armut zu überwinden, sei Arbeit. «Deshalb darf von einer Reform der sozialen Unterstützungsleistungen für Familien kein Anreiz ausgehen, nicht sich um Erwerbsarbeit, um Integration und Sprachkenntnisse zu bemühen», sagte Lindner.

Um Mitternacht zusammengerauft

Am Sonntagabend waren Scholz, Paus und Lindner zu Gesprächen im Kanzleramt zusammengekommen. Gegen Mitternacht wurde bekannt, dass man sich bei der Kindergrundsicherung zusammengerauft hat. Lindner hatte zuvor im ZDF-«Sommerinterview» gesagt, dass er mit einer schnellen Einigung auf Eckpunkte rechne. Danach würden Verbände und Länder beteiligt, und erst dann werde es einen fertigen Gesetzentwurf geben, der an den Bundestag gehe.

SPD-Chefin Saskia Esken nannte die Kindergrundsicherung einen «Meilenstein im Kampf gegen Kinderarmut in Deutschland». Für Familien mit geringem Einkommen sei die Einigung eine gute Nachricht, sagte Esken der «Rheinischen Post». «Jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut oder ist davon bedroht. Diesen Kindern mangelt es an vielem,
was für andere selbstverständlich ist», betonte Esken. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte am Montag im RBB-Sender Radioeins: «Es gibt sie jetzt, diese Einigung, und damit geht diese Koalition das empörende Thema von Kinder- und Jugendarmut in Deutschland endlich effektiv an.»

Im Koalitionsvertrag vereinbart

In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, eine Kindergrundsicherung einzuführen. Bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag sollen darin gebündelt werden. Durch mehr Übersichtlichkeit und mithilfe einer zentralen Plattform sollen auch viele Familien erreicht werden, die bisher wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden ihnen zustehende Gelder nicht abrufen. «Wir wollen mehr Kinder aus der Armut holen und setzen dabei insbesondere auch auf Digitalisierung», heißt es dazu im Koalitionsvertrag.

Zwischen Grünen und FDP hatte sich allerdings ein Dauerstreit darüber entwickelt, wie viel Geld der Staat nun für die Kindergrundsicherung ausgeben soll und ob Leistungen erhöht werden sollen oder nicht. Die zuständige Familienministerin Paus hatte zuerst 12 Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt, sie sprach später von bis zu 7 Milliarden Euro. Finanzminister Lindner nannte als «Merkposten» eine Summe von zunächst nur 2 Milliarden Euro. Auf welche Summe sich die Koalition in den Gesprächen nun geeinigt hat, war zunächst unklar.

@ dpa.de