Anhörung, US-Seite

Seit bald fünf Jahren sitzt Julian Assange in einem Londoner Gefängnis.

21.02.2024 - 16:38:02

Anhörung: US-Seite will Assanges Auslieferung durchsetzen. Nun hofft der Australier, sich vor Gericht noch einmal gegen seine drohende Auslieferung in die USA wehren zu können.

Am zweiten Tag einer entscheidenden Anhörung zur drohenden Auslieferung von Julian Assange in die USA haben Anwälte der amerikanischen Seite ihre Argumente dargelegt. Ein Gericht in London soll entscheiden, ob dem Wikileaks-Gründer ein volles Berufungsverfahren zusteht. Für den 52-Jährigen wäre es die letzte Chance, sich vor einem britischen Gericht gegen seine Abschiebung zu wehren. Das US-Justizministerium will Assange wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen.

Eine Anwältin wies am Mittwoch den Vorwurf zurück, die USA würden Assange wegen seiner politischen Ansichten verfolgen. Stattdessen argumentierte Clair Dobbin für die US-Seite, Assange habe mit der Veröffentlichung ungeschwärzter Dokumente andere Menschen gefährdet. Es habe sich nicht um einen «Patzer» oder «Fehler» gehandelt, sondern es seien riesige Mengen unzensierten Materials veröffentlicht worden.

Was die USA Assange vorwerfen

Washington wirft dem Australier Assange vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben. Assange drohen bei einer Verurteilung in den USA bis zu 175 Jahre Haft. Assanges Anwälte hingegen sehen in der Strafverfolgung eine Vergeltungsaktion Washingtons, weil Wikileaks durch die Veröffentlichungen auch Kriegsverbrechen aufgedeckt hatte. 

Vor dem Londoner Gerichtsgebäude Royal Courts of Justice forderten Demonstrantinnen und Demonstranten am Mittwoch erneut, Assange müsse freigelassen werden. Sie hielten ein Banner und Plakate mit Aufschriften wie «Free Assange» und «Journalism is not a crime» (übersetzt: «Journalismus ist kein Verbrechen»).

Welchen Weg Assange noch gehen könnte

Die Anhörung, die am Dienstag begonnen hatte, war auf zwei Tage angesetzt. Wann das Gericht entscheidet, war zunächst unklar. Der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge wird eine Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt erwartet.

Sollte Assanges Berufungsantrag in London abgelehnt werden, bliebe ihm noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Seine Frau Stella Assange hatte angekündigt, sein Team werde dort umgehend einen Antrag auf einstweilige Verfügung stellen, um eine sofortige Auslieferung zu verhindern. Es gebe aber die Sorge, dass die britische Regierung eine solche Anordnung ignorieren könnte. Stella Assange sagte vorab auch, sie fürchte wegen der erwarteten harschen Haftbedingungen in den USA und der labilen Psyche ihres Mannes um sein Leben.

Appelle zur Freilassung auch aus Deutschland

Weltweit setzen sich Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände für eine Freilassung Assanges ein. Man teile das Rechtsverständnis der USA nicht, was die Pressefreiheit in dem konkreten Fall angehe, betonte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, Konstantin von Notz (Grüne).

Das hätten sowohl Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) als auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), gegenüber den Partnern in Großbritannien und den USA deutlich gemacht, sagte Notz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Mittwoch.

Der Wikileaks-Mitbegründer Daniel Domscheit-Berg sagte dem RND, er hoffe auf eine Freilassung Assanges. Ein fairer Prozess sei in den USA nicht zu erwarten. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen vom Bündnis Sahra Wagenknecht bezeichnete die Haft Assanges seit knapp fünf Jahren als «Schande für ganz Europa». Der Bundesregierung warf sie Tatenlosigkeit vor.

Die Autorenvereinigung PEN-Zentrum Deutschland forderte ebenfalls Assanges Freilassung. «Was Assange und Wikileaks damals durch die Veröffentlichung von Geheimdokumenten getan haben, ist bis heute ein unverrückbarer Bestandteil der Aufklärung vom Kriegsverbrechen und Missachtung von Menschenrechten», teilte die Vereinigung mit.

@ dpa.de