Israel, Hamas

Nach drei Wochen massiver Luftangriffe weitet Israels Militär seinen Kampf gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen aus.

30.10.2023 - 07:36:40

Israel rückt verstärkt gegen Hamas vor. Die Mutter einer Deutschen meldet den Tod ihrer Tochter. Der Überblick.

  • Israelische Panzer fahren entlang der israelischen Grenze zum Gazastreifen in Stellung. - Foto: Maya Alleruzzo/AP/dpa

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  • Bei Gefechten mit dem israelischen Militär in der Stadt Dschenin im Westjordanland sind in der Nacht nach palästinensischen Angaben vier Menschen getötet worden. - Foto: Stringer/dpa

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Israelische Panzer fahren entlang der israelischen Grenze zum Gazastreifen in Stellung. - Foto: Maya Alleruzzo/AP/dpaBei Gefechten mit dem israelischen Militär in der Stadt Dschenin im Westjordanland sind in der Nacht nach palästinensischen Angaben vier Menschen getötet worden. - Foto: Stringer/dpa

Terroristen der Hamas im Gazastreifen haben Israel auch während der heftigen Luftangriffe auf das Palästinensergebiet weiter mit Raketen angegriffen. In Jerusalem, im Zentrum des Landes und im Süden heulten die Warnsirenen, wie die Armee mitteilte. Es gab zunächst keine Berichte über Opfer. Israels Militär rückt parallel im Gazastreifen verstärkt mit Panzerverbänden und Kampfflugzeugen gegen die islamistische Hamas vor. Die humanitäre Lage für die Menschen dort immer furchtbarer.

Obwohl Israel mit Nachdruck die noch im Norden des Gazastreifens verbliebenen Zivilisten, darunter Patienten in Krankenhäusern, aufrief, sich in den Süden in Sicherheit zu begeben, halten sich etwa beim Schifa-Krankenhaus nach TV-Berichten weiterhin Tausende von Menschen auf. Nach israelischer Darstellung dient das Krankenhaus auch als Hamas-Kommandozentrum. Derweil kommt es im Nordkaukasus zu gewaltsamen antijüdischen Übergriffen angesichts von immer mehr Todesopfern im Gazastreifen.

Nach palästinensischen Angaben wurden in der Nacht vier Menschen getötet. Wie das palästinensische Gesundheitsministerium in Ramallah weiter mitteilte, feuerte eine israelische Drohne auch eine Rakete auf das Dach eines Hauses ab.

Die israelische Zeitung «Jerusalem Post» berichtete, die Armee sei gegen bewaffnete Mitglieder militanter Palästinenserorganisationen vorgegangen. Auch sei Sprengstoff sichergestellt worden.

Nach Angaben der palästinensischen Behörden führte israelisches Militär in der Nacht auch wieder in mehreren Städten des Westjordanlandes Razzien durch. Ob und wie viele Menschen festgenommen wurden, war zunächst nicht bekannt.

Antijüdische Übergriffe in Dagestan

In Russlands ist es im muslimisch geprägtem Nordkaukasus währenddessen verstärkt zu antijüdischen Übergriffen gekommen. In Machatschkala in der Teilrepublik Dagestan drang eine Menschenmenge am Sonntagabend in den Flughafen ein, weil dort eine Maschine aus Tel Aviv gelandet war, in der angeblich Flüchtlinge aus Israel saßen.

Bei dem Vorfall seien mehr als 20 Menschen teils schwer verletzt worden, meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass. Israel forderte die russischen Behörden zum Schutz seiner Staatsbürger auf. Die USA verurteilten die antisemitischen Vorfälle in Dagestan, so die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats auf der Plattform X.

Chefankläger warnt Israel und Hamas

Der Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof, Karim Khan, warnte derweil Israel wie auch die Hamas vor Verstößen gegen das Völkerrecht. «Ich möchte Israel gegenüber klar betonen, dass es ohne weitere Verzögerung erkennbare Anstrengungen unternehmen muss, um sicherzustellen, dass die Zivilbevölkerung Grundnahrungsmittel erhält, Medizin, Narkosemittel», sagte Khan in Kairo mit Blick auf die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen. Und an die Adresse der in Gaza herrschenden Hamas und aller, «die dort die Kontrolle haben»: Die Hilfe müsse die Zivilbevölkerung erreichen «und nicht missbraucht oder von ihr abgezweigt» werden, warnte der Chefankläger.

