Linke, Amira Mohamed Ali

Amira Mohamed Ali führt seit 2019 gemeinsam mit Dietmar Bartsch die Bundestagsfraktion der Linken.

06.08.2023 - 20:49:47

Linken-Fraktionschefin Mohamed Ali gibt Amt ab. Jetzt will die Vertraute von Sahra Wagenknecht sich zurückziehen. Und setzt damit ein politisches Signal.

Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali zieht sich wegen des Umgangs ihrer Partei mit Sahra Wagenknecht von ihrem Amt zurück.

«Ich habe mich entschieden, bei der kommenden Vorstandswahl nicht mehr für den Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag zu kandidieren», heißt es in einer Erklärung Mohamed Alis, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. «Diese Entscheidung hat politische Gründe.» Den letzten Ausschlag habe die Distanzierung der Parteispitze von Wagenknecht Anfang Juni gegeben.

Damit zeigt sich der Riss in der Linken immer deutlicher. Mohamed Ali, die die Fraktion seit 2019 gemeinsam mit Dietmar Bartsch führt, gilt als Vertraute von Wagenknecht. Diese hat sich mit der Parteiführung um die Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan überworfen und erwägt die Gründung einer eigenen Partei. Eine Entscheidung will Wagenknecht vor Jahresende treffen. Umfragen legen Erfolgschancen einer Wagenknecht-Partei nahe.

Mohamed Ali: Kurs der Partei widerspricht meinen Überzeugungen

Mohamed Ali nennt in ihrer Erklärung mehrere Gründe für den geplanten Rückzug von der Fraktionsspitze, die Anfang September neu gewählt wird. So schreibt die 43-Jährige, es falle ihr zunehmend schwer, den Kurs der Parteiführung in der Öffentlichkeit zu vertreten. Dieser widerspreche an vielen Stellen ihren politischen Überzeugungen. Sie kritisierte unter anderem, dass kein «grundsätzliches Nein zum falschen Kurs der Ampelregierung» formuliert werde, so etwa zur Klimapolitik, die die Menschen finanziell belaste. Auch fehle es «an einem klaren Ja zu konsequenter Friedenspolitik».

Die Parteiführung wolle enttäuschte Grünen-Wähler gewinnen, meinte sie. Doch könne man so nicht die erreichen, für die linke Politik gemacht werden solle, auch nicht AfD-Wähler, die noch zurückgewinnbar seien.

«Den letzten Ausschlag für meine Entscheidung hat der einstimmige Beschluss des Parteivorstandes vom 10. Juni 2023 gegeben und der Umstand, dass sich die große Mehrheit der Landesvorstände diesen Beschluss zu eigen gemacht hat», heißt es in der Erklärung. «Darin wird gesagt, Sahra Wagenknecht habe in der Linken keine Zukunft mehr und solle zusammen mit anderen Abgeordneten ihr Mandat niederlegen. Dies zeigt in bis dahin noch nicht gekannter Deutlichkeit den Wunsch und das Ziel, einen Teil der Mitgliedschaft aus der Partei zu drängen.»

Ulrich: Weiterer Sargnagel für die Partei

Die Parteivorsitzenden Wissler und Schirdewan reagierten zurückhaltend auf die Ankündigung. «Wir nehmen die Ankündigung von Amira Mohamed Ali, nicht mehr für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren, mit Respekt zur Kenntnis», teilten sie mit. «Wir sind sicher, dass ihr dieser Schritt nicht leichtgefallen ist und danken ihr für ihre jahrelange Arbeit als Vorsitzende der Linksfraktion.»

Mehrere weitere Unterstützer von Wagenknecht pflichteten Mohamed Ali bei und bedauerten deren Rückzug. Der Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich sprach von einem weiteren Sargnagel für die Partei. «Die Linke verkommt leider zu einer Sekte», sagte er. «Wir hoffen auf Sahra Wagenknecht.»

Der frühere Linken-Vorsitzende Klaus Ernst beklagte bei Twitter, erneut kandidiere eine profilierte Linke wegen der Politik des Parteivorstands nicht mehr für ein Spitzenamt. Die Abgeordnete Jessica Tatti meinte: «Wer den eigenen Genossen permanent die Tür zeigt, braucht sich nicht wundern, wenn sie irgendwann durchgehen.»

Wagenknecht-Partei wäre Gefahr für die Linke

Für die mit 39 Abgeordneten sehr kleine Bundestagsfraktion ist die interne Spaltung ein Risiko. Sie könnte ihren Status als Fraktion und damit finanzielle Mittel und Einfluss verlieren, falls mehr als zwei Abgeordnete mit Wagenknecht in eine neue Partei wechseln und aus der Fraktion ausscheiden würden. Wie Mohamed Ali sich verhalten würde, ließ sie offen.

Wagenknecht hatte die Parteispitze immer wieder heftig kritisiert und mit der möglichen Parteigründung gereizt. Wissler und Schirdewan setzten schließlich den Beschluss gegen Wagenknecht durch. Inzwischen haben sie eine weitere Entscheidung getroffen, die in Teilen der Partei auf Kritik trifft: Sie schlugen die Flüchtlings- und Klimaaktivistin Carola Rackete als Linken-Spitzenkandidatin für die Europawahl vor. Ernst sprach im «Tagesspiegel» von einer «Geisterfahrt der politischen Führung der Linken».

@ dpa.de