Wolodymyr Selenskyj, Joe Biden

Wegen der ausbleibenden Einladung in die Nato war der ukrainische Präsident Selenskyj verärgert zum Gipfel in Vilnius gereist.

12.07.2023 - 14:09:40

G7 will Ukraine langfristige Sicherheitszusagen machen. Neue Sicherheitszusagen der G7-Staaten beschwichtigen ihn nun.

Die G7-Gruppe westlicher Wirtschaftsmächte will die Ukraine mit langfristiger militärischer und finanzieller Hilfe besser schützen, solange sie noch kein Nato-Mitglied ist. Die USA und Großbritannien kündigten am Mittwoch am Rande des Nato-Gipfels eine entsprechende Vereinbarung der Staatengruppe an, der auch Deutschland angehört. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem «wichtigen Signal». «Wenn die G7-Staaten heute diese Garantien verkünden, dann wird das für uns zu einem wichtigen, konkreten Erfolg», sagte er.

So will die G7-Gruppe Ukraine die Lieferung moderner Ausrüstung für ihre Luft- und Seestreitkräfte in Aussicht stellen. Dies geht nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus dem Text für eine Erklärung hervor, die am Nachmittag am Rande des Nato-Gipfeltreffens in Litauen veröffentlicht werden soll.

Am Dienstag waren die Hoffnungen Selenskyjs auf eine Einladung der Ukraine in die Nato enttäuscht worden. Er hatte das scharf kritisiert und von einer Schwäche des Westens gesprochen, die Russland in die Hände spiele. Blockiert worden war die Einladung vor allem von den USA und Deutschland, den beiden wichtigsten Waffenlieferanten der Ukraine. Sie wollen dem von Russland angegriffenen Land zunächst wie bisher mit konkreter Militärhilfe unter die Arme greifen, damit es sich besser selbst verteidigen kann.

Am zweiten Gipfeltag zeigte sich Selenskyj versöhnlich. Man könne «feststellen, dass die Ergebnisse des Gipfels schön sind», sagte er nach der Ankündigung der Sicherheitszusagen. Aber eine Einladung zum Nato-Beitritt «wäre ideal gewesen». Es sei aber klar, dass dies nicht passieren werde, solange der Krieg noch andauere.

Vor einer weiteren Aggression schützen

Konkret geht es bei dem G7-Projekt um bilaterale Abmachungen der einzelnen Staaten mit dem Ziel, die Ukraine in der Zukunft vor einer weiteren Aggression zu schützen. Diese umfassen nach Angaben aus den USA und Großbritannien etwa verschiedene Formen militärischer Unterstützung, den Austausch von Geheimdienstinformationen, Cyberunterstützung sowie Schulungsprogramme für das ukrainische Militär. «Wir können nie zulassen, dass sich das, was in der Ukraine passiert ist, wiederholen wird, und diese Erklärung bekräftigt unsere Verpflichtung, sicherzustellen, dass sie nie wieder der Art von Brutalität ausgesetzt wird, die Russland ihr angetan hat», sagte der britische Premierminister Rishi Sunak.

Die Vereinbarung bleibt vermutlich aber weit hinter der Sicherheitsgarantie zurück, die ein Nato-Beitritt bieten würde. Dann würde die militärische Beistandspflicht der anderen Nato-Mitglieder inklusive der Entsendung von Soldaten im Fall eines Angriffs von außen gelten.

US-Präsident Joe Biden hatte ein Schutzszenario für Kiew bereits in einem am Sonntag ausgestrahlten CNN-Interview umrissen. Die USA seien bereit, der Ukraine nach einem Ende des russischen Angriffskrieges einen ähnlichen Schutz zu bieten wie Israel, sagte er. In dem Vorschlag bezog Biden sich auf die Zeit zwischen Kriegsende und einem möglichen Nato-Beitritt. Der Prozess für ein Land, dem westlichen Militärbündnis beizutreten, brauche Zeit. In der Zwischenzeit könnten die USA der von Russland angegriffenen Ukraine die nötigen Waffen bereitstellen und sie mit Fähigkeiten ausstatten, um sich selbst zu verteidigen. Biden betonte aber, dass dies nur im Fall eines Waffenstillstands und eines Friedensabkommens denkbar wäre.

Weitere Waffen aus Großbritannien

Die USA unterstützen Israel jedes Jahr mit rund 3,8 Milliarden US-Dollar - davon geht ein beachtlicher Teil in die Abwehr von Raketen und Militärtechnik. Kein anderes Land weltweit seit dem Zweiten Weltkrieg hat einem jüngsten Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses mehr Unterstützung von den USA erhalten. Die USA unterstützen auch die Ukraine schon jetzt massiv: Seit Kriegsbeginn Ende Februar 2022 haben sie nach eigenen Angaben militärische Hilfe im Umfang von mehr als 40 Milliarden US-Dollar bereitgestellt oder zugesagt.

Großbritannien kündigte am Mittwoch zudem an, der Ukraine mehr als 70 weitere Kampf- und Logistikfahrzeuge sowie Tausende Schuss Munition für die bereit gestellten Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 zu senden. Damit werde sichergestellt, dass die ukrainischen Einheiten über die Mittel verfügen, Munition und Ausrüstung zu transportieren, verletzte Soldaten zu evakuieren und beschädigte Fahrzeuge zu bergen. Zudem will Großbritannien mit einem medizinischen Rehabilitationszentrum die «Genesung und Rückkehr von Soldaten in die Verteidigungslinien der Ukraine nach einer Kampfverletzung unterstützen».

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete die Lieferung weiterer Waffen als wichtigste Aufgabe bei der Unterstützung der Ukraine. «Natürlich ist die dringlichste Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Ukraine sich durchsetzen kann. Denn sollte die Ukraine nicht fortbestehen, gibt es auch keine Frage einer Mitgliedschaft zu diskutieren», sagte er. Stoltenberg und Selenskyj begaben sich im Anschluss zur ersten Sitzung des neuen Nato-Ukraine-Rats, einem Instrument der weiteren Annäherung des Landes an die Nato.

Neues Waffenpaket aus Deutschland

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte der Ukraine am Dienstag zum Auftakt des Gipfels ein neues Waffenpaket mit einem Wert von fast 700 Millionen Euro zugesagt. Dazu gehören Panzer, Patriot-Flugabwehrgeräte und 20.000 Schuss Artilleriemunition. Deutschland hatte sich in den Verhandlungen über das Gipfeldokument allerdings gegen eine klare Nato-Beitrittsperspektive für die Ukraine mit einem Fahrplan gestemmt. Am Rande des Gipfels kam auch Scholz zu einem Zweiergespräch mit Selenskyj zusammen.

Selenskyj äußerte sich am Mittwoch mit Abstrichen zufrieden zum Nato-Gipfel. Kiew habe den Nato-Beitritt schneller gewollt, mitunter sei es aber schwierig, den Partnern bestimmte Dinge verständlich zu machen, sagte er. Dennoch habe er bei den bilateralen Gesprächen «wichtige Signale» erhalten, dass sein Land der Nato beitreten werde. «Die Ukraine begreift genau, dass sie kein Nato-Mitglied werden kann, solange der Krieg läuft», versicherte er. Ein wichtiges Ergebnis seien dabei Sicherheitsgarantien für die Ukraine auf dem Weg zur Nato-Mitgliedschaft. Diese seien ein «sehr wichtiges Signal».

@ dpa.de