UN: Bisher 17 Lastwagen angekommen

Sit Kriegsbeginn sind nach UN-Angaben 117 Lastwagen mit Hilfsgütern im Gazastreifen eingetroffen. Trotz der geringen Menge würden die Güter eine «entscheidende Rolle» dabei spielen, unter anderem die wesentliche Gesundheitsversorgung in Gaza zu stärken, teilte das UN-Nothilfebüro OCHA in Genf mit.

Nach UN-Angaben werden täglich eigentlich 100 Lastwagenladungen benötigt, um die 2,2 Millionen Menschen dort mit dem Nötigsten zu versorgen. Vor Kriegsbeginn kamen OCHA zufolge im Durchschnitt unter der Woche täglich 500 Lkw in den Gazastreifen.

Gestern seien 33 Lastwagen in dem abgeriegelten Küstenstreifen angekommen und damit die größte Lieferung an einem Tag seit Kriegsbeginn. Darunter seien Wasser, Lebensmittel und Arzneimittel. «Die Erhöhung ist willkommen, es wird laufend aber eine viel größere Menge benötigt, um eine weitere Verschlechterung der humanitären Lage zu vermeiden, darunter auch zivile Unruhen.»

Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA befürchtet, dass die Ordnung wegen der Knappheit an humanitären Gütern zusammenbricht. Am Sonntag waren Tausende von Menschen in Lager- und Verteilpunkte für Hilfsgüter eingebrochen. Sie hätten dabei Mehl und andere Dinge wie Hygiene-Artikel mitgenommen.

Zahl der Toten steigt

Israel hat seit dem Massaker durch Terroristen der Hamas mehr als 1400 Tote zu beklagen. Mehr als 230 Menschen wurden verschleppt. Die Opferzahlen im Gazastreifen stiegen unterdessen im Zuge von Israels heftigen Gegenschlägen weiter. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden seit Kriegsbeginn vor gut drei Wochen mehr als 8300 Palästinenser getötet. Die Zahlen lassen sich gegenwärtig nicht unabhängig überprüfen.

UN-Generalsekretär António Guterres rief unterdessen erneut zu einem sofortigen «humanitären Waffenstillstand» und der Freilassung der über 230 Geiseln auf. Im Gazastreifen spiele sich «vor unseren Augen eine humanitäre Katastrophe» ab, so Guterres auf der Plattform X. Am Wochenende plünderten Menschen in Gaza UN-Lebensmittellager. «Dies ist ein besorgniserregendes Zeichen, dass die zivile Ordnung nach drei Wochen Krieg und einer festen Belagerung Gazas langsam zusammenbricht», erklärte Thomas White, UNRWA-Leiter im Gazastreifen.

Todesnachricht trotz vermisster Leiche

Laut der Mutter von Shani Louk, Ricarda Louk, ist ihre seit dem Hamas-Terrorüberfall auf Israel vermisste Tochter tot. Das habe ihr das israelische Militär mitgeteilt, so Louk. Die Leiche ihrer Tochter sei bislang zwar nicht gefunden worden, sagte Louk. Man habe aber einen Splitter eines Schädelknochens gefunden und daran eine DNA-Probe gemacht. Die Mutter geht davon aus, dass ihre Tochter bereits seit dem 7. Oktober tot ist - möglicherweise sei sie bei dem Terrorüberfall durch einen Schuss in den Schädel getötet worden. Zunächst gab es Hinweise, dass sie als Geisel verschleppt wurde.

Die Bundesregierung will nach Angaben des deutschen Botschafters in Israel, Steffen Seibert, bei den Bemühungen um die Freilassung von Geiseln alle diplomatischen Möglichkeiten nutzen. Es sei wichtig, «dass wir diplomatisch alle Mittel, die Deutschland hat, nutzen, um mit denen zu sprechen, die vielleicht Einfluss auf die Hamas haben», sagte Seibert am Montag im RTL/ntv-«Frühstart». «Es ist bekannt, wer die sind. Mit all denen wird gesprochen», sagte Seibert weiter. Die Forderung der Welt müsse heißen: «Lasst sie alle frei, ohne Bedingungen, jetzt.»

@ dpa.de