Scholz, Demos

Die Berichte über ein Treffen von Rechtsradikalen in Potsdam treiben Tausende Demonstranten um.

17.01.2024 - 18:08:21

Scholz lobt Demos gegen rechts: «Wir Demokraten sind viele». Auch die Regierungsparteien beziehen nun immer entschiedener Stellung gegen rechts - und gegen die AfD.

  • Mit Plakaten und Sprechchören haben am Dienstagabend rund 1600 Menschen auf dem Marktplatz in Schwerin gegen die AfD und Rechtsextremismus demonstriert. - Foto: Ulrich Perrey/dpa

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  • Demonstration vor dem Roten Rathaus in Berlin. - Foto: Carsten Koall/dpa

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  • In Freiburg sind mehrere Tausend Menschen gegen rechts auf die Straße gegangen. - Foto: Valentin Gensch/dpa

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Mit Plakaten und Sprechchören haben am Dienstagabend rund 1600 Menschen auf dem Marktplatz in Schwerin gegen die AfD und Rechtsextremismus demonstriert. - Foto: Ulrich Perrey/dpaDemonstration vor dem Roten Rathaus in Berlin. - Foto: Carsten Koall/dpaIn Freiburg sind mehrere Tausend Menschen gegen rechts auf die Straße gegangen. - Foto: Valentin Gensch/dpa

Nach der Enthüllung über ein Treffen radikaler Rechter in Potsdam hat Vizekanzler Robert Habeck eindringlich vor der AfD gewarnt. «Es geht den Rechtsautoritären um einen Angriff auf das Wesen der Republik», sagte der Grünen-Politiker dem Magazin «Stern». «Wer die Demokratie zersetzen will, muss mit den Mitteln des Rechtsstaats zur Rechenschaft gezogen werden.» SPD-Chef Lars Klingbeil nannte AfD-Chefin Alice Weidel am Mittwoch bei ntv «eine Rechtsextreme». Bundeskanzler Olaf Scholz dankte den Zehntausenden, die seit Tagen vielerorts gegen rechts demonstrieren.

Sie gingen «gegen Rassismus, Hetze und für unsere freiheitliche Demokratie» auf die Straße, schrieb der SPD-Politiker auf X, früher Twitter. «Das macht Mut und zeigt: Wir Demokratinnen und Demokraten sind viele - viel mehr als diejenigen, die spalten wollen.»

Tausende demonstrieren in Freiburg und Berlin

Auch am Mittwochabend demonstrierten mehrere Tausend Menschen in Berlin und Freiburg gegen Rechtsextremismus. Die Organisatoren der Freiburger Demonstration berichteten von 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Ein Sprecher der Polizei ging von 6000 bis 7000 Leuten aus. Zu der Kundgebung aufgerufen hatte ein Bündnis lokaler Partei-Jugendorganisation.

In Berlin gingen der Polizei zufolge etwa 2000 Menschen auf die Straße. Sie versammelten sich mit Plakaten wie «Nazis raus» und Parolen gegen den AfD-Politiker Björn Höcke vor dem Roten Rathaus, dem Sitz des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner. Nach Angaben der Polizei verlief die Kundgebung ohne Zwischenfälle.

Werteunion bestätigt Teilnahme zweier Mitglieder

Das Medienhaus Correctiv hatte vorige Woche über ein bis dahin nicht bekanntes Treffen in Potsdam im November berichtet, an dem neben rechten Aktivisten auch Politiker der AfD und der CDU teilgenommen hatten. Der Verein Werteunion bestätigte nun erstmals offiziell, dass auch zwei seiner Mitglieder dabei waren.

«Die nunmehr bestätigte Teilnahme von Mitgliedern der Werteunion an dem rechtsextremen Treffen in Potsdam zeigt die Gefahr und die Erfolge rechtsextremer Strategien: Längst wirken auch Politikerinnen und Politiker aus der vermeintlichen Mitte des politischen Spektrums an der Vernetzung mit», erklärten die Grünen-Bundestagsabgeordneten Irene Mihalic und Konstantin von Notz.

Bei der Zusammenkunft hatte der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, nach eigenen Angaben über das Konzept der sogenannten Remigration gesprochen. Wenn Rechtsextremisten diesen Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang.

Der Bericht von Correctiv hatte sehr große Aufmerksamkeit erregt. Für Mittwochabend plant die Redaktion in Berlin eine szenische Lesung im Berliner Ensemble mit den Ergebnissen der Recherche und einigen neuen Details.

Verfassungsschutz: Gab schon vier Vernetzungstreffen

AfD-Chefin Weidel hatte sich nach dem ersten Bericht von ihrem Mitarbeiter Roland Hartwig getrennt, der beim Potsdamer Treffen war. Im übrigen bezeichnet die AfD die Veranstaltung aber als «privat» und kritisiert Correctiv. Ähnlich äußert sich die Werteunion über die Teilnahme ihrer beiden Mitglieder: Die beiden Frauen «hielten sich dort als eingeladene Privatgäste» auf, hieß es in einer Mitteilung.

Doch war das Treffen nach Erkenntnissen des Bundesamts für Verfassungsschutz nicht das erste seiner Art: Der Vizepräsident des Bundesamtes, Sinan Selen, sagte in einer nicht-öffentlichen Sitzung des Innenausschusses des Bundestages nach Angaben von Teilnehmern, es habe bereits vier Vernetzungstreffen dieser Art gegeben, bei denen Politiker mit Akteuren der sogenannten Neuen Rechten zusammenkamen.

Die Berliner AfD-Vorsitzende Kristin Brinker bestätigte ihre Teilnahme an einem Treffen mit radikalen Rechten in der Wohnung des früheren CDU-Finanzsenators Peter Kurth im Sommer 2023. Auch dort war Brinker zufolge Martin Sellner - zu ihrer Überraschung, wie Brinker auf Anfrage mitteilte. Der AfD-Europapolitiker Maximilian Krah habe dort sein Buch «Politik von rechts» vorgestellt.

Debatte über Entzug von Grundrechten

Infolge der Correctiv-Recherche hat auch die Debatte über ein mögliches AfD-Verbot wieder Fahrt aufgenommen. Habeck sagte dem «Stern», über ein Verbot entscheide allein das Bundesverfassungsgericht. Die Hürden seien zu Recht sehr hoch, und der Schaden durch ein gescheitertes Verfahren wäre massiv. «Daher müsste alles absolut gerichtsfest sein. Das muss man sehr genau bedenken.» So oder so müssten die demokratischen Parteien die AfD politisch schlagen. Die AfD liegt in Umfragen bundesweit bei über 20 Prozent, in Sachsen und Thüringen sogar über 30 Prozent.

Neben einem möglichen Verbotsantrag wird auch über einen Antrag auf Entzug von Grundrechten für herausragende Verfassungsfeinde diskutiert. Bis Mittwochnachmittag verzeichnete eine Unterschriftensammlung, die sich gegen den Thüringer AfD-Partei- und Fraktionschef Björn Höcke richtet, knapp 1,3 Millionen Unterschriften. Der Thüringer AfD-Landesverband wird vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft.

Die Linke brachte eine weitere Forderung auf. «Ein erster Schritt wäre ein Verbot der Jugendorganisation der AfD», sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Katina Schubert der Deutschen Presse-Agentur. «Ein Verbot der JA wäre deutlich einfacher und schneller möglich, da sie nicht durch einen Parteienstatus geschützt ist. Ein Verbot wäre hier durch einen einfachen Ministerialerlass möglich.»

@ dpa.de