Netanjahu, Tötung

Ungeachtet aller Friedensappelle tobt der Krieg in Gaza weiter.

02.04.2024 - 14:15:27

Netanjahu räumt «unabsichtliche» Tötung von Helfern ein. Die humanitäre Lage ist katastrophal. Nun sollen sieben ausländische Helfer getötet worden sein. Die News im Überblick.

Der Tod von ausländischen Helfern im Gazastreifen bei einem israelischen Luftangriff hat international große Empörung ausgelöst. Die Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) bestätigte den Tod von sieben ihrer Mitarbeiter.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach in einer Videobotschaft von einem «tragischen Fall eines unabsichtlichen Treffers unserer Streitkräfte gegen Unschuldige im Gazastreifen». Man prüfe den Vorfall und werde alles tun, damit er sich nicht wiederhole.

Organisation will Einsatz im Gazastreifen stoppen

Die sieben Opfer stammten laut der Mitteilung von World Central Kitchen aus Australien, Polen, Großbritannien und den Palästinensergebieten - zudem habe eines der Opfer die amerikanische und kanadische Staatsbürgerschaft. Die Organisation will angesichts des tödlichen Vorfalls ihren Einsatz in der Region sofort stoppen und bald Entscheidungen «über die Zukunft unserer Arbeit treffen». 

«Das WCK-Team war in einer konfliktfreien Zone in zwei gepanzerten Fahrzeugen mit dem WCK-Logo und einem ungeschützten Fahrzeug unterwegs», schrieb die Hilfsorganisation. Der Konvoi sei getroffen worden, obwohl man die Fahrt mit der israelischen Armee koordiniert habe. Die Helfer hätten gerade ein Lagerhaus in der Ortschaft Deir al-Balah im zentralen Abschnitt des Gazastreifens verlassen, als sie beschossen worden seien. Dort hätten sie mehr als 100 Tonnen humanitärer Lebensmittelhilfe entladen, die auf dem Seeweg in den Gazastreifen gebracht worden sei. 

Israels Armee kündigt gründliche Untersuchung an

Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sagte, Israels Armee sei an internationales Recht gebunden. «Wir sind verpflichtet, unsere Einsätze gründlich und transparent zu untersuchen», sagte Hagari. «Wir werden eine Untersuchung eröffnen, um diesen schwerwiegenden Vorfall weiter zu prüfen. Dies wird uns dabei helfen, die Gefahr zu verringern, dass sich so ein Vorfall wiederholt.» Er sprach dabei von der Untersuchung durch ein unabhängiges und professionelles Expertengremiums. Man werde der Sache auf den Grund gehen und die Ergebnisse transparent teilen.

Baerbock fordert rasche Untersuchung

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat eine rasche Untersuchung des Todes von sieben ausländischen Mitarbeitern der Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) durch einen israelischen Luftangriff im Gazastreifen gefordert. «Die israelische Regierung muss diesen schrecklichen Vorfall schnell und gründlich untersuchen», schrieb die Grünen-Politikerin auf der Plattform X (früher Twitter). 

Baerbock fügte hinzu: «Wir fordern die israelische Regierung erneut auf, für funktionierende Maßnahmen zur Konfliktlösung zu sorgen. Solche Vorfälle dürfen nicht passieren.» Ihr tiefstes Mitgefühl gelte den Familien der sieben getöteten WCK-Mitarbeitern. 

Japan will Zahlung an UNRWA wieder aufnehmen

Die japanische Regierung will derweil das UN-Palästinenserhilfswerk wieder finanziell unterstützen. Das kündigte Außenministerin Yoko Kamikawa laut der Nachrichtenagentur Kyodo an. Die Entscheidung erfolgte angesichts der akuten humanitären Situation im Gazastreifen. Das UN-Hilfswerk UNRWA war stark in die Kritik geraten. Einigen Mitarbeitern wurde vorgeworfen, am Massaker der islamistischen Hamas vom 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel beteiligt gewesen zu sein.

