US-Zinswende light oder wenn die Fed die Katze nur halb aus dem Sack lässt
US-Zinswende light oder wenn die Fed die Katze nur halb aus dem Sack lässt. Um ihre Glaubwürdigkeit zu wahren, konnte die US-Notenbank ihr geldpolitisches Hü und Hott nicht mehr fortsetzen: Mit Streichung des Wortes „geduldig“ aus ihrem letzten Sitzungs-Statement zeigt sich die Fed nicht mehr abwartend in punkto Leitzinswende, sondern hat sie verbal eingeleitet. Freilich wissen wir immer noch nicht, wann sie denn kommt. Juni oder September 2015 sind per heute mögliche Termine. Die gesenkten US-Wachstumsprojektionen - 2,5 Prozent nach zuvor 2,8 für 2015; 2,5 nach 2,75 für 2016 und 2,4 nach 2,2 im Jahr 2017 - sowie gekürzten Inflationserwartungen - 0,7 Prozent nach 1,3 für 2015 - sprechen eher für den späteren Termin.
US-Zinswende light oder wenn die Fed die Katze nur halb aus dem Sack lässt
Um ihre Glaubwürdigkeit zu wahren, konnte die US-Notenbank ihr geldpolitisches Hü und Hott nicht mehr fortsetzen: Mit Streichung des Wortes „geduldig“ aus ihrem letzten Sitzungs-Statement zeigt sich die Fed nicht mehr abwartend in punkto Leitzinswende, sondern hat sie verbal eingeleitet. Freilich wissen wir immer noch nicht, wann sie denn kommt. Juni oder September 2015 sind per heute mögliche Termine. Die gesenkten US-Wachstumsprojektionen - 2,5 Prozent nach zuvor 2,8 für 2015; 2,5 nach 2,75 für 2016 und 2,4 nach 2,2 im Jahr 2017 - sowie gekürzten Inflationserwartungen - 0,7 Prozent nach 1,3 für 2015 - sprechen eher für den späteren Termin.
Tatsächlich haben die US-Wirtschaftsdaten seit Jahresbeginn enttäuscht. Der von der Citigroup veröffentlichte ökonomische Überraschungs-Index - er misst positive sowie negative Abweichungen der tatsächlichen Wirtschaftsdaten von den Analystenerwartungen - befindet sich seit Januar in negativem Territorium und insgesamt auf einem noch niedrigeren Niveau als 2012. Übrigens war 2012 die schlechte konjunkturelle Datenlage der Grund, dass die Fed das umfangreichste und längste ihrer drei Aufkaufprogramme (QE 3) startete.
Laut Fed-Präsidentin Yellen will man erst dann die Zinsen erhöhen, wenn man „zuversichtlich ist, dass sich die Inflation dem mittelfristigen Ziel von zwei Prozent annähert“. Betrachtet man die fortgesetzte Ölpreisschwäche und ihre deflationierende volkswirtschaftliche Wirkung sind inflationäre Argumente für eine scharfe Zinswende rar gesät.
Dennoch ist zu hoffen, dass die Fed eine glaubwürdigkeitsstärkende Zinserhöhung eher früher als später durchführt, damit endlich Tatsachen geschaffen werden und sich so die gespenstische Zinserhöhungsangst als Verunsicherungselement aus den Köpfen der Anleger entfernt. Anschließend kann sich die Fed sehr lang wieder passiver verhalten, um die Reaktion der US-Wirtschaft auf die Zinswende abzuwarten.
