Albin Kurti, Angriff

Maskierte, schwer bewaffnete Männer liefern sich in einem Dorf im Kosovo blutige Gefechte mit der Polizei.

24.09.2023 - 17:02:29

Tote bei Kämpfen mit bewaffnetem Kampftrupp im Nord-Kosovo. Sie kommen wohl aus Serbien, doch ihre Identität verbergen sie unter Uniformen ohne Abzeichen.

Ein schwer bewaffnetes Kampfkommando ist in der Nacht in den serbisch bewohnten Norden des Kosovos eingedrungen. Bei Feuergefechten töteten die Angreifer einen kosovarischen Polizisten und verletzten zwei weitere, wie das Innenministerium in Pristina mitteilte.

Die kosovarische Polizei umstellte die etwa 30 Eindringlinge im Dorf Banjska nahe der Stadt Mitrovica. Nach Erkenntnissen der kosovarischen Polizei wurden bei den Gefechten drei Angreifer getötet. Die Polizei nahm einen Angreifer und mehrere mutmaßliche Helfer fest. Die Regierung in Pristina geht davon aus, dass das benachbarte Serbien die irregulären Milizionäre geschickt hat.

Abspaltung mit Nato-Hilfe

Es handelt sich um den schwersten Zwischenfall im angespannten Verhältnis zwischen dem Kosovo und Serbien seit Jahren. Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 1999 nach serbischen Kriegsverbrechen an der kosovo-albanischen Zivilbevölkerung mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkennen die Unabhängigkeit des Kosovos an, Serbien, Russland, China und fünf EU-Mitgliedsländer tun dies nicht. Belgrad fordert die Rückgabe seiner einstigen Provinz.

Auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Pristina bezeichnete Ministerpräsident Albin Kurti die Geschehnisse in Banjska als einen von Serbien gelenkten Angriff auf den Staat Kosovo. «Es handelt sich um mindestens 30 Mann, schwer bewaffnet, uniformiert, professionelle Militärs oder Polizisten, die in Banjska von unseren Polizeikräften umstellt sind», sagte er. Die Eindringlinge forderte er auf, die Waffen niederzulegen und sich zu stellen.

Die kosovarische Regierung veröffentlichte Bilder, auf denen Männer mit Infanterie-Gefechtswaffen und schusssicheren Westen sowie ein Jeep und ein gepanzertes Transportfahrzeug zu sehen sind. Zu erkennen sind auch die Mauern des serbisch-orthodoxen Klosters in Banjska, in dessen Umfeld die Eindringlinge operierten. Die zuständige Diözese Raska-Prizren bestätigte, dass maskierte Bewaffnete mit Fahrzeugen in den Klosterkomplex eingedrungen sind. Die dort lebenden Mönche und anwesenden Gäste haben sich demnach im Inneren des Klostergebäudes eingeschlossen.

Der von der kosovarischen Polizei beschriebene Hergang des Vorfalls lässt auf dessen professionelle Vorbereitung und Lenkung schließen. Offenbar hatte man am frühen Morgen eine Streife der Kosovo-Polizei in einen Hinterhalt gelockt. Die Beamten hatten auf einer Brücke zwei Lastwagen ohne Kennzeichen entdeckt, die den Zugang nach Banjska blockierten. Als weitere Polizisten dort eintrafen, eröffneten die Eindringlinge das Feuer auf sie.

Das offizielle Belgrad bemühte sich, die Schuld für die Eskalation auf Kurti abzuschieben. «Wenn jemand für irgendeine Gewalt verantwortlich ist, dann ist er es», behauptete Parlamentspräsident Vladimir Orlic. Nur Kurti habe ein Interesse an der Zuspitzung des Konflikts, den er angeblich mit «Terror» gegen die Serben im Kosovo schüre. Auf die Identität der Angreifer ging Orlic nicht ein.

EU und USA verurteilen Aggression

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte die Aggression aufs schärfste. «Die verantwortlichen Täter müssen der Justiz zugeführt werden», erklärte er in Brüssel. Der US-Botschafter in Pristina, Jeff Hovenier, schrieb auf X, vormals Twitter: «Die USA verurteilen die orchestrierten, gewalttätigen Attacken auf die kosovarische Polizei aufs entschiedenste.» Die Polizei des Kosovos habe die «umfassende und legitime Verantwortung», Gesetz und Ordnung im Lande durchzusetzen.

Unter der Vermittlung Borrells und des EU-Sonderbeauftragten Miroslav Lajcak verhandeln das Kosovo und Serbien seit mehreren Monaten über eine Normalisierung ihres Verhältnisses. Die Gespräche blieben allerdings bislang ohne Erfolg. Die EU machte zuletzt die kosovarische Seite dafür verantwortlich, weil sie der von der EU und Serbien geforderten Bildung eines Verbandes der serbischen Gemeinden nicht zustimmen will. Pristina sieht darin jedoch den Versuch, die Grundlage für eine spätere Abspaltung des serbischen Nordens zu legen.

@ dpa.de