UN-Generalsekretär António Guterres hatte umfassende Aufklärung der Vorwürfe versprochen. Die Zusammenarbeit mit mehreren Angestellten wurde beendet. Mehrere Länder stellten wegen der Anschuldigungen vorübergehend die Zahlungen an UNRWA ein, darunter die größten Geldgeber, die USA und Deutschland. Auch Japan hatte eine geplante Zahlung von 35 Millionen Dollar eingefroren.

Netanjahu will Sender Al-Dschasira stoppen

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte unterdessen eine rasche Schließung des arabischen TV-Senders Al-Dschasira im Land an. Al-Dschasira habe der Sicherheit Israels geschadet, gegen israelische Soldaten gehetzt und sei ein «Terror-Kanal», erklärte Netanjahu die Vorwürfe.

Israels Parlament hatte unmittelbar zuvor das sogenannte Al-Dschasira-Gesetz gebilligt, das eine Schließung ausländischer TV-Sender ermöglicht, falls diese als Risiko für die Staatssicherheit eingestuft werden sollten. Al-Dschasira hat seit Beginn des Gaza-Kriegs ausführlich über die katastrophale Lage in Gaza berichtet und Bilder von Tod und Zerstörung gezeigt, die in israelischen TV-Sendern kaum zu sehen sind.

Al-Dschasira weist Vorwürfe als «gefährliche Lügen» zurück

Nach der Ankündigung Israels, wies der Fernsehsender Vorwürfe der Voreingenommenheit zurück und verurteilte die Entscheidung. Das im Golfemirat Katar ansässige TV-Netzwerk beschrieb die Vorwürfe des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahus als «gefährliche, lächerliche Lügen».

Es handle sich um «hetzerische Verleumdungen gegen das Netzwerk», hieß es weiter. Die jüngsten israelischen Maßnahmen seien Teil einer Reihe «systematischer israelischer Angriffe, um Al-Dschasira zum Schweigen zu bringen.»

Wichtige Gaza-Klinik laut WHO «in Trümmern»

Nach dem Abzug der israelischen Armee aus dem Schifa-Krankenhaus ist laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine der wichtigsten Kliniken des Gazastreifens nicht mehr funktionsfähig. «Das Schifa-Krankenhaus liegt jetzt in Trümmern», sagte WHO-Sprecherin Margaret Harris in Genf. Durch die Zerstörung sei «dem Gesundheitssystem das Herz herausgerissen» worden.

Nach Angaben der WHO ist nur mehr weniger als ein Drittel der 36 Kliniken im Gazastreifen funktionsfähig. Harris sagte, dass ein WHO-Team versuche, zum Schifa-Krankenhaus zu gelangen, um die Lage vor möglichen Hilfs- und Evakuierungsaktionen zu sondieren.

Rund zwei Wochen nach Beginn des Militäreinsatzes im Schifa-Krankenhaus hatte sich die israelische Armee in der Nacht zum Montag wieder zurückgezogen. Nach Darstellung von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sollen bei dem Einsatz gegen die islamistische Hamas mehr als 200 Terroristen getötet worden sein, Hunderte hätten sich ergeben. Nach Angaben des von der islamistischen Hamas kontrollierten Zivilschutzes wurden in und um das Krankenhaus herum rund 300 Leichen gefunden. Israel wirft der islamistischen Hamas vor, medizinische Einrichtungen systematisch für militärische Zwecke zu missbrauchen. Die Hamas weist dies zurück.

Israel: Vermittler haben Vorschlag für Geisel-Abkommen angepasst

Eine weitere Verhandlungsrunde über ein Abkommen zur Freilassung der noch verbliebenen Geiseln und eine Feuerpause im Gaza-Krieg ist nach israelischen Angaben beendet worden. «Im Rahmen der Gespräche, unter nützlicher ägyptischer Vermittlung, haben die Vermittler einen aktualisierten Vorschlag für die Hamas formuliert», teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit. Was genau dieser angepasste Entwurf beinhaltet, wurde nicht gesagt.