US-Zinswende bedeutet keine Aktienwende
Ohnehin, in einem bereits aktuell durch den festen Dollar angeschlagenen Exportklima und einem unter Umsatzeinbußen leidenden Energiesektor will Frau Yellen das Investitionsumfeld der US-Wirtschaft nicht durch weitere Dollar befestigende, scharfe Zinsrestriktionen noch mehr erschweren. Die US-Notenbankchefin weiß aus historischer Erfahrung, dass deutliche Zinssteigerungen wie Massenvernichtungswaffen auf die Finanzmärkte wirken und im Extremfall sogar das Platzen der größten Anlageblase der Geschichte - die aktuelle Anleiheblase - auslösen könnte. Die früheren markanten Zinserhöhungszyklen 1999/2000 und vor allem 2004 bis 2006 ließen das Niveau der Wertpapierkredite an der New York Stock Exchange im Zuge einer dramatischen Liquiditätssicherung ebenso dramatisch einbrechen. Mit Blick auf das heute deutlich höhere Kreditvolumen ist das Schädigungspotenzial weit größer.
Die Stimmungsverschlechterung an den damaligen Finanzmärkten sorgte anschließend für erhebliche Kollateralschäden in der Realwirtschaft. Risikoaversion und eine massive Liquiditätshaltung führten zu einer dramatischen Kappung von Investitionen und Konsum sowie in vielen Ländern zu scharfen Rezessionen. Frau Yellen, die den Zusammenbruch der Immobilienblase als früheres Fed-Direktoriumsmitglied hautnah miterlebt hat, wird dieses Zinserhöhungsrisiko nie mehr eingehen.
Insofern werden US-Zinserhöhungen eine kritische Schwelle nicht überschreiten. Ohnehin lässt sich historisch feststellen, dass die Aktienmärkte bei sanften US-Zinserhöhungen noch weiter angestiegen sind. Kein Wunder, zeugen sie doch von einer stabileren konjunkturellen Verfassung.
Mehr Fundamentalismus für deutsche Aktien
Abgesehen von Griechenland hellt sich die wirtschaftliche Verfassung in Deutschland und der Eurozone weiter auf. Die vom ZEW befragten Finanzanalysten - die im Vergleich zu den vom ifo Institut direkt befragten Unternehmen typischerweise kritischer sind - zeigen sich in punkto Konjunkturerwartungen für die deutsche Wirtschaft zum fünften Mal in Folge - wenn auch zuletzt weniger dynamisch - optimistischer. Auch die ZEW Konjunkturerwartungen für die Eurozone befinden sich in einer ähnlich ausgeprägten Aufwärtsbewegung.
Von dem seit November zunehmenden Konjunkturoptimismus unterstützt, zeigen sich sowohl die Aktienindices DAX als auch Euro Stoxx 50 klar aufwärtsgerichtet. Die zunehmend stabiler ausfallenden Ausblicke im Rahmen der Berichtsaison - solide Weltkonjunktur, exportfreundlicher Euro, günstige Energiepreise als Hintergrund - setzen die bislang schwerpunktmäßig geldpolitisch getriebene Aktienrallye auf stärkere fundamentale Füße.
Angesichts der konjunkturell verbesserten Aussichten nutzen insbesondere angelsächsische Investoren den günstigen Euro als Gelegenheit, in substanzstarke europäische bzw. deutsche Aktien zu investieren. So hat der DAX auf US-Dollar-Basis noch nicht sein Allzeithoch erreicht.
Starke Dividendensaison voraus - Die Ära hoher Zinsen ist vorbei
Ein besonderes Pro-Argument für deutsche Aktien ist die anstehende Dividendensaison. Gut zwei Drittel aller im deutschen Leitindex gelisteten Unternehmen haben ihre Ausschüttungssummen erhöht. Insgesamt wird die höchste Dividendensumme der DAX-Konzerne aller Zeiten ausgeschüttet, die erfreulicherweise nicht aus der Unternehmenssubstanz, sondern aus erwirtschafteten Gewinnen gezahlt wird. Nicht zuletzt bieten dividendenstarke Aktien ein ordentliches Risikopolster gegen Kursschwankungen.
