Experte, Scholz-Aussagen

«Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden» - dieses Zitat des Kanzlers sorgt für Aufregung.

29.02.2024 - 13:59:24

Experte kritisiert Scholz-Aussagen zu Verbündeten scharf

Die Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz zur Zielsteuerung von Marschflugkörpern in der Ukraine durch Großbritannien und Frankreich stoßen bei Experten und Verbündeten auf scharfe Kritik.

Scholz habe einen schweren handwerklichen Fehler begangen, sagte der deutsche Sicherheitsexperte Maximilian Terhalle, Gastprofessor an der London School of Economics and Political Science, der Deutschen Presse-Agentur. «Er hat die Axt an den Zusammenhalt der Nato gelegt» und gefährde die Kooperation mit der Ukraine, sagte Terhalle. Es sei ein grober Fehler, geheimdienstliche Erkenntnisse der engsten Verbündeten öffentlich zu machen.

«Eklatanter Missbrauch von Geheimdienstinformationen»

Ähnlich äußerte sich der konservative Abgeordnete Tobias Ellwood, der ehemalige Chef des Verteidigungsausschusses im britischen Parlament. «Dies ist ein eklatanter Missbrauch von Geheimdienstinformationen, der absichtlich darauf abzielt, von der Zurückhaltung Deutschlands, die Ukraine mit einem eigenen Langstreckenraketensystem auszurüsten, abzulenken», sagte Ellwood der Zeitung «Telegraph». Russland werde die Aussagen von Scholz ausnutzen, um die Eskalation weiter anzuheizen.

Der Bundeskanzler hatte am Montag sein Nein zur Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine erklärt. «Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden», hatte Scholz gesagt. «Das, was andere Länder machen, die andere Traditionen und andere Verfassungsinstitutionen haben, ist etwas, was wir jedenfalls in gleicher Weise nicht tun können.» 

Spekulationen um Programmierung

Es gibt Spekulationen, dass Franzosen und Briten ihre an die Ukraine gelieferten Marschflugkörper Scalp und Storm Shadow selbst programmieren und dass zumindest Großbritannien dafür Personal in der Ukraine stationiert hat. Offiziell bestätigt wurde das nie.

Das britische Verteidigungsministerium hatte dem «Spiegel» daraufhin mitgeteilt: «Der Einsatz von Storm Shadow und der Prozess der Zielauswahl sind Sache der ukrainischen Streitkräfte. Das Vereinigte Königreich stellt zusammen mit anderen Verbündeten der Ukraine eine Reihe von Ausrüstungsgegenständen zur Verfügung, um sie bei der Abwehr der illegalen und nicht provozierten Aggression Russlands zu unterstützen.» Der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte daraufhin, er sehe keinen Widerspruch zu den Aussagen des Kanzlers.

Ein Sprecher des britischen Premierministers Rishi Sunak sagte am Donnerstag vor Journalisten: «Der Einsatz des Langstreckenraketensystems Storm Shadow durch die Ukraine und der Prozess der Zielauswahl sind Sache der ukrainischen Streitkräfte.»

Das Vereinigte Königreich habe «eine kleine Anzahl von Personal im Land ist, um für die Sicherheit unserer diplomatischen Präsenz zu sorgen und die ukrainischen Streitkräfte zu unterstützen, unter anderem durch medizinische Ausbildung», sagte der Sprecher weiter. Auf ähnliche Aussagen des britischen Verteidigungsministeriums zum «Spiegel» hatte der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit gesagt, er sehe keinen Widerspruch zu den Aussagen des Kanzlers.

Auch in Frankreich wurde offiziell nie kommuniziert, ob französische Soldaten in der Ukraine beim Programmieren von Marschflugkörpern helfen. Die Ausbildung ukrainischer Soldaten durch Frankreich erfolge in Frankreich oder in Nachbarländern des von Russland angegriffenen Landes, hieß es bislang. Zurückhaltend fiel nun die Reaktion auf die Aussagen von Scholz aus. «Was die Äußerungen des deutschen Bundeskanzlers betrifft, möchten wir daran erinnern, dass jeder in dem Rahmen handelt, den er für angemessen hält», hieß es am Donnerstag aus dem Pariser Außenministerium. «Unser Ziel ist das gleiche: Russland zum Scheitern zu bringen.»

@ dpa.de