Ukraine, Geld

Lang wurde in der EU über neue Finanzhilfen für die Ukraine gestritten.

20.03.2024 - 13:29:25

EU zahlt Ukraine erstmals Geld aus neuem Hilfsprogramm aus. Jetzt fließt das erste Geld - allerdings vorerst nur als Brückenfinanzierung. Kanzler Scholz schwört indes auf Zusammenhalt ein.

Die Ukraine hat von der EU erstmals Geld aus einem neuen mehrjährigen Hilfsprogramm erhalten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen teilte bei einem Treffen mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal mit, dass 4,5 Milliarden Euro ausgezahlt worden seien. Das Geld solle der Ukraine in einer sehr schwierigen Situation helfen, das Funktionieren des Staates aufrechtzuerhalten, erklärte sie.

Den Angaben der Kommissionschefin zufolge wurde das Geld als Brückenfinanzierung zur Verfügung gestellt. Weitere Mittel soll es geben, wenn die Einhaltung von Auflagen überprüft wurde. Schmyhal präsentierte von der Leyen dazu am Mittwoch einen Plan, der zeigen soll, wie sich das von Russlands Angriffskrieg wirtschaftlich stark geschwächte Land wieder erholen soll.

50 Milliarden Euro als Hilfe geplant

Der ukrainische Ministerpräsident bedankte sich zudem für die bereits geleistete Unterstützung. «In den mehr als zwei Jahren seit der russischen Invasion haben wir von der EU und ihren Mitgliedstaaten insgesamt 88 Milliarden Euro an Hilfe erhalten», sagte er. Die Ukraine werde sich immer daran erinnern und dies zu schätzen wissen.

Das neue EU-Hilfsprogramm sieht für einen Zeitraum von vier Jahren Finanzhilfen im Umfang von 50 Milliarden Euro vor. 33 Milliarden Euro davon sollen als Darlehen ausgezahlt werden, der Rest in Form von nicht rückzahlungspflichtigen Zuschüssen.

Die neuen Finanzhilfen waren Anfang Februar von den Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten bei einem Sondergipfel in Brüssel nach einer wochenlangen Blockade Ungarns genehmigt worden. Als Gegenleistung für die Zustimmung des Landes willigten die anderen EU-Staaten ein, einmal im Jahr auf Spitzenebene über die Umsetzung des Hilfsprogramms für die Ukraine zu sprechen.

Zudem soll es in zwei Jahren die Möglichkeit einer Überarbeitung geben. Sie wird dem Kompromiss zufolge aber nur genutzt, wenn alle 27 EU-Staaten dafür die Notwendigkeit sehen. Eine jährliche Abstimmung wird es nicht geben.

Der ungarische Regierungschef Viktor Orban hatte zuvor die Sinnhaftigkeit der Pläne infrage gestellt. Zudem kritisierte er immer wieder, dass die EU aus seiner Sicht zu Unrecht für sein Land vorgesehene Gelder aus dem Gemeinschaftshaushalt eingefroren hat.

Mit den Finanzhilfen will die EU es dem ukrainischen Staat ermöglichen, weiter Löhne und Renten zu zahlen. Zudem soll der Betrieb von Krankenhäusern, Schulen und Notunterkünften für umgesiedelte Menschen garantiert werden. Darüber hinaus kann das Geld auch genutzt werden, um durch den russischen Angriffskrieg zerstörte Infrastruktur wiederherzustellen. Dazu gehören etwa Stromleitungen, Wassersysteme sowie Straßen und Brücken. Im vergangenen Jahr zahlte die EU Finanzhilfen in Höhe von 18 Milliarden Euro aus.

Scholz beschwört vor EU-Gipfel Zusammenhalt

Vor dem EU-Gipfel in Brüssel hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Zusammenhalt der Staatengemeinschaft in der Ukraine-Politik beschworen. «Wir stehen zusammen», sagte er in einer Regierungserklärung im Bundestag.

Er betonte, dass er sich in der vergangenen Woche mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk noch einmal auf drei Prinzipien verpflichtet habe. «Wir werden die Ukraine so lange unterstützen wie das nötig ist», sagte Scholz. Gemeinsam werde man auch dafür sorgen, dass die Nato nicht Kriegspartei werde. «Und wir werden keinen Diktatfrieden zulasten der Ukraine akzeptieren.»

