Waffenpaket, Olaf Scholz

Massive Militärhilfe statt konkreter Nato-Beitrittsversprechen an die Ukraine: Mit dieser Strategie startet Scholz in den Gipfel von Vilnius.

11.07.2023 - 15:54:06

Scholz schnürt Waffenpaket - Kiew beschwert sich über Nato. Dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj reicht das nicht.

  • Kisten mit Waffen und Munition der Bundeswehr. Deutschland liefert der Ukraine weitere Waffen und Munition im Wert von knapp 700 Millionen Euro. - Foto: Jan Woitas/dpa/Symbol

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  • Bundeskanzler Olaf Scholz wird in Vilnius von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (l.) empfangen. - Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Kisten mit Waffen und Munition der Bundeswehr. Deutschland liefert der Ukraine weitere Waffen und Munition im Wert von knapp 700 Millionen Euro. - Foto: Jan Woitas/dpa/SymbolBundeskanzler Olaf Scholz wird in Vilnius von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (l.) empfangen. - Foto: Kay Nietfeld/dpa

Zum Auftakt des Nato-Gipfels in Litauen hat Bundeskanzler Olaf Scholz der Ukraine ein neues Waffenpaket im Wert von 700 Millionen Euro mit weiteren Panzern, Munition und Patriot-Flugabwehrgeräten zugesagt. Deutschland sei damit bei der militärischen Unterstützung der Ukraine ganz vorne mit dabei, sagte Scholz in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Konkrete Versprechen für einen Beitritt zu dem Verteidigungsbündnis wollen insbesondere er und US-Präsident Joe Biden Kiew aber nicht geben.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj machte seinem Ärger darüber während seiner Anreise nach Vilnius Luft. «Es sieht so aus, als ob es keine Bereitschaft gibt, die Ukraine in die Nato einzuladen oder sie zum Mitglied der Allianz zu machen», schrieb er. «Für Russland ist das eine Motivation seinen Terror weiter fortzusetzen.» Diese Unbestimmtheit sei ein Zeichen der Schwäche des Westens. «Und ich werde das auf dem Gipfel offen ansprechen», sagte der Staatschef.

Verkürzter Beitrittsprozess - aber kein Fahrplan

Zu Beginn des Gipfels war nur klar, dass die Nato die Kooperation und Unterstützung für die Ukraine deutlich ausbauen will. So soll es künftig einen Nato-Ukraine-Rat geben und ein mehrjähriges Programm, um eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften der Ukraine und des Bündnisses zu ermöglichen.

Zudem soll dem Land das für neue Mitglieder übliche Heranführungsprogramm erspart werden. Es könnte damit nach einer formellen Einladung zum Bündnisbeitritt deutlich schneller aufgenommen werden als zum Beispiel die Westbalkanländer Montenegro oder Nordmazedonien. Ein konkreter Fahrplan für den Beitritt war aber zunächst nicht geplant. Darauf dringen anders als Deutschland und die USA die Länder an der Nato-Ostflanke wie Polen, Lettland, Estland und auch Gastgeber Litauen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich trotz der Differenzen zuversichtlich. «Wir werden eine klare Botschaft, eine positive Botschaft zum weiteren Vorgehen geben», sagte er zum Auftakt des Gipfels.

Panzer, Luftabwehrsysteme und Drohnen für die Ukraine

Deutschland setzt zunächst auf verstärkte Militärhilfe für die Ukraine. Unter anderem soll die Ukraine weitere 40 Schützenpanzer vom Typ Marder, 25 Kampfpanzer vom Typ Leopard 1A5 und fünf Bergepanzer aus Industriebeständen sowie zwei Abschussgeräte für Patriot-Flugabwehrraketen der Bundeswehr bekommen. Hinzu kommen 20 000 Schuss Artilleriemunition und 5000 Schuss Nebelmunition sowie Aufklärungsdrohnen und Mittel zur Abwehr von Drohnenangriffen. Außerdem erhält die Ukraine Ausrüstung zur Minenabwehr und ein Sanitätspaket mit Komponenten für ein Feldlazarett.

Verteidigungsminister Boris Pistorius betonte, dass das Paket die Prioritäten der Ukraine bediene: Luftverteidigung, Panzer, Artillerie. «Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der ukrainischen Durchhaltefähigkeit», sagte er.

Die Bundesregierung hat für die Ukraine seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 bis zum 30. Juni 2023 nach Angaben des für Rüstungsexporte zuständigen Wirtschaftsministeriums bereits Lieferungen für 3,9 Milliarden Euro aus Bundeswehr- und Industriebeständen genehmigt. Hinzu kommen Lieferungen, die nicht genehmigt werden müssen. Insgesamt liegt Deutschland unter den Waffenlieferanten der Ukraine auf Platz zwei hinter den USA.

Frankreich liefert Marschflugkörper - Deutschland nicht

Waffen neuer Qualität sind in dem Hilfspaket nicht enthalten. Die von der Ukraine geforderten Marschflugkörper Taurus werden weiter nicht geliefert. Die Ukraine wünscht sich diese Waffen, um Stellungen der russischen Streitkräfte in der Ukraine weit hinter der Frontlinie angreifen zu können. Die Bundesregierung ist dabei zurückhaltend, weil die Geschosse auch russisches Territorium erreichen können.

Großbritannien liefert als erstes Nato-Land bereits jetzt Marschflugkörper. Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte am Rande des Gipfels an, dass auch Frankreich nun solche Waffen liefern will. Die USA halten sich damit noch zurück, genauso wie Deutschland.

Pläne für den Abwehrkrieg

Weiteres Topthema am ersten Gipfeltag waren neue Pläne für die Abwehr von möglichen russischen Angriffen auf das Bündnisgebiet. Sie sollten bei dem Spitzentreffen noch einmal offiziell bestätigt werden. Die insgesamt mehr als 4000 Seiten starken Dokumente beschreiben detailliert, wie kritische Orte im Bündnisgebiet durch Abschreckung geschützt und im Ernstfall verteidigt werden sollten. Dafür wird auch definiert, welche militärischen Fähigkeiten notwendig sind. Neben Land-, Luft-, und Seestreitkräften sind auch Cyber- und Weltraumfähigkeiten eingeschlossen.

@ dpa.de