Druck, Israel

Israel steht angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen international immer stärker in der Kritik.

03.04.2024 - 05:01:49

Druck auf Israel nach Tod von Gaza-Helfern wächst. Zwischen Warschau und der Regierung in Jerusalem ist ein Streit entbrannt. Die News im Überblick.

  • Die Organisation World Central Kitchen will angesichts des Tods ihrer Mitarbeiter ihren Einsatz in der Region sofort stoppen. - Foto: Abdel Kareem Hana/AP

    Abdel Kareem Hana/AP

  • Tausende Israelis protestierten den vierten Tag in Folge gegen die Regierung und für ein Abkommen zur Freilassung der in Gaza weiter festgehaltenen Geiseln. - Foto: Ohad Zwigenberg/AP

    Ohad Zwigenberg/AP

Die Organisation World Central Kitchen will angesichts des Tods ihrer Mitarbeiter ihren Einsatz in der Region sofort stoppen. - Foto: Abdel Kareem Hana/APTausende Israelis protestierten den vierten Tag in Folge gegen die Regierung und für ein Abkommen zur Freilassung der in Gaza weiter festgehaltenen Geiseln. - Foto: Ohad Zwigenberg/AP

Der Tod von ausländischen Helfern im Gazastreifen bei einem israelischen Luftangriff droht den jüdischen Staat weiter zu isolieren und sorgt für zusätzliche Spannungen mit seinem wichtigsten Verbündeten USA. US-Präsident Joe Biden machte Israel schwere Vorhaltungen: «Israel hat nicht genug getan, um die Helfer zu schützen, die versuchen, die Zivilbevölkerung mit dringend benötigter Hilfe zu versorgen.»

Dies sei einer der Hauptgründe, warum die Verteilung humanitärer Hilfe im Gazastreifen so schwierig sei, beklagte Biden in einer schriftlichen Stellungnahme. Israels Generalstabschef Herzi Halevi bezeichnete den Luftangriff, bei dem mehrere Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) getötet wurden, als «schweren Fehler».

Zwischen Warschau und der Regierung in Jerusalem ist ein Streit entbrannt. Bei dem Angriff starb auch ein polnischer Mitarbeiter. Der polnische Regierungschef Donald Tusk kritisierte die Reaktion seines israelischen Amtskollegen Benjamin Netanjahu auf den Vorfall sowie eine Äußerung des Botschafters Jakov Livne. «Herr Premierminister Netanjahu, Herr Botschafter Livne, die überwiegende Mehrheit der Polen hat sich nach dem Angriff der Hamas mit Israel solidarisch gezeigt. Heute stellen Sie diese Solidarität auf eine harte Probe. Der tragische Angriff auf die Freiwilligen und Ihre Reaktion wecken verständliche Wut», schrieb Tusk auf der Plattform X (vormals Twitter).

Polen Außenminister Radoslaw Sikorski sagte unterdessen, sollten sich die Berichte israelischer Medien über die Hintergründe des Vorfalls bestätigen, dann müsse sich Israel bei den Familien der Opfer entschuldigen und ihnen eine Entschädigung zahlen.

Israels Militärchef: Das hätte nicht passieren dürfen

«Der Angriff wurde nicht in der Absicht durchgeführt, den WCK-Helfern zu schaden. Es war ein Fehler, der auf eine falsche Identifizierung folgte - in der Nacht während eines Krieges unter sehr komplexen Bedingungen. Das hätte nicht passieren dürfen», sagte Halevi in der Nacht in einer Videostellungnahme.

Dies habe eine vorläufige Untersuchung ergeben. Ein unabhängiges Gremium werde den Vorfall gründlich untersuchen und «in den nächsten Tagen» abschließen. Die Armee werde aus den Schlussfolgerungen lernen «und sie sofort umsetzen», sagte der israelische Generalstabschef und drückte sein Bedauern aus.

Mangelnde Disziplin und Eigenmächtigkeit israelischer Kommandeure sind laut einem Bericht der israelischen Zeitung «Haaretz» der Grund für den tödlichen Angriff. An dem Vorfall beteiligte Kommandeure und Streitkräfte hätten gegen Anweisungen und Regeln gehandelt, schrieb das Blatt unter Berufung auf Militärkreise. Koordinierungsprobleme zwischen der Armee und der Hilfsorganisation World Central Kitchen seien dagegen nicht der Grund für den tödlichen Angriff gewesen. Ein israelischer Armeesprecher sagte auf Anfrage, man prüfe die Berichte. 

Biden: Das ist kein Einzelfall

«Das ist kein Einzelfall», beklagte Biden. «Dieser Konflikt ist einer der schlimmsten in jüngerer Zeit, was die Zahl der getöteten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen angeht.» Israel habe auch nicht genug getan, um die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen. Sieben Mitarbeiter von World Central Kitchen waren durch den israelischen Luftschlag getötet worden.

Israels Präsident Izchak Herzog entschuldigte sich beim Gründer der Hilfsorganisation, José Andrés. Er habe ihm sein tiefes Bedauern über den «tragischen Verlust der Leben der WCK-Mitarbeiter» ausgedrückt, schrieb Herzog auf der Plattform X (vormals Twitter). Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach in einer Videobotschaft von einem «tragischen Fall eines unabsichtlichen Treffers unserer Streitkräfte gegen Unschuldige im Gazastreifen».

