Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Beratungsstelle Radikalisierung stellt vermehrten Zulauf fest

05.11.2020 - 07:59:32

Vor dem Hintergrund einer neuen Welle von islamistisch motivierten Attentaten in Frankreich, Deutschland und Österreich stellt die "Beratungsstelle Radikalisierung" des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein erhöhtes Aufkommen fest.

Wie ein Sprecher der in Nürnberg ansässigen Bundesbehörde dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" für die am Donnerstag erscheinenden Ausgaben seiner Zeitungen mitteilte, ist die Hotline des BAMF seit dem Beginn ihrer Tätigkeit im Jahr 2012 etwa 4.600 Mal angerufen worden. Bis Mitte 2019 hatte die Zahl der entgegengenommenen Anrufe noch bei 4.400 gelegen.

1.200 der Sachverhalte seien zur weiteren Bearbeitung an das Netzwerk der Beratungsstellen weitergegeben worden, sagte der Sprecher weiter. Das Netzwerk insgesamt habe seit seinem Start bereits mehr als 2.800 Fälle betreut. Nach den Attentaten der letzten Tage in Paris, Nizza, Lyon, Dresden und Wien werde nun bereits ein erhöhtes Aufkommen an Anrufen bei der Hotline festgestellt. In der Vergangenheit sei dies nach derartigen Geschehnissen ebenfalls der Fall gewesen.

Nachdem bereits der Terrorismusexperten Peter R. Neumann vor einer weiteren Radikalisierung von Islamisten während ihrer Inhaftierung gewarnt hatte, schloss sich ihm nun auch der Islamismusexperte Ahmad Mansour an. Der deutsch-israelische Psychologe und Autor erklärte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland", hierbei gehe es nicht nur um die Islamisten, die nun aus der Haft freikämen. "Diese Welle kommt nicht erst, sie ist schon da", sagte er. Es handele sich hier um Menschen, deren Radikalisierung überhaupt erst im Gefängnis erfolgt sei. "Sie kommen als Kleinkriminelle rein und als Islamisten wieder raus”, klagte Mansour. Hierum müsse man sich ebenfalls kümmern. Hier sei eine flächendeckende Präventionsarbeit in den Gefängnissen und auch eine Verbesserung und Professionalisierung der in den Haftanstalten bereits existierenden Programme erforderlich. Abschließend müsse man den Menschen auch nach ihrer Zeit in der Haft zur Seite stehen und ihnen anbieten, an Programmen zum Ausstieg aus der islamistischen Szene teilzunehmen, forderte Mansour. Mit dem Täter von Dresden und auch mit dem von Wien habe man ja gearbeitet, allerdings letzten Endes ohne Erfolg. Die bereits vorhandenen Programme seien je nach Bundesland sehr verschieden. Und "nicht alle sind überzeugend", stellte Mansour fest.

Peter R. Neumann, Terrorexperte am King’s College in London, hatte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" am Tag zuvor erklärt, es sei momentan eine "große Gefahr", dass in Europa in den nächsten Monaten Hunderte von Dschihadisten aus der Haft freikämen. Die meisten dieser Menschen habe man nach dem Jahr 2010 - also nach dem Beginn des Bürgerkrieges in Syrien und dem Aufstieg des "Islamischen Staates" (IS) - nur zu vergleichsweise kurzen Haftstrafen verurteilt, und nicht alle seien "deradikalisiert".

Eine Sprecherin des Bundeskriminalamtes teilte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" mit, von den 620 Islamisten, die derzeit als Gefährder eingestuft seien, befänden sich "rund 110" in Haft. Anfang 2018 waren dies noch 150.

 

Redaktion ad-hoc-news.de, A-1010413

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