Der DAX stellt mit einer Dividendenrendite von aktuell 2,7 Prozent alternative Zinsanlagen weit in den Schatten. Bei deutschen Einzelaktien lassen sich Dividendenrenditen über vier Prozent erzielen. Dividenden sind heutzutage die besseren Zinsen. Grundsätzlich setzt sich der Zinsverfall weiter fort. Und eine Trendumkehr wird es mit Rücksicht auf die überbordende Schuldensituation nicht geben können.
Der Preis für den Austritt Griechenlands aus der Eurozone ist zu hoch, der Preis für den Verbleib wird jeden Tag höher
Die oberste Direktive der Eurozone ist es, alle Mitgliedsländer zusammenzuhalten. Das ist der in Stein gemeißelte, europäische Polit-Rationalismus. Daher sollte auch der GREXIT bislang unbedingt vermieden werden, weil sein Preis zu hoch erscheint. Zunächst will man finanzpolitische Folgeschäden vermeiden. In der Tat, niemand kann genau sagen, welche Kollateralschäden nach einem Euro-Austritt Griechenlands passieren. Wie reagieren die Finanzmärkte in der Euro-Peripherie? Steuerzahler müssten auf jeden Fall Kreditabschreibungen im hohen Milliardenbereich in Kauf nehmen. Und wie verhindert man einen dramatischen Verfall der Drachme, der die Exportchancen der anderen südlichen Euro-Staaten massiv bedroht?
Besondere Sorgen bereiten die geopolitischen Konsequenzen. Deren Drohpotenzial ist sich die Regierung Tsipras wohl bewusst: Griechenland ist ein Nato-Land nicht weit weg vom Krisenherd Ukraine. Für Putin wäre es ein gefundenes Fressen, wenn sich Athen nach einem Euro-Austritt Russland zuwenden würde. Die russische Destabilisierung Südost-Europas könnte so weitergehen. Auch könnte Griechenland Zuwanderer aus Afrika und sogar Anhänger des Islamischen Staats - wie bereits angedroht - nach Westeuropa weiterleiten.
Und dennoch, mittlerweile scheint die Festung „Griechenland bleibt in der Eurozone“ brüchiger zu werden. Soll sich die Eurozone erpressen lassen, klein beigeben und neue Hilfskredite nach Athen durchwinken, nur weil die Regierung in ihrer unbeschreiblichen Güte bereit ist, eine neue Reformliste zu erstellen? Wer sagt denn, dass diese Liste das griechische Parlament passiert? Die neue griechische Regierung ist doch mit dem direkten Gegenteil, mit Reformverweigerung, gewählt worden. Wenn sie jetzt in Griechenland reformiert, wird sie beim nächsten Mal abgewählt. Was dagegen mühelos das Parlament passiert, sind neue Staatsausgaben, die die Schuldenkrise noch vergrößern. Laut IWF ist Griechenland der schwierigste Klient aller Zeiten. Und dieser hatte es schon mit wirklich schwierigen Kandidaten zu tun. Immerhin, nach Bundesfinanzminister Schäuble schließt auch EU-Währungskommissar Moscovici einen GREXIT nicht mehr aus und die EZB rechnet diesen bereits durch. Das massive Misstrauen der Finanzmärkte gegenüber Griechenland kommt in einer aktuell stark inversen griechischen Zinsstrukturkurve ab Laufzeitbereich drei Jahren zum Ausdruck, die sich von einer normalen Zinsstrukturkurve z.B. per 1. Oktober 2014 dramatisch unterscheidet.
Der Preis für einen Austritt ist zwar hoch, aber der Preis eines Verbleibs erhöht sich jeden Tag mehr. Die Spielchen der Athener Spieltheoretiker führen den Europäischen Stier wie einen Ochsen am Nasenring vor. Regeln werden von den Herren nicht eingehalten, weil sie denken, sie haben nichts zu verlieren und können nur gewinnen. Sie hoffen, die Europäische Reformbewegung, die die Eurozone insgesamt gegenüber den USA, China & Co. wettbewerbsfähig machen soll, von innen wie einen Apfel faulen zu lassen. Warum sollten eigentlich andere Euro-Länder noch ihre Reformhausaufgaben erledigen? Jedes Entgegenkommen an Athen werden sie zu Recht auch für sich einfordern und bei Verweigerung beim Europäischen Gerichtshof in Luxembourg auf Gleichbehandlung klagen.
