Finanzierung/Investitionen, Ergebnisse

Beim Merck-Konzern DE0006599905 ist ein wichtiger Hoffnungsträger aus dem Pharmageschäft gefloppt: Das Mittel Evobrutinib erreichte in entscheidenden klinischen Tests bei Patienten mit schubförmiger Multiple Sklerose (MS) die von den Forschern erhofften Ziele nicht.

06.12.2023 - 09:48:09

Merck KGaA erleidet Studienflop mit wichtigem Pharma-Hoffnungsträger

An der Börse ging es am Mittwochmorgen für die Aktie massiv abwärts. Es ist nicht der erste Rückschlag für die Arzneimittelsparte, der Geschäftsbereich hat schon länger einen Durchhänger.

Zwei zulassungsrelevante Studien zur Erforschung der Sicherheit und Wirksamkeit von Evobrutinib hätten nicht die gewünschten Ergebnisse erbracht, teilte das Dax DE0008469008-Unternehmen am Dienstag nach Börsenschluss in Darmstadt mit. Merck hatte erwartet, mit Evobrutinib die sogenannten annualisierten Schubraten (ARR) der Testpersonen im Vergleich zur schon seit einem Jahrzehnt erhältlichen Tablette Aubagio (Wirkstoff Teriflunomid) vom französischen Hersteller Sanofi FR0000120578 verringern zu können. Dieses Ziel wurde jedoch verfehlt.

Merck sprach in seiner Mitteilung von "sehr enttäuschenden Ergebnissen". Die Darmstädter hatten ursprünglich gehofft, mit Evobrutinib einen neuen "Blockbuster" auf den Markt bringen zu können - also einen Kassenschlager mit einem Milliardenumsatz.

An der Börse war die Enttäuschung nach den Nachrichten von Merck zur Wochenmitte groß. Im frühen Handel knickte das Papier weit abgeschlagen am Dax-Ende um 13 Prozent ein. Einige Analysten reagierten negativ, die HSBC etwa strich ihre Kaufempfehlung und warf die Schätzungen für das Medikament gänzlich aus ihrem Modell. Jefferies-Analyst Brian Balchin vermutete unterdessen, Merck habe sich selbst eine sehr hohe Hürde gesetzt, da sich die Krankheit bei vielen der involvierten Patienten erst in einem frühen Stadium befunden habe. Er beließ es gleichwohl bei seiner Kaufempfehlung für die Aktie, die in diesem Jahr mehr als ein Fünftel nachgegeben hat.

Evobrutinib zählt zu der Wirkstoffklasse der Brutontyrosinkinase-Hemmer (BTK-Inhibitoren). Diese wirken auf Entzündungsprozesse im Körper positiv, indem sie bestimmte Zellen blockieren. Bei anderen Krankheiten wie etwa Leukämie werden diese Wirkstoffe bereits angewendet und neuerdings auch bei MS untersucht. So forschen etwa auch Roche CH0012032048, Novartis CH0012005267 und Sanofi auf diesem Gebiet.

Bereits Mitte April hatte Evobrutinib für enttäuschende Nachrichten gesorgt, nachdem die US-Arzneimittelbehörde FDA die Aufnahme neuer Patienten für eine Therapie im Rahmen der abschließenden klinischen Prüfung des Medikaments ausgesetzt hatte. Grund war damals der Verdacht auf Leberschädigung durch das Mittel, nachdem bei zwei Teilnehmern erhöhte Enzymwerte festgestellt worden waren. Nach Konzernangaben hatte sich der Zustand der Betroffenen nach Absetzen des Mittels aber wieder vollständig normalisiert.

Mit dem aktuellen Rückschlag verlängert sich die Durststrecke in der Pharmasparte. Auch mit einem anderen Hoffnungsträger, dem Krebsmittel Bintrafusp-Alfa, hatte Merck nicht den erhofften großen Durchbruch erzielt. Nach mehreren Studienflops wurden die Arbeiten daran eingestellt - eine entsprechende Partnerschaft mit dem Pharmakonzern GSK GB0009252882 wurde im Jahr 2021 beendet.

Aktuell profitiert der Konzern vor allem von seinem Krebsmittel Bavencio und der MS-Tablette Mavenclad, die Merck 2017 erstmals nach neun Jahren wieder als eigene Arzneien auf den Markt gebracht hatte. Der Dax-Konzern hat sich inzwischen zunehmend darauf verlegt, Lizenzen für Medikamente von anderen Herstellern zu erwerben, um an deren Verkauf zu verdienen. Erst zu Wochenbeginn hatten die Darmstädter den Erwerb einer Vermarktungslizenz in bestimmten Ländern für ein Krebsmittel des chinesischen Unternehmens Abbisko Therapeutics verkündet, das derzeit in einer zulassungsrelevanten Studie getestet wird.

Während die Pharmasparte zuletzt immerhin dank der Verkaufsschlager Bavencio und Mavenclad weiter wuchs, schwächeln bei Merck aktuell das Halbleitergeschäft und die Laborsparte. Beide Bereiche leiden unter anderem unter der gedämpften Investionsbereitschaft ihrer Kunden. Im Konzern laufen deshalb bereits Gespräche über Sparmaßnahmen und einen Stellenabbau. Merck-Chefin Belen Garijo hatte die Erwartungen an 2023 zuletzt weiter gedämpft und erwartet, dass der Konzern erst 2024 wieder wachsen wird.

@ dpa.de