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Tourismus in Südeuropa: Geht dem Zugpferd die Kraft aus? (FOTO)Mainz - Nach einem massiven Einbruch während der Coronapandemie haben dieTouristenzahlen 2023 in Europa das Niveau von vor der Pandemie überschritten.Von der wiedererstarkten Reiselust profitieren die Mittelmeerländer besondersstark.

24.01.2024 - 10:07:18

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Südeuropa hat sich vom Problemfall zum Zugpferd der wirtschaftlichenErholung Europas entwickelt: In den Jahren 2021 bis 2023 haben Italien, Spanien,Griechenland und Portugal zwischen einem Viertel und der Hälfte zumJahreswachstum der Europäischen Union beigetragen. Diese positive Dynamik dürfteaufgrund verschiedener Faktoren wie Klimawandel und Inflation zunehmendabflachen. Darüber hinaus ist die Arbeitsproduktivität im Tourismussektorrelativ gering, was angesichts aufkommender demografischer Krisen besonders inItalien Probleme birgt.

Die EU als Ganzes verzeichnete 2023 ein Rekordjahr, die StatistikbehördeEurostat geht von insgesamt 2,92 Milliarden Übernachtungen inTouristenunterkünften aus. Obwohl die Inflation und steigende Reisekosten denGeldbeutel der Verbraucher stark belasten, sind viele Haushalte bereit, dieverbleibende geringere Kaufkraft in Reisen zu investieren. Infolge diesesTouristenzustroms, aber auch aufgrund höherer Preise, stieg der Umsatztouristischer Aktivitäten innerhalb der EU im zweiten Quartal 2023 umdurchschnittlich 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr und um 25 Prozent gegenüber2019. Die Erholung des Tourismus wird weiterhin eine zentrale Rolle für dieWiderstandsfähigkeit des Wachstums in Südeuropa spielen, dessenVolkswirtschaften besonders von dieser Branche abhängig sind. Der Fremdenverkehrmacht mehr als 10 Prozent des Bruttoinlandproduktes der Länder in dieser Regionaus und leistet als arbeitsintensiver Sektor einen wichtigen Beitrag zurSchaffung von Arbeitsplätzen. Im zweiten Quartal 2023 führten 5,2 Prozent dereuropäischen Arbeitnehmer tourismusbezogene Tätigkeiten aus, wobei Griechenlandmit dem doppelten Anteil herausstach.

Wachstum mit Risiken

Mit Blick auf die Zukunft ist jedoch nicht klar, wie lange der Boom anhaltenwird, denn es lauern finanzielle, soziale und politische Risiken. "Aufgrund derInflation wird es für Südeuropa schwierig sein, in puncto Kosten gegenüberaufstrebenden Reisezielen in Schwellenländern wettbewerbsfähig zu bleiben.Darüber hinaus hat der Klimawandel besondere Auswirkungen auf diesüdeuropäischen Regionen, die im Sommer regelmäßig großer Hitze oderNaturkatastrophen wie Waldbränden ausgesetzt sind", sagt Marcos Carias,Coface-Volkswirt für die Region Südeuropa. "Die Türkei hat bei Spanienswichtigster Klientel, den Briten, Marktanteile gewonnen. Die Abwertung desbritischen Pfunds gegenüber dem Euro in Verbindung mit der anhaltenden Abwertungder türkischen Lira hat dazu geführt, dass britische Reisende die Türkei Spanienzunehmend vorziehen."

Darüber hinaus führt die Tourismusabhängigkeit südeuropäischer Länder imVergleich zum übrigen Europa zu erheblichen Nachteilen mit Blick auf dieProduktivität, da mit dem Tourismus verbundene Tätigkeiten eher gekennzeichnetsind durch Arbeitskräfte mit geringerer Ausbildung und prekäreBeschäftigungsverhältnisse. Der Druck, die Produktivität zu erhöhen, um auchfernab des Tourismus wettbewerbsfähiger zu werden, ist angesichts derkurzfristig guten Aussichten im Tourismus nicht gegeben. Damit geraten dieseLänder langfristig jedoch ins Hintertreffen.

Italien: Frauen könnten drohenden Arbeitskräftemangel abfedern

Die Frage der Produktivität ist besonders für Italien, wo derBevölkerungsrückgang einen dauerhaften Arbeitskräftemangel auslösen wird, vongrößter Bedeutung. Denn bis 2040 wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter um11,7 Prozent schrumpfen - gegenüber 2,4 Prozent in Frankreich, 4,1 Prozent inSpanien und 4,9 Prozent in Deutschland. Coface schätzt, dass die demografischeKrise das BIP-Wachstumspotenzial Italiens bereits 2025 fast halbieren könnte."Wenn die EU-Fiskalregeln wieder in Kraft treten, ist jedes Hindernis für dasWachstum auch ein Hindernis für den Schuldenabbau. Daher ist derBevölkerungsrückgang in Italien ein Risikofaktor für die Tragfähigkeit deröffentlichen Finanzen", sagt Marcos Carias. Die realistischste Möglichkeit, umdies zu vermeiden, besteht auf kurze Sicht darin, die Integration von Frauen indie erwerbstätige Bevölkerung stark zu beschleunigen - so wie es zum BeispielSpanien zwischen den 1990er und 2000er-Jahren getan hat. 55 Prozent der Frauenin Italien haben derzeit eine formelle Beschäftigung, gegenüber 70 Prozent inSpanien. So müsste Italien etwa 1 Million Frauen in die erwerbstätigeBevölkerung aufnehmen und das Produktivitätswachstum auf jährlich 0,5 Prozentsteigern, um die von der EU im Haushaltsplan 2024 vorgeschlagenenHaushaltsverpflichtungen zu erfüllen. Sollten entsprechende Maßnahmen nichtgreifen, wird der Bedarf an ausländischen Arbeitskräften steigen.

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