Sergej Schoigu, Wagner

Nach den Aufständen kehrt in Russland allmählich wieder Normalität ein.

26.06.2023 - 12:28:07

Strafverfahren gegen verschwundenen Wagner-Chef läuft noch. Von Wagner-Chef Prigoschin fehlt jede Spur. Sicher ist nur: Gegen ihn wird - entgegen den Angaben des Kremls - weiter ermittelt.

  • In der russischen Hauptstadt Moskau ist der Anti-Terror-Notstand wieder aufgehoben worden. - Foto: Dmitri Lovetsky/AP/dpa

    Dmitri Lovetsky/AP/dpa

  • Sergej Schoigu scheint nach wie vor Verteidigungsminister von Russland zu sein. - Foto: Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service/AP/dpa

    Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service/AP/dpa

  • Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu trat zum ersten Mal seit dem Aufstand der Söldnergruppe Wagner öffentlich auf. - Foto: Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service/AP

    Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service/AP

In der russischen Hauptstadt Moskau ist der Anti-Terror-Notstand wieder aufgehoben worden. - Foto: Dmitri Lovetsky/AP/dpaSergej Schoigu scheint nach wie vor Verteidigungsminister von Russland zu sein. - Foto: Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service/AP/dpaRusslands Verteidigungsminister Sergej Schoigu trat zum ersten Mal seit dem Aufstand der Söldnergruppe Wagner öffentlich auf. - Foto: Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service/AP

Nach dem bewaffneten Aufstand des russischen Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin und seiner Wagner-Armee ist das Strafverfahren gegen ihn Moskauer Medien zufolge bisher nicht eingestellt worden. Ermittler des Inlandsgeheimdienstes FSB untersuchten den Fall weiter, berichtete die Zeitung «Kommersant» unter Berufung auf die Fahnder.

«Die Ermittlungen laufen weiter», meldete auch die russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf eine eigene nicht näher benannte Quelle. Der Kreml hatte am Samstagabend mitgeteilt, dass das Strafverfahren gegen Prigoschin und die Wagner-Aufständischen eingestellt werde.

Wird Prigoschin bestraft oder nicht?

Von dem 62-Jährigen fehlte unterdessen weiter jede Spur. Er soll nach Kremlangaben im benachbarten Belarus Zuflucht finden.

Kremlchef Wladimir Putin hatte am Samstag in einer Rede erklärt, dass die Drahtzieher des Aufstandes ihrer «unausweichlichen Bestrafung» zugeführt würden. Dass dann der Kreml wenig später erklärte, die Aufständischen kämen nach Ende der Revolte und dem Abzug aus Russland doch ungeschoren davon, löste Erstaunen in dem Riesenreich aus. Kommentatoren legten das Einlenken Putins als Schwäche des Kremlchefs aus.

Die russischen Behörden gingen unterdessen gegen die Wagner-Organisation in Russland vor. In St. Petersburg, dem Stabsquartier Prigoschins, gab es dortigen Medien zufolge Razzien in den Büroräumen. Im Land wurden auch Werbeplakate entfernt, mit denen die Privatarmee Freiwillige für den Kriegsdienst in der Ukraine rekrutieren wollte. Tausende Söldner dienen in der Wagner-Truppe. Das soziale Netzwerk VK - das russische Gegenstück zu Facebook - sperrte auf Anweisung der Generalstaatsanwaltschaft die Seite von Wagner.

In seinem Telegram-Kanal, der mehr als 1,3 Millionen Abonnenten hat, stammt die letzte Nachricht von Prigoschin vom Samstag, als er nach Verhandlungen mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko das Ende des kurzen Aufstands verkündet hatte. Lukaschenko und Prigoschin, die sich laut Kreml seit etwa 20 Jahren kennen, hatten unabhängig voneinander erklärt, dass durch den Abzug der Wagner-Truppe ein «Blutvergießen» in Russland verhindert werden solle. Danach hatte sich die Lage schlagartig beruhigt.