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge will zudem auch innerhalb der Ampel-Koalition für eine stärkere Unterstützung der Ukraine eintreten. «Wir sind bislang gemeinsam einen richtigen Weg gegangen. Aber wir sind ihn nicht weit genug gegangen. Die Ukraine braucht dringend mehr Unterstützung», sagte sie im Bundestag in Berlin. Die Menschen in der Ukraine zahlten jeden Tag einen hohen Preis - und die Lage werde schlimmer. «Deswegen ringen wir miteinander darum, wie wir die Ukraine noch besser unterstützen werden. Deswegen kann ich als Fraktionsvorsitz der grünen Bundestagsfraktion sagen, dass wir als Grüne damit weitermachen werden», sagte Dröge. 

Weitere Geldquelle: Russisches Geld für die Ukraine?

Ein Großteil der Gewinne aus der Verwahrung eingefrorener russischer Zentralbank-Gelder in der EU könnte in Zukunft für Waffenkäufe für die Ukraine genutzt werden. Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell übermittelten den Regierungen der Mitgliedstaaten formell einen entsprechenden Vorschlag. Er sieht nach Angaben von EU-Beamten vor, künftig 97 Prozent der Erträge für die Ukraine zu nutzen. Die restlichen drei Prozent soll das verwahrende Finanzinstitut für seinen Aufwand einbehalten können. Insgesamt werden den Schätzungen zufolge allein in diesem Jahr zwischen 2,5 und 3 Milliarden Euro an sogenannten außerordentlichen Einnahmen anfallen. 

Borrell hatte zuvor mitgeteilt, dass 90 Prozent der nutzbaren Gewinne in den EU-Fonds für die Finanzierung militärischer Ausrüstung und Ausbildung geleitet werden sollten. Die restlichen 10 Prozent würden dann in den EU-Haushalt fließen und genutzt werden, um die Verteidigungsindustrie in der Ukraine selbst zu stärken. Voraussetzung sei aber, dass die Mitgliedstaaten seinem Vorschlag zustimmten, sagte der Spanier.

Kommissionspräsidentin von der Leyen kommentierte, es gebe kein besseres Symbol und keinen besseren Nutzen für dieses Geld, als die Ukraine und ganz Europa zu einem sichereren Ort zum Leben zu machen.

Von Diplomaten hieß es, es sei noch unklar, ob alle Mitgliedstaaten den Vorstoß unterstützen würden. Grund seien unter anderem Sorgen wegen möglicher Klagen Russlands und Vertrauensverlusten von Anlegern. Erste Gespräche auf Spitzenebene könnte es an diesem Donnerstag beim EU-Frühjahrsgipfel in Brüssel geben.

Beträge in Milliardenhöhe möglich

In einem ersten Schritt für die Nutzung russischer Gelder für die Ukraine hatten die Mitgliedstaaten bereits Mitte Februar erste Gesetzestexte angenommen. Sie regeln unter anderem, dass außerordentliche Erträge aus der Verwahrung der Zentralbank künftig gesondert aufbewahrt werden müssen. In einem zweiten Schritt muss nun festgelegt werden, wie die Erträge genutzt werden.

Den Schätzungen zufolge wird künftig jährlich ein Betrag in Milliardenhöhe anfallen, da in der EU nach Kommissionsangaben rund 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank eingefroren wurden und die Erträge aus der Verwahrung des Kapitals laufend steigen. Das in Brüssel ansässige Finanzinstitut Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4 Milliarden Euro an Zinseinnahmen gemacht zu haben, die in Verbindung zu Russland-Sanktionen stehen. Es ist in der EU das mit Abstand wichtigste Institut, das Vermögenswerte der russischen Zentralbank verwahrt.

Für den möglichen Fall, dass Euroclear im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten über das Vorgehen der EU Kosten anfallen, soll das Institut zehn Prozent der zu zahlenden Beträge sowie die bis Februar dieses Jahres angefallenen Zufallsgewinne zurückhalten können. Die Zahlungen sollen dem Vorschlag zufolge grundsätzlich zweimal im Jahr erfolgen. 

EU-Beamte betonen, dass es bei dem Projekt zunächst einmal nur um Einnahmen gehe, die Euroclear außerplanmäßig wegen der EU-Sanktionen gegen die russische Zentralbank mache. Es ist demnach vorerst keine Enteignung im eigentlichen Sinne geplant.

Als ein Grund dafür gelten rechtliche Bedenken und wahrscheinliche Vergeltungsmaßnahmen. Moskau hatte die EU bereits im vergangenen Jahr davor gewarnt, das Eigentum des russischen Staates oder russischer Bürger zu konfiszieren. Denkbar wäre es beispielsweise, dass dann auch in Russland tätige Unternehmen aus EU-Ländern zwangsenteignet werden. Zudem könnte eine direkte Nutzung der russischen Vermögenswerte auch dazu führen, dass andere Staaten und Anleger das Vertrauen in den europäischen Finanzplatz verlieren und Vermögen aus der EU abziehen.

@ dpa.de