Bürgerrat, Ampel

Die Gesetze beschließt das Parlament, und das soll auch so bleiben.

21.07.2023 - 17:28:09

Erster Bürgerrat zur Ernährung: Zusammensetzung steht fest. Nun ist aber ein neues beratendes Gremium mit Bürgerinnen und Bürgern startbereit, das der Volksvertretung Empfehlungen vorlegen soll.

Die Zusammensetzung des ersten Bürgerrats, der dem Bundestag Vorschläge zur Ernährungspolitik machen soll, steht fest. Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (SPD) ermittelte in einer «Bürgerlotterie» die 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Das Gremium soll am 29. September die Arbeit aufnehmen und das Thema «Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben» behandeln. Bis 29. Februar 2024 soll es ein «Bürgergutachten» mit Empfehlungen vorlegen. Der Bundestag hatte die Einsetzung des Rats im Mai mit den Stimmen der Ampel-Koalition und der Linken beschlossen.

Bas sagte in Berlin, mit Bürgerräten sollten neue Wege ausprobiert werden. Sie schafften Raum für Begegnungen unterschiedlicher Art, in dem jede und jeder persönliche Sichtweisen und Erfahrungen einbringen könne. «Diese Meinungsvielfalt bereichert die Demokratie und verschafft vor allen Dingen denen eine Stimme, die wir immer so als «stille Mehrheit» bezeichnen.» Bürgerräte ersetzten aber nicht die parlamentarische Auseinandersetzung. «Am Ende entscheiden und verantworten die Abgeordneten, welche Empfehlungen umgesetzt werden.»

«Ausgewogene Beteiligung» soll erreicht werden

SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag angekündigt, «neue Formen des Bürgerdialogs» wie Bürgerräte nutzen zu wollen, ohne das Prinzip der Repräsentation aufzugeben. Laut Einsetzungsbeschluss gehören dem Rat 160 Personen an, die per Zufallsprinzip aus allen Menschen über 16 Jahren mit Erstwohnsitz in Deutschland ausgewählt werden. Mit bestimmten Kriterien soll eine «ausgewogene Beteiligung» etwa nach Alter, Geschlecht, regionaler Herkunft, Ortsgröße und Bildungshintergrund erreicht werden. Abgebildet werden soll dabei auch der Anteil von Vegetariern und Veganern an der Bevölkerung.

Die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer lief nach Angaben des Bundestags über ein Stufenverfahren. Im Juni wurden knapp 20.000 ausgeloste Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme eingeladen. Es kamen 2200 Rückmeldungen mit dem Wunsch zum Mitmachen. Daraus ermittelte ein Algorithmus 1000 mögliche Zusammensetzungen eines Bürgerrates nach den vom Bundestag bestimmten Kriterien. Bas loste nun eine dieser Varianten des Bürgerrats mit 160 Teilnehmern aus - dafür zog sie die drei Ziffern für die Zusammensetzung des Rates Nummer 187.

26 Prozent Akademiker vertreten

Unter den Mitgliedern des ausgelosten Bürgerrats sind nach Angaben der Organisatoren unter anderem 2,5 Prozent Veganer und 10 Prozent Vegetarier. Beim Bildungsstand seien zunächst mehr als 70 Prozent mit Hochschulabschluss unter den Interessenten gewesen - im ausgelosten Rat sind Akademiker nun mit rund 26 Prozent vertreten.

Inhaltlich soll sich das Gremium damit auseinandersetzen, wo der Staat in der Ernährungspolitik aktiv werden soll und wo nicht. Themen sind etwa auch Kennzeichnungen zu Umweltverträglichkeit und Tierwohlstandards, der Steuer-Rahmen bei Lebensmitteln und Lebensmittelverschwendung. Geplant sind drei Wochenendtreffen und sechs digitale Sitzungen.

Von Union und AfD kam Kritik an dem neuen Gremium. Gitta Connemann (CDU) sagte in der ARD: «Es braucht kein Alibi-Parlament, das per Los zusammengewürfelt ist.» Götz Frömming (AfD) sagte, Deutschland habe längst Bürgerräte, nämlich die Parlamente in Bund und Ländern. «Wir fordern die Einführung von bundesweiten Volksentscheiden statt dieser pseudodemokratischen Demokratiesimulation.» Dagegen argumentierte Linke-Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte, Bürgerräte könnten ein Instrument sein, «um Interesse an der Politik und der Demokratie zu wecken und Partizipation zu ermöglichen». Es dürfe aber nicht sein, dass Empfehlungen dann im «Ampel-Streit» der Koalition untergingen.

@ dpa.de