Amini, Iran

Zum ersten Mal jährt sich der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini, der die bislang schwersten Proteste in der Islamischen Republik seit Jahrzehnten auslöste.

16.09.2023 - 10:43:57

Todestag der Protestikone Amini: Ausnahmezustand im Iran. Die Lage im Land ist angespannt.

Mit strengen Sicherheitsvorkehrungen in den Kurdengebieten versucht der iranische Machtapparat neue Straßenproteste am Todestag der Widerstandsikone Jina Mahsa Amini zu verhindern. Augenzeugen berichteten gestern, Militäreinheiten und andere Einsatzkräfte seien in Städte rund um Aminis Heimatort Saghes verlegt worden. Auch viele neue Überwachungskameras seien installiert worden. Bewohner der Kurdengebiete sprachen zudem von verstärkten Kontrollen.

Aktivisten: Vater von Amini wieder frei

Der Vater von Amini ist laut Menschenrechtsaktivisten wieder auf freiem Fuß. Kurz nach seiner Festnahme durch Einheiten der Revolutionsgarden (IRGC) sei der Mann wieder nach Hause gebracht worden, berichtete die in Paris ansässige Gruppe Kurdistan Human Rights Network auf X, ehemals Twitter.

Zuvor hatte die in Norwegen ansässige Menschenrechtsorganisation Hengaw die Festnahme gemeldet. Irans Staatsmedien wiesen die Nachricht dann als «Falschmeldung» zurück. Die staatliche Nachrichtenagentur IRNA berichtete unter Berufung auf «informierte Kreise», dass Aminis Vater zu Hause sei. Laut den kurdischen Aktivisten wurde der Mann kurzzeitig verhört. Aminis Familie soll bereits in den vergangenen Wochen eingeschüchtert worden sein.

Heute jährt sich erstmals der Tod Aminis, der im Herbst 2022 die schwersten Aufstände im Iran seit Jahrzehnten ausgelöst hatte. Islamische Sittenwächter hatten die damals 22-Jährige wegen eines angeblich nicht richtig getragenen Kopftuchs festgenommen. Was genau danach geschah, ist bis heute ungeklärt - letztlich fiel die junge Frau ins Koma und starb in einem Krankenhaus. Ihre Eltern äußerten damals früh Zweifel an der staatlichen Darstellung, ihre Tochter sei infolge einer Erkrankung gestorben. Zu Aminis Beerdigung strömten damals Tausende Menschen. Ausgehend von den Kurdenregionen verbreiteten sich die Proteste wie ein Lauffeuer.

Bericht: Irans Geheimdienst meldet Festnahmen

Irans Geheimdienst hat laut einem Bericht mehrere Festnahmen in den Kurdengebieten gemeldet. In den frühen Morgenstunden seien mehrere Personen festgenommen worden, die Fotos und Videos von Geschäften aufgenommen hätten, berichtete die Nachrichtenagentur Tasnim. Tasnim gilt als Sprachrohr der iranischen Revolutionsgarden (IRGC). «Diese Personen (...) versuchten, Unsicherheit zu schaffen, und wurden von den Sicherheits- und Geheimdiensten der Provinz Kurdistan festgenommen.»

Proteste und Gewalt

Vor allem die junge Generation ging in der Folge unter dem Slogan «Frau, Leben, Freiheit» gegen die repressive Politik der islamischen Führung auf die Straße. Die Staatsmacht ließ die Proteste, die das Land über Monate hinweg in Atem hielten, gewaltsam niederschlagen. Auf Geheiß der iranischen Justiz wurden sieben Männer im Zusammenhang mit den Demonstrationen hingerichtet. Als Zeichen des stillen Protests ignorieren bis heute viele Frauen die Kopftuchpflicht - in diesem Ausmaß hat es das im Iran zuvor nicht gegeben.

Aminis Heimatort Saghes wurde vor ihrem Todestag abgeriegelt, wie Bewohner der Region berichteten. Aus Sorge vor einem erneut gewaltsamen Vorgehen der Einsatzkräfte gab es zunächst keine Protestaufrufe. Den Todestag wollten Menschen in den Kurdengebieten dennoch würdigen, etwa durch Ladenschließungen. Auch in anderen Städten traf der Machtapparat Vorkehrungen gegen mögliche neue Proteste. Während in den vergangenen Tagen weitgehend Alltag herrschte, waren vor allem nach Einbruch der Dunkelheit vermehrt Polizisten rund um öffentliche Plätze zu sehen.

Während Demonstrantinnen und Demonstranten im Iran um ihre Sicherheit fürchten, sind in Deutschland und anderen Ländern Kundgebungen und Demos anlässlich des Jahrestags geplant. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock versprach den Menschen im Iran weitere Unterstützung gegen Unterdrückung. «Wir setzen die Schicksale der Menschen im Iran in Brüssel, New York und Genf auf die Tagesordnung», erklärte die Grünen-Politikerin, die sich derzeit in den USA aufhält. Dort traf sie die Tochter des im Iran wegen Terrorvorwürfen zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Djamshid Sharmahd. Er ist einer von mehreren im Iran inhaftierten Deutschen.

Sanktionen des Westens

Die USA und die EU verhängten im Vorfeld des brisanten Datums neue Sanktionen im Zusammenhang mit der brutalen Niederschlagung der Proteste. In Washington wurden am Freitag Strafmaßnahmen gegen 25 iranische Personen, drei vom iranischen Staat unterstützte Medien und ein iranisches Unternehmen bekanntgegeben, das Nachforschungen im Internet anstellt.

Die USA handelten dabei in Abstimmung mit Großbritannien, Kanada, Australien und anderen Partnern, die diese Woche ebenfalls Sanktionen verhängen wollten, teilte das Außenministerium mit. Zudem habe man Visabeschränkungen gegen 13 iranische Beamte verhängt, die an der Verhaftung oder Tötung friedlicher Demonstranten sowie an der Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit beteiligt gewesen seien. US-Präsident Joe Biden hatte zuvor zum ersten Todestag Aminis den Protestierenden anhaltende Unterstützung zugesichert.

Von den EU-Strafmaßnahmen sind nach Angaben vom Freitag vier Personen sowie sechs Einrichtungen und Unternehmen betroffen. Dabei geht es unter anderem um zwei ranghohe Polizisten, einen Vertreter der Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte sowie mehrere Gefängnisse und die Nachrichtenagentur Tasnim, der von der EU unter anderem vorgeworfen wird, sie veröffentliche falsche Geständnisse von Protestteilnehmern.

@ dpa.de