Raketenalarm, Israel

Während weltweit Millionen Menschen ausgelassen in das neue Jahr hineinfeiern, heulen in Israel wieder die Sirenen.

01.01.2024 - 05:44:12

Raketenalarm in Israel zu Neujahrsbeginn. Die Armee des Landes stellt sich auf einen langen Krieg im Gazastreifen ein.

In Israel hat es in der Neujahrsnacht erneut in mehreren Städten Raketenalarm gegeben. An der Grenze zum Gazastreifen und im Landesinnern hätten die Sirenen geheult, teilte die israelische Armee in der Nacht zum Montag mit. Der bewaffnete Arm der islamistischen Hamas, die Kassam-Brigaden, reklamierte Raketenangriffe auf den Großraum Tel Aviv für sich. Es handele sich um eine «Reaktion auf die zionistischen Massaker an Zivilisten» im Gazastreifen, hieß es in einer Stellungnahme.

Nach israelischen Medienberichten wurden mehr als 20 Raketen Richtung Israel abgefeuert. Die meisten seien von Israels Raketenabwehrsystem Iron Dome (Eisenkuppel) abgefangen worden. Nach Angaben des Rettungsdienstes seien zunächst keine Verletzten durch den Beschuss gemeldet worden, hieß es weiter. Die Kassam-Brigaden veröffentlichten ein entsprechendes Video und teilten mit, sie hätten Raketen des Typs M90 eingesetzt.

Israel lässt einige Reservisten nach Hause

Drei Monate nach Beginn des Krieges gegen die Hamas im Gazastreifen passt Israels Militär seine Truppenaufstellung in Erwartung noch länger andauernder Kämpfe jetzt an und erlaubt einigen Reservisten die einstweilige Rückkehr ins Zivilleben. «Die Ziele des Krieges erfordern einen längeren Kampf, und wir bereiten uns entsprechend vor», sagte Israels Armeesprecher Daniel Hagari am Sonntagabend. Das Militär hält es der «Times of Israel» zufolge für wahrscheinlich, dass der Gaza-Krieg noch das ganze Jahr 2024 hindurch andauern wird.

«Wir passen unsere Art der Kriegsführung und die erforderlichen Kräfte für jedes Gebiet im Gazastreifen an, um den Auftrag bestmöglich zu erfüllen, da jedes Gebiet andere Merkmale und andere operative Notwendigkeiten hat», sagte Hagari. Ein Teil der Reservisten werde diese Woche «zu ihren Familien und an ihren Arbeitsplatz zurückkehren». Dies werde Israels Wirtschaft entlasten und den Reservisten erlauben, «Kraft für die bevorstehenden Aktivitäten» im neuen Jahr zu sammeln.

Auslöser des Gaza-Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels am 7. Oktober, bei dem Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen rund 1200 Menschen in Israel ermordeten und rund 240 weitere in den Gazastreifen verschleppten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive.

Israels Ziel ist die völlige Zerstörung der Hamas. Die Zahl der bisher in Gaza getöteten Palästinenser stieg nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde auf 21.822. Das lässt sich derzeit nicht unabhängig prüfen, doch sagen die UN und andere Beobachter, dass sich die Zahlen der Behörde in der Vergangenheit als insgesamt glaubwürdig herausgestellt hätten. Israels Bombardierungen haben schwere Verwüstungen in dem schmalen Küstengebiet angerichtet.

Nach kürzlichen Angaben des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA sind 40 Prozent der Menschen in Gaza von einer Hungerkatastrophe bedroht. «Jeder Tag ist ein Kampf ums Überleben, um das Finden von Nahrung und Wasser», erklärte der Gaza-Direktor von UNRWA, Thomas White. In den vorübergehenden Unterkünften mit Zehntausenden Vertriebenen auf engstem Raum nehmen Krankheiten nach Angaben des UN-Nothilfebüros zu. Gesundheitsdienste seien überfordert. Immer wieder neue, von Israel angeordnete Vertreibungen machten ihre Aufgabe noch schwieriger.

