Wagenknecht-Parteitag, Linke

Das erst vor wenigen Wochen gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht kommt zum ersten Parteitag nach Berlin.

27.01.2024 - 13:02:02

Wagenknecht-Parteitag: Wir sind keine Linke 2.0. Es stehen gleich wichtige Entscheidungen an.

  • Die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hatte ihre Partei am 8. Januar gegründet. - Foto: Lando Hass/dpa

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  • Delegierte stehen in der Schlange beim Gründungsparteitag der Wagenknecht-Partei. - Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hatte ihre Partei am 8. Januar gegründet. - Foto: Lando Hass/dpaDelegierte stehen in der Schlange beim Gründungsparteitag der Wagenknecht-Partei. - Foto: Kay Nietfeld/dpa

Das Bündnis Sahra Wagenknecht will sich erstmals bei einem Parteitag präsentieren und Schwung für das Wahljahr 2024 holen. Im Berliner Kino Kosmos sollen Programm und Kandidatenliste des BSW für die Europawahl im Juni festgezurrt werden.

Der Programmentwurf übt scharfe Kritik an der Europäischen Union und fordert unter anderem eine Abkehr von der bisherigen EU-Klimapolitik. Europaexperte Guntram Wolff von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sieht das sehr skeptisch. Auch die Linke kritisiert die Linie der neuen Konkurrenzpartei.

Die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hatte ihre Partei am 8. Januar mit etwa 40 Personen gegründet und die ersten 450 Mitglieder aufgenommen. Die 54-Jährige ist Co-Vorsitzende, gemeinsam mit der früheren Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali. Beide werden beim Parteitag sprechen.

Wagenknecht: Über gesellschaftliche Ungleichheit reden

Sahra Wagenknecht ruft ihre Mitstreiter dazu auf, an einem Strang zu ziehen. Die Parteimitglieder seien sehr unterschiedlich, sagte Wagenknecht. Darunter seien etwa Gewerkschafter, Unternehmer, Krankenpfleger, Polizisten, Theologen, Großstädter und Dorfbewohner. Die Partei werde nur erfolgreich sein, wenn die Mitglieder diese «Unterschiedlichkeit als Gewinn begreifen, wenn wir Toleranz und Respekt nicht nur in der Gesellschaft einfordern, sondern auch hier in unserer Partei leben. Das muss unser Auftrag, und das muss unser Ziel sein.»

Wagenknecht sagte weiter: «Wir sind keine Linke 2.0. Das muss auch für unseren Umgang miteinander gelten. Lasst uns eine Partei des Miteinanders werden und nicht eine Partei der Intrigen und des Postengeschachers wie alle anderen.» Es sollten Strukturen im BSW geschaffen werden, in denen sich nicht die Rücksichtslosesten und Intrigantesten durchsetzen, sondern die Talentiertesten und Besten.

Das Thema gesellschaftliche Ungleichheit soll einer der Schwerpunkte der neuen Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sein. Wagenknecht sagte: «Wir müssen wieder reden über gesellschaftliche Ungleichheit (...), über die Enteignung der Fleißigen.» Es gebe immer mehr Berufe, die früher einen bescheidenen Wohlstand ermöglicht hätten. Und in denen die Einkommen heute so seien, dass man mit ihnen nie die Chance auf ein halbwegs gutes Leben habe, auf ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit, auf eine solide Familienplanung oder gar auf ein eigenes Häuschen. «Das muss sich doch wieder ändern in unserem Land», sagte Wagenknecht.

Bündnis Sahra Wagenknecht in Europa

Spitzenkandidaten für die Europawahl sollen der frühere Linken-Europaabgeordnete Fabio De Masi und der langjährige SPD-Politiker Thomas Geisel, früher Oberbürgermeister von Düsseldorf, werden. Im Entwurf zum Europaprogramm heißt es: «Die EU in ihrer aktuellen Verfassung schadet der europäischen Idee.» Kritisiert wird unter anderem eine «Regelungswut der EU-Technokratie».

Gegebenenfalls solle sich Deutschland an EU-Regeln nicht halten, heißt es weiter: Das BSW trete «für die Nichtumsetzung von EU-Vorgaben auf nationaler Ebene ein, wenn sie wirtschaftlicher Vernunft, sozialer Gerechtigkeit, Frieden, Demokratie und Meinungsfreiheit zuwiderlaufen».

Konkret wird gefordert, den Handel mit CO2-Zertifikaten abzuschaffen. «Dieser Zertifikatehandel ist völlig ungeeignet, um klimapolitische Ziele zu erreichen», heißt es im Entwurf. Dieser fordert auch die unbefristete Nutzung von Verbrennermotoren und die Rückkehr zu Importen von Öl und Gas aus Russland.

«Europa muss eigenständiger Akteur auf der Weltbühne werden, statt Spielball im Konflikt der Großmächte und Vasall der USA zu sein», heißt es im Entwurf. Und weiter: «Der Krieg in der Ukraine ist ein blutiger Stellvertreterkrieg zwischen der Nato und Russland.» Der Krieg sei zwar «militärisch von Russland begonnen (worden), aber er wäre vom Westen verhinderbar gewesen und hätte längst beendet werden können».

Kritik an Vorschlägen: «Faktisch einfach falsch»

Europaexperte Wolff, vor seiner Zeit bei der DGAP lange bei der Denkfabrik Bruegel in Brüssel, bewertete etliche der Vorschläge kritisch. «Es ist faktisch einfach falsch, dass der Handel mit CO2-Zertifikaten nichts bringt», sagte Wolff der Deutschen Presse-Agentur.

«Wissenschaftliche Studien zeigen klar, dass der Emissionshandel die Treibhausgase reduziert. Wenn etwas teurer wird, versucht man, weniger zu verbrauchen, das weiß jeder Ökonom.» Die Verteuerung fossiler Brennstoffe bringe Innovation voran, weil es sich lohne, in neue Technik zu investieren.

«Für gefährlich halte ich die Forderung, EU-Regeln gegebenenfalls zu missachten», sagte Wolff weiter. «Wenn geltendes Recht nicht mehr überall umgesetzt wird, würde das den Binnenmarkt kaputt machen und immensen Schaden für die deutsche Wirtschaft bedeuten. Der Binnenmarkt funktioniert ja nur, wenn sich alle an die gemeinsam verabredeten Regeln halten.» Diese EU-Regeln würden demokratisch erarbeitet vom Europaparlament und den Regierungen der 27 Mitgliedsstaaten, die ihre nationalen Interessen vertreten könnten.

«Rückwärts gewandtes Projekt»

Die Linke, mit der Wagenknecht im Oktober nach jahrzehntelanger Mitgliedschaft gebrochen hatte, ließ ebenfalls kein gutes Haar an den Vorstellungen des BSW. «Es zeichnet sich ab, dass es ein rückwärts gewandtes Projekt der Vergangenheit wird», sagte die amtierende Bundesgeschäftsführerin Katina Schubert der dpa. Das BSW fordere den Rückbau der EU und «ein Europa souveräner Demokratien». Nötig sei aber mehr grenzübergreifende Kooperation - nicht weniger.

«Wer ein gerechtes Europa will, muss es den Konzernen nehmen und nicht mit dem rechten Populismus darum konkurrieren, es kaputt zu machen», meinte Schubert.

@ dpa.de