«Jeder fühlt sich jetzt bedroht», zitierte die «New York Times» Michael Capponi, Gründer der Hilfsorganisation Global Empowerment Mission. Es müsse der internationalen Gemeinschaft von Nichtregierungsorganisationen «garantiert werden, dass wir bei unserer Arbeit, die so wichtig ist, sicher sind», forderte Capponi.

Die Organisation World Central Kitchen will angesichts des Tods ihrer Mitarbeiter ihren Einsatz in der Region sofort stoppen und bald Entscheidungen «über die Zukunft unserer Arbeit treffen». Israel riskiere, am Ende ohne Partner für die Bereitstellung und Lieferung humanitärer Hilfe in den Gazastreifen dazustehen, zitierte die «Times of Israel» einen Beamten der US-Regierung.

DRK-Chefin fordert Sicherheitsgarantien

Auch die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt, fordert einen besseren Schutz für humanitäre Einsatzkräfte. «Wir brauchen dringend Sicherheitsgarantien für Helferinnen und Helfer», sagte Hasselfeldt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Anders sei die Unterstützung der Menschen in Gaza und der Schutz der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr zu gewährleisten. Sie forderte zudem kontinuierlichen Zugang für humanitäre Hilfe in Gaza. «Wir tun mit unseren Partnern aus der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung alles, um weiter bedarfsgerecht Hilfe für die Menschen in Not zu leisten», sagte sie, «aber es wird immer schwieriger und die Situation vor Ort ist für die Helferinnen und Helfer sehr gefährlich.»

Helfer: Wahr gewordener Albtraum

Tess Ingram, Sprecherin des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef), sagte der «New York Times», sie hoffe, dass der Tod der Mitarbeiter von WCK «die Welt dazu bringen wird, zu erkennen, dass das, was hier passiert, nicht in Ordnung ist». «Die Nachricht von dem Angriff ist entsetzlich - ein wahr gewordener Albtraum für uns», sagte Soraya Ali, Sprecherin der Organisation Save the Children, der Zeitung.

«Mehr als 200 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden in diesem Konflikt getötet, der damit zu einem der schlimmsten Konflikte für Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in der jüngeren Geschichte zählt», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby.

USA: Israel auch für Angriff in Damaskus verantwortlich

Israel ist nach Einschätzung der US-Regierung auch für den Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus verantwortlich. Das machte die stellvertretende Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh bei einer Pressekonferenz in Washington deutlich. Singh war gefragt worden, ob die USA an dem Luftangriff am Montag beteiligt gewesen seien.

Darauf antwortete sie: «Die USA haben keinen Angriff in Damaskus durchgeführt. Ich möchte Sie auf die Israelis verweisen, um mit ihnen über ihren Angriff zu sprechen.» Die Nachfrage, ob es die offizielle Einschätzung der US-Regierung sei, dass Israel für den Schlag verantwortlich sei, bejahte Singh: «Das ist unsere Einschätzung.»

Bei dem Angriff wurden zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden (IRGC) getötet. Die IRGC sind Irans Elitestreitmacht und werden als mächtiger eingeschätzt als die konventionellen Streitkräfte des Iran. Das Land verurteilte die Attacke scharf und drohte dem Erzfeind Israel mit Vergeltung.

Ein israelischer Militärsprecher sagte auf Anfrage, man kommentiere keine Berichte in ausländischen Medien. Unterdessen protestierten erneut Tausende Israelis den vierten Tag in Folge gegen die Regierung und für ein Abkommen zur Freilassung der in Gaza weiter festgehaltenen Geiseln.

Die Bundesregierung hat sich zurückhaltend geäußert. «Uns liegen dazu keine eigenen Erkenntnisse vor, die eine vollständige oder abschließende Bewertung dieses Vorfalls ermöglichen», sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Zugleich rief er alle Akteure in der Region - ausdrücklich auch Israel - dazu auf, «eine regionale Eskalation unbedingt zu vermeiden». 

Der Sprecher des deutschen Außenministeriums ergänzte, militärische Operationen, die sich gegen Botschaften oder Konsulate richteten, würden ein gefährliches Eskalationspotenzial bergen. «Jeder bestätigte bewaffnete Angriff gegen eine Botschaft oder ein Konsulat wäre ein Grund zur Sorge», sagte er. Der Sprecher betonte allerdings, das Auswärtige Amt kenne den genauen Status des angegriffenen Gebäudes nicht.

Palästinenser bemühen sich um UN-Vollmitgliedschaft

Der palästinensische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Riyad Mansour, bat unterdessen in einem Brief an UN-Generalsekretär António Guterres, einen Antrag von 2011 auf eine Vollmitgliedschaft für einen Staat Palästina bei der Organisation erneut dem Sicherheitsrat vorzulegen. Den Brief teilte die palästinensische UN-Mission auf X.

Im November 2011 war ein Antrag auf UN-Vollmitgliedschaft am zuständigen Sicherheitsrat gescheitert. Die Veto-Macht USA und andere wollten, dass die Palästinenser zuvor mit Israel Frieden schließen. Im November 2012 räumten die UN den Palästinensern gegen den Widerstand der USA Beobachterstatus ein. Von 193 UN-Mitgliedsstaaten haben bisher 139 Palästina als unabhängigen Staat anerkannt. Deutschland gehört nicht dazu.

@ dpa.de