US-Institut: Wagner-Gruppe wird weiterbestehen

Die russische Privatarmee Wagner wird nach dem Aufstand nach Einschätzung von US-Experten weiter zum Einsatz kommen. Die Rückkehr von Wagner-Truppen in ihre Ausbildungslager mit militärischer Ausrüstung deute darauf hin, dass der Kreml zumindest Teile der Gruppe eher aufrechterhalten wolle, als sie aufzulösen, erklärte das US-Institut für Kriegsstudien (ISW). Die Zukunft der Kommando- und Organisationsstruktur sei jedoch unklar.

Die Denkfabrik stützte sich bei ihren Einschätzungen auf die Aussagen des Leiters des russischen Verteidigungsausschusses, Andrej Kartapolow, der erklärt hatte, dass es nicht notwendig sei, die Wagner-Gruppe zu verbieten, da sie «die kampfbereiteste Einheit in Russland» sei. In Russland wird derzeit nach einer Anweisung von Kremlchef Wladimir Putin an einem Gesetz zur Regulierung privater Militärunternehmen gearbeitet.

Russland: Aufstand sollte «Land destabilisieren»

Russlands Regierungschef Michail Mischustin appelliert inzwischen an den Zusammenhalt des Volkes. «Es wurde der Versuch unternommen, Russland von innen heraus zu destabilisieren», sagte Mischustin der Agentur Interfax zufolge.

An die russische Gesellschaft gerichtet sagte er: «Wir müssen als ein Team zusammenarbeiten, die Einheit aller Kräfte wahren, uns um den Präsidenten scharen.» Zudem betonte der 57-Jährige, die Regierungsmitglieder in Moskau hätten ihre Plätze während der chaotischen Stunden am Samstag nicht verlassen.

Anti-Terror-Notstand in Moskau aufgehoben

Nach dem Ende des Aufstands wurde in Moskau der Anti-Terror-Notstand wieder aufgehoben. «Alle Beschränkungen werden zurückgenommen», schrieb Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin auf seinem Telegram-Kanal.

Die wegen der chaotischen Lage verschobenen Abschlussfeiern für Schüler würden am Samstag nachgeholt. Aufgehoben wurde der Anti-Terror-Notstand auch im Moskauer Gebiet sowie in der südlicher gelegenen Region Woronesch.

Russlands Verteidigungsministerium zeigt Schoigu-Video

Außerdem veröffentlichte Russlands Regierung erstmals Aufnahmen von Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Das 47 Sekunden lange Video ohne Ton, das Schoigu etwa in Beratungen mit anderen Militärs zeigt, soll bei einem Besuch im Kampfgebiet in der Ukraine aufgenommen worden sein, teilte das russische Verteidigungsministerium auf Telegram mit.

Der Minister habe dort einen der vorderen Kommandopunkte besucht, hieß es. Unabhängig überprüfen ließ sich das zunächst nicht. Es wurden keine Angaben gemacht, von wann die Aufnahmen stammen. Russische Militärblogger wiesen wenig später daraufhin, dass das Schoigu-Video ihrer Einschätzung nach noch vor dem Aufstand aufgenommen wurde. So hieß es etwa in dem bekannten Telegram-Kanal «Rybar», der Clip sei eine «Konserve».

Von Schoigu hatte am Wochenende in der Öffentlichkeit jede Spur gefehlt, nachdem Söldnerchef Jewgeni Prigoschin in der Nacht zum Samstag einen Aufstand begonnen und dabei etwa die südrussische Stadt Rostow am Don zwischenzeitlich besetzt hatte. Auch Russlands Generalstabschef Waleri Gerassimow äußerte sich in diesen chaotischen Stunden nicht.

Sowohl gegen Schoigu als auch gegen Gerassimow hatte Prigoschin schwere Vorwürfe erhoben und ihre angeblichen militärischen Verfehlungen als Grund genannt, warum er seine Kämpfer auf Moskau marschieren lassen wollte. Nachdem Prigoschin seinen Aufstand am Samstagabend überraschend wieder für beendet erklärte, mehrten sich zudem Spekulationen, ob es nun möglicherweise personelle Veränderungen in der russischen Militärführung geben werde.

@ dpa.de