Die griechische Bevölkerung hat jede Chance verdient. In Abwägung aller Aspekte sollte man Griechenland den Euro-Austritt und gleichzeitig einen Schuldenschnitt gewähren, der so oder erfolgen muss. Mit dieser Unterstützung kann die Regierung an der Verbesserung seines antiken Staats- und Verwaltungswesens arbeiten. Das ist die Bringschuld der Griechen, nicht die der Eurozone. Im Status Quo ist Griechenland nicht annähernd in der Lage, in der Eurozone erfolgreich zu sein. Und zu erwarten, dass die Athener Regierung vom Saulus zum Paulus wird, ist utopisch.
Als Mitglied der EU wird dem Land auch zukünftig Solidarität gewährt. Entscheidend ist aber, dass die griechische Regierung keine Sabotage mehr betreiben, keine Löcher mehr in den Rumpf des Euro-Boots bohren kann.
Aktuelle Marktlage und Anlegerstimmung
Ein GREXIT - das Wort GRACCIDENT ist falsch, denn es unterstellt einen Unfall, obwohl dieses Ergebnis von Athen vorsätzlich herbeigeführt wird - hat grundsätzlich an Verunsicherungspotenzial deutlich verloren. Die Finanzmärkte vertrauen auf die Sicherungseinrichtungen, die diese Krise einkapseln sollen. Im Fokus der Anleger stehen die solide Weltkonjunktur, der schwache Euro, die günstigen Energiepreise und mangelnde Anlagealternativen im Zinsbereich.
Allerdings müssen Kurskorrekturen bei deutschen Aktien einkalkuliert werden. Das erreichte Niveau lädt regelrecht zu Gewinnmitnahmen ein. Auslöser können z.B. die augenblicklichen Missverhältnisse von Kurs- und Gewinnentwicklungen auf Branchenebene sein.
Charttechnik
Aus charttechnischer Sicht liegt auf dem Weg nach oben die nächste Barriere an der psychologisch wichtigen Marke von 12.000 Punkten. Wird diese nachhaltig überschritten, wartet darüber der nächste Widerstand bei 12.554 Punkten.
Im Fall einer Korrektur im DAX liegt eine erste Unterstützung an der oberen Begrenzung des mittelfristigen Aufwärtstrendkanals bei aktuell 11.818 Punkten. Darunter bieten weitere Unterstützungen bei 11.600, 11.400, 11.200 und 11.000 Punkten Halt. Sollten diese durchbrochen werden, liegt darunter die nächste Haltelinie an der unteren Begrenzung des mittelfristigen Aufwärtstrendkanals bei aktuell 10.549 Punkten.
Und was passiert in der KW 12?
In Asien zeigt sich die Konjunkturstimmung laut Einkaufsmanagerindices in Japan und China stabil. In den USA könnte der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe und die Auftragseingänge für langlebige Güter weiter an Dynamik verloren haben. Dagegen zeigt sich das von der Universität von Michigan veröffentlichte Konsumentenvertrauen weiter auf hohem Niveau. Die US-Inflationsrate wird im Februar wie im Vormonat im Deflationsterrain liegen und somit der Fed weiteren Zinserhöhungsaufschub gewähren.
In der Eurozone hellt sich die Konjunkturstimmung gemäß den Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende Gewerbe weiter auf. In Deutschland bestätigen erneut steigende ifo Geschäftsklimazahlen den konjunkturellen Erholungspfad ebenso wie ein sich weiter verbessernder GfK Konsumklimaindex.
Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. www.bondboard.de
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