Der israelische Sender Kan meldete, der Chef des Auslandsgeheimdienstes Mossad, der das Verhandlungsteam leitet, habe mehr Flexibilität bei der von der Hamas geforderten Rückkehr der Binnenflüchtlinge in den Norden des Gazastreifens gewährt.

USA und Israel planen Treffen zu Rafah-Offensive

Vertreter der US-Regierung und der israelischen Führung wollen voraussichtlich in der kommenden Woche bei einem Treffen über Israels geplante Bodenoffensive in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifen beraten. Nach einer Video-Schalte mit Vertretern beider Seiten veröffentlichte das Weiße Haus eine gemeinsame Stellungnahme, in der ein persönliches Treffen in der kommenden Woche in Aussicht gestellt wurde. Beide Seiten verfolgten das gemeinsame Ziel, die Hamas in Rafah zu besiegen, hieß es.

«Die US-Seite äußerte ihre Bedenken gegenüber verschiedenen Vorgehensweisen in Rafah.» Die israelische Seite wiederum habe sich bereiterklärt, diese Bedenken zu berücksichtigen und weitere Gespräche zu führen. Israel will in Rafah nahe der ägyptischen Grenze die letzten Bataillone der Hamas zerschlagen. Die US-Regierung hält eine großangelegte Bodenoffensive wegen der Hunderttausenden palästinensischen Zivilisten, die dort Schutz vor den Kämpfen gesucht haben, aber für falsch und möchte Israel Alternativen aufzeigen.

Irans Revolutionswächter bestätigen Tod von Generälen

Nach dem mutmaßlich israelischen Luftangriff in Syrien haben Irans Revolutionswächter (IRGC) den Tod von zwei Generälen aus ihren Reihen bestätigt. Bei der Attacke auf die Konsularabteilung der iranischen Botschaft in der Hauptstadt Damaskus seien die beiden Brigadegeneräle Mohammed-Resa Sahedi und Mohammed Hadi Hadschi Rahimi ums Leben gekommen, erklärten die IRGC am Abend. Fünf weitere Mitglieder der Revolutionsgarden seien bei dem Angriff getötet worden.

Irans Außenamtssprecher Nasser Kanaani verurteilte die Attacke scharf und machte den Erzfeind Israel für die Tötung der Generäle verantwortlich. «Die Dimensionen dieses hasserfüllten Angriffs werden untersucht, und die Verantwortung für seine Folgen liegt beim aggressiven zionistischen Regime», sagte der Sprecher laut Mitteilung seines Ministeriums. «Die Islamische Republik Iran behält sich das Recht vor, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, und entscheidet über die Art der Reaktion».

USA: Israel hat jedes Recht zur Verteidigung

Die USA sind die wichtigste Schutzmacht Israels und unterstützen das Land jährlich mit Milliardenbeträgen, von denen ein beachtlicher Teil in Raketenabwehr und andere Militärtechnik fließt. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer im Gaza-Krieg derzeit jedoch sehr angespannt. Als Reaktion auf Israels Kriegsführung werden Forderungen lauter, Waffenlieferungen an den Verbündeten zu beschränken. Rüstungslieferungen an das Land zögen sich mitunter über mehrere Jahre hin, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums Matthew Miller in Washington.

Israel sei umgeben von Akteuren, die auf dessen Zerstörung aus seien, nicht nur die Hamas, sondern auch der Iran und seine Stellvertreter, etwa die libanesische Hisbollah-Miliz. «Wir glauben, dass Israel jedes Recht hat, sich gegen diese Gegner zu verteidigen», sagte Miller. Die «Washington Post» hatte am Freitag unter Berufung auf namentlich nicht genannte Beamte im Pentagon und Außenministerium berichtet, die US-Regierung habe in den vergangenen Tagen «in aller Stille» neue Bomben und Kampfflugzeuge für Israel genehmigt.

@ dpa.de