Tunesien, Europa

Tunesien gilt als eines der wichtigsten Transitländer für Migranten auf dem Weg nach Italien.

11.06.2023 - 02:38:04

Illegale Migration: Europäische Politiker in Tunesien. Auf der Suche nach Lösungen im Kampf gegen irreguläre Migration reisen europäische Spitzenpolitiker nun nach Tunis.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die Regierungschefs der Niederlande und Italiens reisen heute zu Gesprächen über den Umgang mit irregulärer Migration nach Tunesien. In der Hauptstadt Tunis wollen sie bei einem Treffen mit Präsident Kais Saied über das Problem beraten. Die irreguläre Migration aus dem nordafrikanischen Land in die EU hat in den vergangenen Monaten stark zugenommen.

Nach offiziellen Zahlen des Innenministeriums in Rom erreichten seit Beginn des Jahres mehr als 53.800 Migranten Italien auf Booten - im Vorjahreszeitraum waren es rund 21.700 gewesen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) kam die Mehrheit der in Italien registrierten Migranten aus Tunesien.

Um die Unterstützung von Transitländern zu bekommen, schlug Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni immer wieder vor, Staaten wie Tunesien dafür zu bezahlen, die Migrantenboote konsequent am Ablegen Richtung Italien und damit gen Europäische Union zu hindern - ähnlich wie die EU es 2016 mit der Türkei vereinbart hatte. Der Pakt zwischen Brüssel und Ankara führte zu einem starken Rückgang der in Europa ankommenden Flüchtlinge.

Tunesiens Präsident: Sind Grenzpolizei für Europa

Vor Gesprächen mit europäischen Spitzenpolitikern schließt Tunesiens Präsident Kais Saied eine Rolle seines Landes als Grenzpolizei für Europa aus. «Wir können keine Rolle erfüllen, (...) in der wir ihre Länder bewachen», sagte Saied nach einem Besuch in der Küstenstadt Sfax, von wo aus regelmäßig Boote mit Migranten ablegen.

Fragen beim Umgang mit Migranten müssten auf humanitäre Weise und im Kollektiv sowie im Einklang mit geltendem Recht gelöst werden, sagte Saied nach Angaben seines Büros. Migranten seien «leider Opfer eines globalen Systems, das sie nicht als Menschen sondern als reine Zahlen behandelt».

Tunesien kämpft mit Wirtschaftskrise

Viele Migranten spüren aktuell einen großen Druck, Tunesien zu verlassen. Seit Präsident Saied im Februar ein härteres Vorgehen gegen sie ankündigte und ihnen vorwarf, Gewalt und Kriminalität ins Land zu bringen, haben Anfeindungen und rassistische Übergriffe stark zugenommen. Auch deshalb wollen etliche Menschen schnellstmöglich nach Europa übersetzen.

Neben Migranten aus Ländern südlich der Sahara setzen auch immer mehr Tunesier von der Küste ihrer Heimat aus nach Italien über. Viele sehen angesichts der sich verschärfenden Wirtschaftskrise und der hohen Arbeitslosigkeit keine Perspektive mehr in Tunesien, zumal die politische Führung des Landes keine Lösungen für die Probleme findet.

Bereits Anfang der Woche hatte Meloni den tunesischen Präsidenten besucht, um unter anderem über die Migrationskrise zu reden. In einem Interview äußerte sie die Hoffnung, dass man schon bei der Visite jetzt am Sonntag ein Hilfspaket aus der EU mitbringen könne. In Italien war die Rede von rund 900 Millionen Euro für Tunis.

Reform der EU-Asylregeln vereinbart

Am Donnerstag hatten die EU-Innenminister eine Reform der europäischen Asylregeln vereinbart. So sollen Migranten aus Ländern, die - wie Tunesien - als sicher gelten, künftig nach dem Grenzübertritt in Aufnahmeeinrichtungen kommen und dort unter haftähnlichen Bedingungen ausharren, während ihre Bleibeperspektive geprüft wird. Erhalten die Menschen kein Asyl, sollen sie umgehend zurückgeschickt werden. Möglich ist, dass das EU-Parlament noch Änderungen an der geplanten Reform durchsetzt.

Bei dem Treffen in Tunis am Sonntag, an dem neben von der Leyen und Meloni auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte teilnimmt, soll es auch um Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft und Energie gehen.

@ dpa.de