Polizisten, Deutschlandbesuch

Darf jemand, der die islamistische Hamas verteidigt, im Kanzleramt empfangen werden? Der Deutschlandbesuch Erdogans ist höchst umstritten - und stellt auch die Sicherheitsbehörden vor Herausforderungen.

16.11.2023 - 17:27:50

1500 Polizisten schützen Deutschlandbesuch Erdogans

  • Sorge mit mehreren Äußerungen zum Gaza-Konflikt für Empörung: Recep Tayyip Erdogan. - Foto: Turkish presidency/dpa

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  • «Erdogan ist der Gewinner dieses Spiels, schon bevor der Besuch stattfindet»: Can Dündar. - Foto: Annette Riedl/dpa

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Sorge mit mehreren Äußerungen zum Gaza-Konflikt für Empörung: Recep Tayyip Erdogan. - Foto: Turkish presidency/dpa«Erdogan ist der Gewinner dieses Spiels, schon bevor der Besuch stattfindet»: Can Dündar. - Foto: Annette Riedl/dpa

Geschützt von einem Großaufgebot der Polizei wird der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Freitag erstmals seit drei Jahren Deutschland besuchen. 1500 Kräfte auch aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei werden im Einsatz sein, wie eine Polizeisprecherin sagte. Die Gebiete rund um das Kanzleramt, das Schloss Bellevue als Amtssitz des Bundespräsidenten sowie die türkische Botschaft am Tiergarten werden wegen der hohen Sicherheitsstufe 1 abgesperrt.

Exil-Journalist Dündar: Deutschland verbeugt sich vor Erdogan

Der Besuch ist wegen der Verbalattacken Erdogans auf Israel und seine Verteidigung der von der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas umstritten. Der türkische Exil-Journalist Can Dündar sagte der Deutsche Presse-Agentur, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hätte das Treffen mit ihm im Kanzleramt zumindest verschieben müssen. Die Bundesregierung spiele nach den Regeln des türkischen Präsidenten.

«Erdogan ist der Gewinner dieses Spiels, schon bevor der Besuch stattfindet», sagte der frühere Chefredakteur der Zeitung «Cumhuriyet». «Deutschland musste sich vor ihm verbeugen, in dem Wissen, dass er ein Hamas-Unterstützer ist und Israel als Terror-Staat bezeichnet.»

Mehrere Demonstrationen rund um den Besuch geplant

Scholz hatte Erdogan bereits nach dessen Wiederwahl als Präsident im Mai nach Berlin eingeladen. Nach dem Terrorangriff auf Israel mit rund 1200 Toten hatte der türkische Präsident mit mehreren Äußerungen zum Gaza-Konflikt für Empörung gesorgt. Die Hamas verteidigte er als «Befreiungsorganisation» und Israel verurteilte er als «Terrorstaat». Für Deutschland ist die Sicherheit Israels dagegen Staatsräson und die Hamas eine Terrororganisation.

Rund um den nur wenige Stunden dauernden Aufenthalt in Berlin sind mehrere Demonstrationen geplant - unter anderem gegen ein Verbot der ebenfalls als Terrororganisation eingestuften kurdischen Arbeiterpartei PKK und gegen den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen.

Erdogan nicht beim Länderspiel im Olympiastadion

Am Samstag findet das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Türkei im Berliner Olympiastadion statt. Der glühende Fußball-Fan Erdogan wird Berlin dann aber schon verlassen haben. Zwischenzeitlich war darüber spekuliert worden, ob er sich das Spiel von der Haupttribüne ansehen würde.

Erdogan landet voraussichtlich am Freitag gegen Mittag auf dem Berliner Flughafen und trifft am frühen Nachmittag zunächst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Anschließend steht das Abendessen mit Scholz auf dem Programm. Vorher ist eine Pressebegegnung geplant. Unklar ist weiterhin, ob dabei Fragen zugelassen werden.

Scholz will das Gespräch unter anderem nutzen, um auf eine Wiederbelebung des Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei hinzuarbeiten.

Dündar wirft Bundesregierung Doppelmoral vor

Dündar warf der Bundesregierung vor, zu viel Rücksicht auf Erdogan zu nehmen. «So wie ich das verstehe, wollen sie Erdogan nicht verärgern, weil sie Erdogan brauchen», sagt er. Wer die Hamas verurteile, müsse daraus aber auch Konsequenzen für den Umgang mit denjenigen ziehen, die diese islamistische Organisation unterstützten. In Deutschland würden Demonstrationen zur Unterstützung der Hamas untersagt. «Aber gleichzeitig laden sie einen Hamas-Anhänger ein und rollen den roten Teppich für ihn aus. Das ist schräg, eine Art von Doppelmoral.»

Dündar wurde in der Türkei mehrfach angeklagt und unter anderem wegen des Vorwurfs der Terrorunterstützung zu insgesamt 27 Jahren Haft verurteilt. Seit 2016 lebt er in Deutschland im Exil.

@ dpa.de