Kapitalhunger, Russland

Kapitalhunger in Russland nimmt zu

+++Neue Mega-IPOs und Kapitalerhöhungen in Russland+++Gefahr der Verstopfung des Marktes+++ Branchenrotation in Moskau+++Öl- und Gaswerte untergewichten+++Privatisierungsprojekte verschoben+++

Der Kapitaldurst von russischen Blue Chips und Staatsunternehmen ist ungestillt. Auch die Russen haben schnell gelernt, dass man möglichst zu Haussezeiten viel Geld einsammeln sollte. So konnte die Sberbank zu Jahresbeginn bereits 8,8 Mrd. USD in einer Kapitalerhöhung einsammeln – der größte Betrag in der russischen Aktiengeschichte. Die Sberbank avancierte mit einer Marktkapitalisierung von fast 90 Mrd. USD-Dollar nach Gazprom und Rosneft zum drittgrößten Wert der Moskauer Börse und ist damit auch schon weit größer als die Deutsche Bank AG. Und das zu Spitzenkursen, denn der Kurs hat sich seit 1999 schon mehr als versiebzigfacht! Nun will LUKoil auf der Hauptversammlung eine Kapitalerhöhung von 7 Mrd. USD beschließen, was 10% des Kapitals bedeutet. Dies wäre dann die zweitgrößte Kapitalerhöhung in der relativ jungen russischen Börsengeschichte. Mit dem Kapital will man dem Konkurrenten Rosneft Paroli bieten. Zudem will LUKoil Raffinerien im Westen kaufen – gerüchteweise sogar die deutsche Raffinerie in Wilhelmshaven zusammen mit Conoco-Phillips. Rosneft gelang es als erstes russisches Unternehmen einen Mega-Kredit in Höhe von 22 Mrd. USD aufzunehmen, um die Yukos-Assets per Versteigerungen erwerben zu können. Fast 14 Mrd. USD hat Rosneft davon schon ausgegeben. Nun sollen weitere Yukos-Assets in Samara gekauft werden. Yukos, das ehemalige russische Vorzeigeunternehmen im Öl-Sektor wird damit wegen angeblicher Steuerrückstände von der Bildfläche verschwinden. Auch Staatsunternehmen wie die Vneshtorgbank (VTB), die zweitgrößte Bank Russlands, strömen jetzt an die Börse. VTB will durch das IPO an der Londoner Börse etwa 5-6 Mrd. USD einsammeln. Die Marktkapitalisierung beträgt nach der IPO-Preisrange zwischen 22 und 28 Mrd. USD. VTB ist mit 5% an EADS als Portfolio-Investition beteiligt. Auch im Versorgungssektor kommt es zu einer Reihe von milliardenschweren Kapitalerhöhungen und IPOs im Rahmen der Umstrukturierung im Versorgungssektor. Es ist gut vorstellbar, dass sich EON ein größeres Stück vom russischen Versorgerkuchen abschneiden will, nachdem die Übernahme von Endessa nicht klappte. In diesem Jahr gab es in Russland schon eine Reihe von milliardenschweren IPOs wie beim Stahlröhrenhersteller TMK, der Mikrochiphersteller Sintronic, dem Softwareunternehmen IBS (erstmals sogar an der Frankfurter Börse),dem Silberproduzenten Polimetal und nun der Stahlwert MMK, wo auch immerhin über 1 Mrd. USD eingesammelt wurden. Sogar der russische Immobilienentwickler AFI Development konnte jüngst problemlos 1,4 Mrd. USD – übrigens 1 USD über dem Höchstkurs der IPO-Preisrange - einsammeln, was ein schöner IPO-Erfolg ist. Ende letzten Jahres wurde schon der Immobilienentwickler Sistema-Hals, eine Tochter von AFK Sistema erfolgreich an die Börse gebracht – ebenfalls mit einer Market Cap von über 2 Mrd. USD. AFK Sistema ist immer noch bemüht, sich an Telekom Italia oder der Deutsche Telekom zu beteiligen, nachdem die Privatisierung von Svyasinvest verschoben wurde. Im attraktiven russischen Immobiliensektor sind alleine weitere 16 IPOs (!) in der Pipeline, über die im nächsten EAST STOCK TRENDS in der nächsten Ausgabe ausführlich berichten wird. Immoeast macht gerade mit einem Volumen 3 Mrd. € die größte Kapitalerhöhung Österreichs, die in Südosteuropa, Ukraine und Russland investiert werden sollen. Zuvor konnte schon Meinl European Land, ebenfalls ein bedeutsamer Immobilienentwickler aus Österreich, erfolgreich 1,5 Mrd. € einsammeln. Der Bausektor boomt in Russland wie noch nie. Der russische Oligarch Olek Deripaska, auch „Aluminiumkönig“ genannt, kaufte sich jüngst mit 3 Mrd. USD zu 30% bei STRABAG AG in Osterreich ein. STRABAG will sein Bauaktivitäten in Russland ausweiten. Eine Übernahme ist hier allerdings nicht geplant. In Russland selbst ist gerade eine Branchenrotation in Gange. Während Telekomaktien, Konsumwerte, Banken, Immobilienaktien, Medienaktien und selbst Metallwerte fast auf Höchstniveau notieren und weiter gefragt sind, kam es zu erheblichen Kurseinbussen um 12% bei russischen Öl- und Gaswerten aufgrund schlechter Quartalsergebnisse. Die großen Privatisierungen von der Telekom Holding Svyasinvest und der Börsen-Gang von VSMPO-Avisma wurden aber auf das Jahr 2008 – also wohlweislich nach der Präsidentschaftswahl im März 2008 - verschoben. Die ersten Anti-Putin- Demonstrationen angeführt von Schachweltmeister Kasparow deuten daraufhin, dass es einen“heißen Sommer“ in Russland gegeben wird, denn der Vorwahlkampf tobt jetzt schon – vor allem hinter den Kulissen, aber auch auf der Straße. Im Dezember 2007 finden Dumawahlen und im März 2008 Präsidentschaftswahlen in Russland statt. Da Puitin seinen Nachfolger noch immer nicht bestimmt hat, besteht Unsicherheit auch bei den Investoren. Das wird wohl auch noch im Sommer noch anhalten. Die große Anzahl der IPOs und Kapitalerhöhungen fast zu Höchstkursen könnten nun den Markt verstopfen, was zu Kursverlusten führen könnte. Denn wenn sich Institutionelle an den IPOs und Kapitalerhöhung beteiligen wollen, müssen sie andere Aktien in ihren Russland-Portfolio verkaufen Durch Kapitalerhöhungen kommt es zudem oft zu Verwässerungen und indirekten Entwertungen. Dies wäre wenigstens ein triftiger Grund, um zu sagen „Sell on May and go away“… Hinweis: Am 28. Juni 2007 wird der Autor einen Vortrag über die „Handelsmöglichkeiten in Osteuropa in Hamburg halten. Anmeldung bei www.trading-house.net. Am 3. Mai 2007 wurde der Autor in N24 um 18.15 Uhr über die Investmentchancen in Polen und der Ukraine befragt (Die WEB-Version können Sie sich runterladen unter www.n24.de/boerse bei Investment-Videos unter dem Datum 4. Mai 2007) .
@ ad-hoc-news.de | 05.05.07 21:17 Uhr