Israelischer, Armeeeinsatz

Israels Streitkräfte finden Berichten zufolge in der Schifa-Klinik in Gaza Waffen der Hamas.

15.11.2023 - 17:19:26

Israelischer Armeeeinsatz in Gazas größtem Krankenhaus. Unterdessen wächst die Kritik an dem militärischen Einsatz am größten Krankenhaus im Gazastreifen. Der Überblick.

Israelische Bodentruppen sind in das größte Krankenhaus im Gazastreifen eingedrungen und haben dort laut Medienberichten Waffen der islamistischen Hamas gefunden.

Auf der Grundlage nachrichtendienstlicher Informationen hätten die Soldaten in der Nacht «eine präzise und gezielte Operation» gegen die Hamas im Schifa-Krankenhaus durchgeführt, teilte die Armee auf Telegram mit. Hinweise darauf, dass in der Klinik auch Geiseln festgehalten werden, gab es laut Medienberichten aber zunächst keine.

Bei der Aktion wurde nach Aussagen eines Arztes teils heftig gekämpft. Es habe stundenlange Schusswechsel und Bombardements gegeben, berichtete ein Mediziner der Klinik laut «Washington Post». Der Nachrichtensender Al-Dschasira berichtete von «Dutzenden Soldaten», die sich in der Notaufnahme des Krankenhauses aufgehalten haben. Zudem seien Panzer in einem Hof des Gebäudekomplexes stationiert worden. UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths zeigte sich über den Einsatz des israelischen Militärs am Schifa-Krankenhaus entsetzt.

Das israelische Militär ist davon überzeugt, dass sich unter dem Krankenhaus eine Hamas-Kommandozentrale befindet. Die Hamas bestreitet die israelischen Angaben. Israels Streitkräfte hofften auch, in dem Klinikkomplex zumindest Informationen über den Verbleib der am 7. Oktober bei der Hamas-Terrorattacke aus Israel verschleppten Geiseln zu finden.

Laut humanitärem Völkerrecht sind Angriffe auf zivile Ziele wie Krankenhäuser verboten. Wenn zivile Objekte allerdings missbraucht würden, gelte dies nicht mehr, erläuterte der Völkerrechtler Daniel-Erasmus Khan von der Universität der Bundeswehr. Das humanitäre Völkerrecht akzeptiere in dem Fall sogar unbeabsichtigte zivile Opfer bei einem Angriff. Israel müsse allerdings alles dafür tun, Zivilisten aus der Klinik zu evakuieren.

Wohl mehr als 2000 Menschen in der Schifa-Klinik

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO befanden sich mit Stand Montag mehr als 2000 Menschen in der Schifa-Klinik im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens, darunter vermutlich mehr als 600 Patienten und rund 1500 Vertriebene. Die Angaben beruhen auf Schätzungen des dortigen Gesundheitsministeriums, das von der Hamas kontrolliert wird. Augenzeugen bestätigten jedoch die Zahlen.

Fünf Bewaffnete bei Gefecht vor Klinik getötet

Israels Armeesprecher Daniel Hagari versicherte, dass Zivilisten, die von der Hamas als menschliche Schutzschilde benutzt würden, kein Schaden zugefügt werde. Bei einem Gefecht vor der Klinik töteten Soldaten den Medienberichten zufolge mindestens fünf bewaffnete Hamas-Mitglieder. Israelische Soldaten seien nicht verletzt worden.

UN-Nothilfekoordinator: Schutz von Zivilisten vor allem anderen

UN-Nothilfekoordinator Griffiths schrieb am Mittwoch auf X (vormals Twitter): «Der Schutz von Neugeborenen, Patienten, medizinischem Personal und allen Zivilisten muss vor allen anderen Anliegen stehen. Krankenhäuser sind keine Schlachtfelder»

Er legte einen Zehn-Punkte-Plan für Gaza vor, dessen Kernpunkt eine humanitäre Feuerpause ist. Es seien kontinuierliche Hilfslieferungen nötig. Er appellierte an Israel, weitere Grenzübergänge dafür zu öffnen.

UN: Nur noch ein Krankenhaus im nördlichen Gaza nimmt Patienten auf

Im nördlichen Gazastreifen nimmt nach UN-Angaben angesichts von Gefechten und wegen Treibstoffmangels nur noch ein Krankenhaus Patienten auf. Das Al-Ahli-Krankenhaus in der Stadt Gaza sei als einziges noch im Minimal-Betrieb, teilte das UN-Nothilfebüro OCHA in der Nacht zum Mittwoch mit. «Alle anderen haben den Betrieb wegen eines Mangels an Strom, medizinischem Material, Sauerstoff, Essen und Wasser eingestellt.» Im Al-Ahli-Krankenhaus seien derzeit etwa 500 Patienten untergebracht.

Tankwagen liefert Treibstoff in Gazastreifen

Erstmals seit Beginn des Gaza-Kriegs kam ein Tankwagen mit Treibstoff aus Ägypten im Gazastreifen an. Der Leiter des UNRWA im Gazastreifen, Thomas White, äußerte sich jedoch kritisch zu der Lieferung. «Das ist nur neun Prozent dessen, was wir täglich brauchen, um lebensrettende Aktivitäten fortzusetzen», schrieb er auf X.

UN: Humanitäre Unterstützung im Gazastreifen vor Zusammenbruch

Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA warnte, dass die humanitäre Unterstützung für die Menschen im Gazastreifen wegen des Mangels an Treibstoff bald zusammenbrechen werde. Es stehe auch kaum mehr Treibstoff für die Trinkwasseraufbereitung zur Verfügung. Wegen fehlenden Treibstoffs für die Stromerzeugung droht nach palästinensischen Angaben auch der Totalausfall der Kommunikationsnetze.

Erdogan wirft Israel Vernichtungsstrategie in Gaza vor

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan griff Israel kurz vor seiner Deutschlandreise erneut scharf an. «Israel verfolgt eine Strategie zur gesamten Vernichtung von einer Stadt und ihren Menschen, indem es absichtlich auf Schulen, Moscheen, Kirchen, Krankenhäuser, Märkte, Gebäude und Straßen zielt», sagte Erdogan am Mittwoch. Er wird am Freitag zu einem Besuch in Berlin erwartet. Erdogan hatte zuletzt die Legitimität Israels infrage gestellt. Die islamistische Hamas, die in Israel, den USA und der EU als Terrororganisation gelistet ist, bezeichnet er zudem als «Befreiungsorganisation».

Scholz will mit Erdogan Klartext über Gaza-Krieg sprechen

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte an, er wolle in seinem bevorstehenden Gespräch mit Erdogan Differenzen im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg deutlich ansprechen. «Das ist in dieser Frage ganz wichtig, dass da Klarheit herrscht und man sehr deutlich seine eigene Position auch vorbringt», sagte Scholz am Mittwoch im Bundestag.

«Schwere Kinderrechtsverletzungen» - Unicef-Direktorin in Gaza

Unicef-Exekutivdirektorin Catherine Russell rief die Kriegsparteien nach einem Besuch im Gazastreifen zu einem sofortigen humanitären Waffenstillstand auf. Sie forderte am Mittwoch zudem die Freilassung aller von der islamistischen Hamas entführten Kinder sowie sicheren Zugang für humanitäre Akteure, um die notleidende Bevölkerung mit lebensrettenden Diensten und Hilfsgütern zu versorgen. Russel verwies auf Berichte, wonach mehr als 4600 Kinder getötet worden sein sollen und fast 9000 verletzt wurden.

@ dpa.de