Freie Wähler, CSU

Die Flugblatt-Affäre überlagert den bayerischen Landtagswahlkampf.

30.08.2023 - 04:18:25

Aiwanger soll Söder schriftlich Auskunft geben. Nun hat der Ministerpräsident den Ball erst einmal wieder zu seinem Vize Aiwanger gespielt. Bald aber muss Söder Farbe bekennen.

In der Affäre um ein altes antisemitisches Flugblatt hat das Warten auf weitere Aufklärung von Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger begonnen. Der Fragenkatalog, den Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit 25 Fragen angekündigt hatte, sei noch am Dienstag übermittelt worden, verlautete am Mittwoch aus Regierungskreisen. Eine Antwort werde «zeitnah» erwartet. Eine Frist nannte Söder nicht. Man hoffe aber auf eine «rasche und umfangreiche» Beantwortung - und Aiwanger habe auch Antworten «nach bestem Wissen und Gewissen» zugesagt. Erst danach will der CSU-Chef eine «abschließende Bewertung» vornehmen.

Aiwanger (52) hatte am Samstagabend schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten in den 1980er Jahren ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die «Süddeutsche Zeitung» berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien «ein oder wenige Exemplare» in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf gestand Aiwangers älterer Bruder ein, das Pamphlet geschrieben zu haben.

Das Flugblatt ist als Teil einer Schülerarbeit in der KZ-Gedenkstätte Dachau archiviert. Das bestätigte eine Sprecherin der Gedenkstätte. Die «Welt» hatte zuerst darüber berichtet. Die Zeitung hatte herausgefunden, dass das Flugblatt in der Schülerarbeit «Letzte Heimat Steinrain? Zur Geschichte des Judenfriedhofs bei Mallersdorf-Pfaffenberg» von Roman Serlitzky abgedruckt ist. Die Arbeit wurde demnach im Schuljahr 1988/89 verfasst und gewann den zweiten Preis beim Schülerwettbewerb «Deutsche Geschichte» des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Seitdem liege sie in der Dachauer KZ-Gedenkstätte, schreibt die «Welt». Die Sprecherin der Gedenkstätte erläuterte, das Flugblatt sei in der Schülerarbeit ohne Nennung eines Verfassers abgedruckt. «Das Flugblatt liegt nicht als einzelnes Exemplar, sondern ausschließlich im Rahmen der Schülerarbeit vor.»

Söder gegen vorschnelle Entlassung

Auch Aiwangers Aussagen gestern im Koalitionsausschuss reichten für eine abschließende Klärung aber «definitiv nicht aus», sagte Söder. Es dürften «keine Restzweifel» bleiben. Der Ministerpräsident machte aber auch deutlich, dass er mindestens vorerst an Aiwanger festhält: «Bis zur abschließenden Klärung, solange kein neuer Beweis vorliegt oder bisher Gesagtes komplett widerlegt werden kann, wäre eine Entlassung aus dem Amt eines Staatsministers ein Übermaß.»

Die Opposition wirft Söder Wegducken, eine Hängepartie und Hinhaltetaktik vor - und hat sechs Wochen vor der Landtagswahl ihrerseits den Druck auf die Regierung erhöht: Voraussichtlich kommende Woche soll es nun eine Sondersitzung im Landtag geben.

Landtagswahl steht an

In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Nach allen jüngsten Umfragen können CSU und Freie Wähler auch danach weiter regieren. Und Söder bekannte sich gestern noch einmal klar zur Fortsetzung der Koalition: «Die Zusammenarbeit mit den Freien Wählern als Ganzes hat sich bewährt, sie ist gut und wir wollen sie auch fortsetzen.» Es gebe auch keinen Anlass, daran etwas zu ändern. Koalitionen hingen «nicht an einer einzigen Person», sagte Söder aber auch. «Es geht mit oder ohne eine Person im Staatsamt ganz genauso.»

Gestern Abend sprach Aiwanger auf dem Steinbrünninger Herbstfest im Landkreis Berchtesgaden, ging aber nur zu Beginn seiner Rede kurz auf die Vorwürfe ein: «Natürlich sind wir momentan ziemlich unter öffentlichem Druck, unter Angriffen, die wehtun, wenn man mit Dingen konfrontiert wird, die wo über 35 Jahre zurückliegen. Aber ich glaube, wir müssen nach vorne schauen, wir müssen schauen, dass wir dieses Land weiter stabil regieren.»

@ dpa.de