29 israelische Soldaten durch Unfall oder Eigenbeschuss getötet

Jeder Sechste der seit Beginn der Bodenoffensive im Gazastreifen gefallenen israelischen Soldaten ist versehentlich durch eigene Kameraden oder einen Unfall getötet worden. Die israelische Armee bestätigte am Montag entsprechende Medienberichte. Dies betreffe insgesamt 29 Soldaten. 18 davon seien durch Beschuss eigener Truppen - «friendly fire» - ums Leben gekommen. Zwei weitere wurden durch einen versehentlich gelösten Schuss getötet und neun weitere durch Unfälle etwa mit Munition.

Seit Beginn der israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen Ende Oktober sind nach Militärangaben insgesamt 172 Soldaten und Soldatinnen getötet worden. Mehr als 900 weitere wurden verletzt. Seit dem 7. Oktober sind demnach 506 Soldaten und Soldatinnen getötet worden.

Bericht: Ermittlungen zu Hamas-Massaker

Israelische Ermittler rekonstruieren unterdessen anhand von rund 200.000 Fotos und Videos sowie 2000 Zeugenaussagen das Massaker vom 7. Oktober in der Absicht, ein Gerichtsverfahren gegen die Verantwortlichen einzuleiten, wie das «Wall Street Journal» am Sonntag berichtete. Es dürfte das bedeutendste Verfahren seit dem Prozess gegen den NS-Verbrecher Adolf Eichmann in Israel im Jahr 1961 werden, hieß es. Dieser hatte während der NS-Zeit Millionen Juden in Vernichtungslager deportieren lassen. Eichmann wurde zum Tode verurteilt und gehängt.

Gerichtsmedizinische Beweise, die der Zeitung nach eigenen Angaben von israelischen Beamten zur Verfügung gestellt wurden, zeigten unter anderem, dass einige Opfer bei lebendigem Leibe verbrannt wurden. Auf Fotos seien Verstümmelungen an Körpern der Opfer zu sehen, darunter auch der Geschlechtsorgane von Männern und Frauen. Die Leichen von Frauen und Mädchen wiesen diverse Anzeichen sexueller Gewalt auf. Die Hamas bestreite, Kinder getötet und Frauen vergewaltigt zu haben.

Experten: Hinweise auf Folter und Hinrichtungen

Israel habe bisher etwa 800 am 7. Oktober ermordete Zivilisten identifiziert, darunter 37 Minderjährige unter 17 Jahren, von denen sechs jünger als fünf Jahre waren, berichtete die Zeitung weiter. Nach Angaben des Leiters des forensischen Zentrums zeigten Computertomographie-Aufnahmen Anzeichen von Folter und Hinrichtungen. Die Terroristen veröffentlichten Videos von Tötungen und Entführungen auf den Seiten ihrer Opfer in sozialen Medien, wo Freunde und Familienangehörige sie ansehen konnten, berichtete das «Wall Street Journal» weiter.

Wieder Zwischenfälle mit Huthi-Rebellen

Unterdessen kam es bei Attacken jemenitischer Huthi-Rebellen auf Handelsschiffe im Roten Meer zu einer direkten Auseinandersetzung mit dem US-Militär. Die proiranische Gruppe habe ein dänisches Containerschiff von vier kleinen Booten aus mit Kleinwaffen angegriffen und probiert, auf das Schiff zu gelangen, teilte das zuständige US-Regionalkommando teilte auf der Plattform X, vormals Twitter, am Sonntag mit. Ein Sicherheitsteam an Bord habe das Feuer erwidert. US-Kräfte seien dann eingeschritten, selbst attackiert worden und hätten schließlich mehrere der Rebellen getötet, hieß es.

Seit Ausbruch des Gaza-Krieges greifen die Huthis immer wieder Schiffe mit angeblich israelischer Verbindung im Roten Meer an. Auch greifen sie Israel immer wieder direkt mit Drohnen und Raketen an.

Was heute wichtig wird

Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist weiter katastrophal. Dennoch setzt Israel die Kämpfe weiter fort.

@ dpa.de